Teure Umweltautos:Die Kostenfalle

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Hybrid oder Diesel und was zahlt der Kunde: Auf der "grünen" IAA in Frankfurt steht die Autowelt vor ungelösten Problemen. Geld verdienen lässt sich mit der Spartechnik auf absehbare Zeit nicht.

Joachim Becker

China hat für 2008 die "grünen Olympischen Spiele" angekündigt. Ob das Smog-geplagte Peking tatsächlich unter blauem Himmel strahlt? Fest steht, dass Frankfurt beim Umweltschutz derzeit in Führung liegt - zumindest, wenn man den Ankündigungen zur 62. IAA Glauben schenkt.

Grüner Gesell: Als Diesel-Hybrid soll der 308 beim Verbrauch unter dreieinhalb Litern bleiben. Doch die Kosten für den High-Tech-Motor hat Peugeot noch nicht im Griff. (Foto: Foto: Hersteller)

Die Automesse steht ganz im "Zeichen der nachhaltigen Mobilität": Nach der Debatte um das Auto als Klimakiller ist jetzt Klimaschutz angesagt. Auf der vorgeblich grünen Messe purzeln die CO2-Werte wie die Preise beim Sommerschlussverkauf. Vor allem die Armada der Hybrid-Prototypen verspricht eine Kehrtwende vom Spritfresser zum "green car".

Beispielsweise der ML 450 Hybrid, den Mercedes für 2009 als "weltweit sparsamsten Benzinhybrid im SUV-Segment" ankündigt. Das aufwendige Two-Mode-Hybrid-System, das die Stuttgarter zusammen mit General Motors und BMW entwickelt haben, kommt auf eine Systemleistung von 236 kW (321 PS) und ein maximales Drehmoment von 520 Nm. Trotz der Leistungswerte auf Achtzylinder-Niveau soll der Sechszylinder-Benziner im Schnitt nur 7,7 Liter Super auf 100Kilometer verbrauchen - das entspricht einem CO2-Ausstoß von 185 g/km.

Das Kosten-Dilemma wird nicht besser, wenn man die Leistungselektronik mit einem Diesel-Motor kombiniert. "Wir haben die Technikkosten beim 308 Hybrid HDi noch nicht im Griff", gibt Peugeot-Sprecher Christophe Chateau zu. Nur 90 Gramm des Klimagases soll der Franzose im Golf-Format ausstoßen, der Durchschnittsverbrauch von 3,4 Liter Kraftstoff klingt verlockend.

Verzicht war gestern, in der schönen neuen Elektro-Welt können wir guten Gewissens mit 2,5-Tonnern zum Brötchenholen fahren - suggerieren uns die Hersteller. Doch die grüne Zukunft gibt es nicht zum Nulltarif: "Die meisten Kunden erwarten einfach, dass wir bei der Effizienz auf der Höhe der Zeit sind und bezahlen höchstens fünf Prozent zusätzlich für Verbrauchstechnologien", erklärt Audi-Vertriebsvorstand Ralph Weyler. Die Economy-Modelle des Audi A3 und A4 werden lediglich von vier Prozent der Kunden gekauft, auch die Nachfrage nach den VW-BlueMotion-Modellen bleibt im einstelligen Prozentbereich.

Rabattschlacht selbst bei Premiumautos

Wer in Europa mehrere tausend Euro extra für eine Hybrid-Variante ausgeben soll, bleibt ein Rätsel. "Bei 3000 Euro Aufpreis ist Schluss", sagt Ralph Weyler - wohl wissend, dass der Audi Q7 Hybrid von 2009 an ohnehin nur in Amerika angeboten wird. Auch die Hybrid-Benziner von BMW, Porsche und Volkswagen zielen auf den US-Markt. Dort sind aber selbst Premiumautos nur mit mehreren tausend Dollar Rabatt an den Mann zu bringen. Geld verdienen lässt sich mit der teuren Spartechnik also auf absehbare Zeit nicht.

Die Kombination eines 80 kW (109 PS) starken Diesel mit einem 16 kW starken Elektromotor dürfte den Peugeot allerdings so teuer wie einen Toyota Prius machen (rund 24.000 Euro). Ohne Steuersubventionen wird sich der Preisaufschlag von 20 Prozent gegenüber gängigen Dieselmodellen in der Praxis kaum amortisieren.

Porsche Cayenne Hybrid
:"Segeln" bis 120

Porsche mit seiner sportlich-schluckfreudigen Flotte will nicht mehr der Öko-Buhmann sein. Ein Hybrid-Antrieb im Cayenne soll Abhilfe schaffen.

Eine Hightech-Preziose ist auch der Mercedes S 300 Bluetec Hybrid, der einen Vierzylinder-Diesel inklusive aufwendiger DeNox-Abgasreinigung mit einem Elektromotor kombiniert. Bei einer Gesamtleistung von über 150 kW (200 PS) und mehr als 500 Nm Drehmoment soll die S-Klasse nur 5,4 Liter Diesel verbrauchen und lediglich 142 g/km CO2 ausstoßen. Der Effizienzsteigerung von rund 30 Prozent gegenüber der derzeit weltbesten Limousine im Luxus-Segment erscheint sensationell.

Was wie Science Fiction wirkt, ist mit einem zweistufig aufgeladenen Turbodiesel aber schon heute in Serie: Der Selbstzünder mit mehr als 100 PS pro Liter Hubraum startete vor kurzem im BMW 123d (204 PS, Verbrauch 5,2 Liter), bei Mercedes und Audi stehen ähnliche Vierzylinder bereit. Warum soll ein Kunde die teure und wenig erprobte Hybridtechnik kaufen, wenn ein Diesel mit Start-Stopp-Automatik und intelligentem Energiemanagement ähnlich sparsam ist?

