Toyota RAV 4:Zierlicher Kraxler für die Bordsteinkante

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Komfortable Ausstattung, pfiffiges Design und Handlichkeit zeichnen den 'FunCruiser' aus

(SZ vom 10.08.1994) Auch wenn 80 000 Deutsche an ein und demselben Tag auf Mallorca landen, bleibt Individualität dennoch das Motto der 90er Jahre. Ob Rocksaum oder Religion - Grenzen verschwimmen, Normen bröckeln. Der innere Drang, sich vom Nachbarn zu unterscheiden, zeigt sich nicht nur bei Farbe und Form des Gartenzwergs, sondern vorzugsweise auch beim fahrbaren Untersatz. Doch gerade hier sind der Individualität Grenzen gesetzt. Denn einerseits regelt beim Gros der Deutschen der Kontostand Design und Ausstattung. Auf der anderen Seite mangelt es aber auch den Herstellern an Mut und Phantasie - zumindest, wenn es um die mittlere Preiskategorie geht.

Eine erfreuliche Ausnahme rollen einmal wieder die Japaner auf den Markt. Seit Juli steht der RAV 4 (Recreational Active Vehicle mit 4Wheel Drive) bei den Händlern, Toyotas aktuellster Beitrag auf dem Sektor der Trend-Mobile. Hinter der seltsam anmutenden Buchstaben-Zahlenkombination, die Kenner Raff-Fohr aussprechen, verbirgt sich ein 'Drei-in- einem'-Fahrzeug mit der Zusatzbezeichnung FunCruiser. Das heißt: Er gleicht durch das Aussehen und die Antriebstechnik einem Geländewagen, verfügt mit seiner selbsttragenden Karosserie über die konstruktiven Merkmale eines Pkw und bietet dazu die Fahrleistungen eines sportlichen Kompaktwagens.

Das klingt vielversprechend - und riecht etwasnach puren Werbehülsen. Doch Toyota gelang es mit dem FunCruiser tatsächlich, ein Konzept auf die Räder zu stellen, das Erfolg verspricht. Bekanntlich sind Geländewagen unter den Individualisten der Renner. Doch im Gegensatz zur durchwegs wuchtig anmutenden Konkurrenz präsentiert sich der Raff-Fohr als zierlicher Kraxler. Dafür sorgen die ansprechenden Rundungen seines Blechkleides und das kompakte Außenmaß von 3,70 Metern Länge.

Ideales Gefährt für die Stadt

So konzipiert, empfiehlt sich der FunCruiser als ideales Gefährt für die Stadt. Einerseits bietet er die besonders von Frauen geschätzte, erhabene Sitzposition, die subjektiv Sicherheit vermittelt (für die tatsächliche sorgen Seitenaufprallschutz und Fahrer-Airbag) sowie eine ausgezeichnete Rundumsicht. Die kompakten Außenmaße und der kleine Wendekreis runden seine Stadttauglichkeit ab. Daß der Raff-Fohr aber auch fernab von ausgetretenen Pfaden eine gute Figur macht, dafür garantiert der permanente Allradantrieb.

Nachdem dieser Punkt in Zeiten des steigenden Umweltbewußtseins an Aktualität verliert, stellt sich die Frage, ob das Gefährt auch für Fernreisen taugt. Die Antwort ist ein schlichtes Ja. Das Fahrwerk (Einzelradaufhängung) ist komfortabel, der 95 kW (129 PS) starke Zweiliter-Motor gewährleistet immerhin eine Höchstgeschwindigkeit von 170 km/h, wobei die Geräuschkulisse im Vergleich zu manch anderem Konkurrenz-Mobil als durchaus leise interpretiert werden kann. Ein weiterer Vorteil: Während sich die ausgewachsenen Geländefahrzeuge meist als Schluckspechte entpuppen, begnügt sich Toyotas FunCruiser im Drittelmix mit weniger als neun Liter Super Bleifrei. Und letztendlich demonstriert Toyota, daß für Long- Distance-Ausflüge auch in der 'kleinsten Hütte' Platz sein kann. Je nach Stühlerücken bietet der FunCruiser ein Ladevolumen von 173 Liter (alle vier Sitze in Gebrauch) bis 520 Liter (zweisitzig). Bei Bedarf läßt sich der Innenraum noch durch das Umklappen der Sitze in eine kommode Schlafstätte verwandeln.

Nach all dem Lob, keine Kritik - vielmehr ein Verbesserungsvorschlag für den Innenraum. Er steht durch das glänzende Plastik im Armaturentafelbereich im krassen Gegensatz zum äußeren Erscheinungsbild. Selbst wenn der Preis (mit Schaltgetriebe 31 900 Mark, mit Automatik 34 850 Mark) natürlich Grenzen in der Gestaltung nach sich zieht.

Wenn es Herstellern im Mode-Accessoire-Bereich längst gelingt, Kroko-Imitate täuschend echt umzusetzen, muß es auch die Automobilindustrie schaffen, den zugegebenermaßen unersetzbaren Kunststoff so verarbeiten zu lassen, daß er optisch nicht an die ersten Gehversuche mit diesem Werkstoff erinnert.

Komfortabel, pfiffig und handlich sind also die Merkmale des Funmobils, das nicht nur fit für die Stadt, sondern auch fit for fun ist. Um das Paket abzurunden, bietet Toyota außer der normalen Serienausstattung (etwa Fahrer-Airbag, Servolenkung, sperrbares Zentraldifferential) noch zusätzliche Extras unter dem Namen Fun Paket.

Gegen einen Aufpreis von 3000 Mark werden Zentralverriegelung, elektrische Fensterheber und elektrisch einstellbare Außenspiegel, ein höhenverstellbares Lenkrad sowie zwei herausnehmbare Sonnendächer geliefert. Wer ABS nicht missen möchte, muß noch einmal 2480 Mark auf den Tisch legen. Denn Toyota entschied sich bei der Frage 'Airbag oder ABS serienmäßig?' zugunsten des Luftsacks, was nicht ganz verständlich ist.

Ob die Vorschußlorbeeren, mit denen das Trend-Modell nach seiner Weltpremiere im Frühjahr auf dem Genfer Salon bedacht wurde, gerechtfertigt waren, entscheiden die Kunden. In jedem Fall rechnet Toyota in diesem Jahr noch mit 4000 Individualisten, vom nächsten Jahr an sollen es dann 9000 sein.

Von Ina Reckziegel

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