Technik:Allrad ist kein Alleskönner

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Matsch und Geröll bekommen sie nicht mehr oft unter die Räder. Allradfahrzeuge sind heute meist in Großstädten oder auf gut ausgebauten Fernstraßen unterwegs: als gewichtiger SUV, als Sportwagen oder als Familienlimousine.

Nach Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) in Flensburg hat die Zahl der zugelassenen Autos mit Allradantrieb in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Waren es im Jahr 1994 noch rund eine Million Fahrzeuge, wurden 2004 schon rund 1,6 Millionen Allrad-Autos gezählt.

Hier empfiehlt sich der Vierradentrieb auf jeden Fall: Jeep Wrangler Modell 2003 im nassen Element (Foto: Foto: Jeep)

Doch nicht immer macht der Vierradantrieb Sinn - neben manchen Vorzügen gibt es auch Nachteile, die Käufer bedenken sollten.

"Der Normalfahrer wird den Allradantrieb in seinem Auto auf trockener Straße kaum bemerken", erklärt Maik Jeschor vom Dekra Technology Center in Klettwitz (Brandenburg). Im täglichen Straßenbetrieb können die vier angetriebenen Räder kaum glänzen. Helmut Schmaler vom ADAC-Technikzentrum in Landsberg (Bayern) sieht das ähnlich: "Wenn man einen Allradantrieb braucht, kann er wirklich von Nutzen sein - die Frage ist nur, wer den Allradantrieb wirklich braucht."

Wo der Nutzen ist

Immerhin gibt es einige typische Szenarien, in denen die vier angetriebenen Räder ihre Stärken ausspielen können. "Durchaus angebracht ist ein Allradantrieb, wenn oft in bergigen Regionen mit schneereichen Wintern gefahren wird", so Schmaler. Mit einem solchen Antrieb könnten steile und verschneite Straßen besser bewältigt werden. Auch das Ziehen von schweren Anhängern kann sich mit einem Allrad-Zugfahrzeug angenehmer gestalten.

Vorzüge lassen sich ebenso bei stark motorisierten Autos und sportlicher Fahrweise erkennen - beispielsweise in Kurven. "Der Quattro-Antrieb hat den Vorteil, dass jedes Rad gegenüber einem herkömmlichen Antrieb nur die Hälfte der Kräfte übertragen muss. Dadurch gibt es Reserven für die Seitenführung", sagt Audi-Sprecher Josef Schloßmacher in Ingolstadt. Auch auf geraden Strecken ließen sich Autos mit hohen Motorleistungen dank Allradantrieb besser beschleunigen.

Johannes Hübner vom Automobilclub von Deutschland (AVD) in Frankfurt/Main bestätigt, dass der Allradantrieb mehr Sicherheit bei schneller Kurvenfahrt bieten kann. Denn die Neigung zum Über- oder Untersteuern ist bei diesem System weniger ausgeprägt - der Wagen bricht also nicht so schnell aus. Während normale Autos ihre Grenzen durch leichtes Ausbrechen ankündigen, erreichen Fahrzeuge mit Allrad ihr Limit in der Regel allerdings eher abrupt und ohne Vorwarnung.

Mittlerweile kommen unterschiedliche Varianten des Allrad-Antriebs zum Einsatz. Es gibt Systeme, bei denen dauernd alle Räder angetrieben werden, andere schalten die zweite Antriebsachse bei Bedarf zu. Teilweise wird auch je nach Bedarf unterschiedlich viel Leistung auf die einzelnen Achsen geleitet.

Nachteil Gewicht

Allen Systemen gemein sind aber einige konstruktionsbedingte Nachteile: "Ein Allradantrieb bringt mehr Gewicht und auch mehr bewegte Teile in das Auto", sagt Johannes Hübner. Das macht sich an der Tankstelle bemerkbar. "Gegenüber einem vergleichbaren Fahrzeug ohne Allradantrieb muss man mit einem zusätzlichen Verbrauch von mehr als einem Liter auf 100 Kilometer Fahrstrecke rechnen."

Selbst wenn der Allradantrieb nur bei Bedarf zugeschaltet wird, ist ein Mehrverbrauch da. "Das zusätzliche Gewicht des Allradantriebs verschwindet dadurch ja nicht", erklärt Schmaler. Auch die so genannten Reibungsverluste durch die zusätzlichen Bauteile würden so nicht gänzlich beseitigt.

Und obwohl manche Hersteller gerade die sportlichen Vorzüge von vier angetriebene Rädern preisen, macht der Allradantrieb ein Auto nicht in jeder Situation schneller. Laut dem Dekra-Experten Maik Jeschor ist eher das Gegenteil der Fall. "Wenn der Nachbar das gleiche Auto mit gleich starkem Motor und herkömmlichem Antrieb hat, kann man davon ausgehen, dass die Allradversion weniger stark beschleunigt und langsamer ist." Das ist ebenfalls eine Folge des Gewichts und der vielen anzutreibenden Teile.

"Ein Problem ist, dass Allrad-Fahrer oft vergessen, dass auch andere Autos mit allen vier Rädern bremsen", warnt Johannes Hübner. Soll heißen: Beim Bremsen bietet der Allrad-Antrieb keine Vorteile.

Außerdem nützen die vier in Schmutz und Schnee wühlenden Räder wenig, wenn die falschen Reifen montiert sind. "Wer im Winter in kritischen Situationen wirklich Vortrieb haben will, braucht dafür die richtigen Winterreifen." Was natürlich auch für jene Mode-Geländewagen gilt, die bestenfalls im Winterurlaub eine Steigung abseits der Autobahn sehen.

© sueddeutsche.de/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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