Auch ein Navigationssystem kann beim Sparen helfen

Das entscheidende Kriterium für alle Zukunftstechnologien bleibt der Alltagsnutzen: Wirklich praktisch ist die Elektrifizierung des Antriebsstrangs nur im Stadtverkehr, wo viel gebremst und an der Ampel gestanden wird. Wer eher längere Strecken fährt, steckt sein Geld besser in ein intelligentes Navigationssystem, das ihn um Staus und allzu viel Ampelstopps herumführt.

Apropos Kosten-Nutzen: Der Hybrid-Hype schlägt auch deshalb so hohe Wogen, weil noch kaum jemand die Stromer gefahren ist. Schon die ersten Kilometer mit Prototypen des Audi Q7 Hybrid oder Porsche Cayenne Hybrid machen klar, wie groß der Toyota-Vorsprung bei Vollhybriden wirklich ist: 34 Kilowatt elektrische Leistung aus der Batterie bringen beim Beschleunigen fast gar nichts, wenn man mit schweren Geländefahrzeugen unterwegs ist. Beim kräftigen Druck aufs Gaspedal ruckelt es im Getriebe und der Bordcomputer nimmt sich eine Denkpause, bevor die Fuhre Fahrt aufnimmt.

Noch ist unklar, wie die Hybride von Audi und VW bis zum Serienstart Ende 2008 Lexus-Niveau erreichen wollen (der Porsche Cayenne Hybrid kommt erst 2010). Ein zweiter oder dritter Platz bei den grünen Olympischen Spielen kostet aber nur Geld und bringt fürs Image gar nichts.

Auch Hybrid-Pionier Toyota steht mächtig unter Strom: Die Japaner mussten gerade den Einsatz der Lithium-Ionen-Akkus um mehrere Jahre verschieben. Zum Start des Prius III Ende 2008 sollte die Hoffnungsträger unter den Energiespeichern serienreif sein, horrende System- und Rohstoffpreise haben die Entwicklung zurückgeworfen. Aktuelle Nickel-Metallhydrid-Batterien sind zwar serienreif, verfügen aber nur über die halbe Leistungsdichte: Müssen sie die Klimaanlage ohne Unterstützung des Verbrennungsmotors betreiben, sind die Akkus ruckzuck leer.

Bei der Elektrifizierung reicht es nicht, eine scheibenförmige E-Maschine in den Antriebsstrang zu zwängen. Entscheidender als die Hybrid-Hardware, die man auf der IAA überall bestaunen kann, ist die Software, die hinter der Hochvolttechnik steckt. Nur wenn der Verbrennungsmotor beim Fahren oft genug ausgeschaltet wird ("segeln") und ansonsten im optimalen Lastbereich läuft, sparen Hybride spürbar Kraftstoff.

Bei den Verbrauchsangaben ist auch deshalb Vorsicht geboten, weil der europäische Normzyklus bei konstant 20 Grad Außentemperatur gefahren wird. Bei Hitze oder Minusgraden sind Hochleistungsbatterien jedoch kaum zu gebrauchen, die Energieausbeute sinkt dramatisch. Ein moderner Turbo-Benziner kann im Alltag deshalb günstiger sein, zu diesem Ergebnis kommt auch die Studie "Powertrain of the future" von A.T. Kearney: "Das Kosten-Nutzen-Verhältnis von Benzin-Hybriden verbessert sich bis 2020. Dennoch schlägt die Anschaffung eines Mittelklasse-Benzin-Hybriden auch dann noch mit etwa 3000 Euro mehr zu Buche als die eines Benziners und mit etwa 1000 Euro mehr als die eines Dieselfahrzeugs", sagt Jens Tischendorf von A.T. Kearney.

Für die Studie hat die Unternehmensberatung Antriebs-Verantwortliche aus mehr als 60 Unternehmen weltweit befragt. Fazit: Für die breite Masse der Konsumenten bleiben Hybrid-Fahrzeuge bis 2020 unwirtschaftlich. Dafür werde ein Otto-Motor zu diesem Zeitpunkt nur noch knapp zehn Prozent mehr verbrauchen als ein Diesel. Hinzu komme, dass die künftig erforderliche Abgasnachbehandlung die Mehrkosten für Diesel um weitere 800 bis 1500 Euro ansteigen lasse. "Entgegen der allgemeinen Wahrnehmung kommt der Trend zur Regulierung von CO2-Emissionen weniger dem Diesel als dem Otto-Motor zugute", erklärt Studienautor Stephan Krubasik.

Die Jahres-Kilometerleistung, ab der sich die Anschaffung eines Diesels lohnt, werde in Europa von heute 12.000 Kilometer bis 2020 auf etwa 16.500 Kilometer steigen. Entsprechend reduziere sich der Anteil der Autofahrer, für die ein Diesel kostenmäßig in Frage kommt von knapp 50 auf etwa 25 Prozent, so die Studie.

Auch Toyota investiert in den Diesel

Otto top - Diesel flop? Von einer Schwäche des Selbstzünders kann auf der diesjährigen IAA keine Rede sein. Im Gegenteil: Die deutschen Hersteller rechnen mit steigenden Diesel-Exporten in die USA sowie nach China und Indien. Auch Honda und Toyota investieren verstärkt in die Diesel-Entwicklung, mit entsprechend hohem Aufwand wird an einem kostengünstigen Clean Diesel geforscht. Die CO2-Debatte hat Entwickler und Kunden gleichermaßen wachgerüttelt. Wer bei den "grünen Olympischen Spielen" schließlich das Rennen macht, kann dem Klima egal sein. Hauptsache, die CO2-Ziele von 140 g/km für die europäische Flotte werden spätestens 2009 erreicht.

© SZ vom 8.9.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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