Taxi-Jubiläum:Das gelbe New York

Lesezeit: 3 min

Sie sind eine Institution - die "Yellow Cabs in New York". 12.800 Taxis pressen sich Tag für Tag an Wolkenkratzern vorbei durch die engen Gassen der Weltstadt - und das seit 100 Jahren.

Von Stefan Grundhoff

Wer an Taxis denkt, dem kommen nur zwei Städte in den Sinn: New York und London. Beides sind Metropolen mit mehr als acht Millionen Einwohnern und in beiden Weltstädten wird das Straßenbild von Taxis beherrscht. Die in London sind zumeist schwarz oder dunkelrot, bauchig-organisch geformt und haben schon so manchen Sommer auf dem Buckel.

New York ohne sein egelben Taxis wäre kaum vorstellbar, Downtown Manhattan schon gar nicht. (Foto: Foto: Pressinform)

Das öde Alltagsgeschäft zwischen Häuserschluchten und Fahrspuren haben sie mit ihren Brüdern in New York gemein. Die Modelle sind bei weitem nicht so alt, wie sie aussehen, knallig orange-gelb und mit umfangreichsten Schutzeinrichtungen versehen, die die Fahrer hinter dem abgewetzten Steuer in Sicherheit wiegen. Viele der Taxifahrer leben geradezu in ihrem abgefahrenen Crown Victoria, in dem sie die Straßen von Big Apple bevölkern.

"Es gibt bei uns zwei Schichten", erzählt Akturk Ertugnur, "jeweils von fünf bis fünf. Viele fahren aber nur acht oder zehn Stunden, manche auch mehr. Mir macht das Taxigeschäft viel Spaß. Ich fahre seit über 20 Jahren." Wie alt sein Crown Victoria ist, weiß er nicht so genau. "Ich bin nur angestellt", erzählt er.

Im überdimensionalen Becherhalter auf der Mittelkonsole steht der obligatorische Starbucks Coffee und hinter dem digitalen Taxameter klemmt ein verblichenes Stoffpony seiner Tochter. Passt gut: Jeder Taxifahrer muss in New York auch ein bisschen den Pferdeflüsterer mimen. Mal abends am lichtüberfluteten Times Square, mal früh morgens an der vom Nebel verhangenen Brooklyn Bridge. Doch ohne die Taxi-Lizenz, die genietete Plakette auf der Motorhaube, geht gar nichts.

Ohne die Taxi-Lizenz, eine auf die Motorhaube genietete Plakette, geht gar nichts. (Foto: Foto: Pressinform)

In New York sind tagein tagaus rund 12.800 Taxis unterwegs und in dieser Woche feiern sie so ganz nebenbei ihren 100. Geburtstag. Die Taxifahrer wie Akturk Ertugnur bekommen von alledem wenig mit. Dass die Chauffeure bunt gemischt sind, weiß die Damenwelt nicht erst seit "Sex in the City". Viele kommen aus dem Mittleren Osten, der Rest sieht aus wie eine überdimensionale Patchwork-Familie. Man muss schon Glück haben, wenn man nach minutenlangem Warten einen echten New Yorker hinter dem Steuer heranwinkt.

Für ein paar Buck geht es quer durch die ganze Stadt

"Pro Jahr lege ich mit meinem Auto rund 100.000 Meilen zurück", erzählt der türkische Endvierziger aus Brooklyn hinter dem Steuer, "da bekommt man Einiges zu sehen. Glauben sie mir." Tag für Tag derselbe Job und doch immer ganz anders. Heute geht es für ihn zum wiederholten Male die 12. Straße hinauf in Richtung Norden.

New York ohne seine Taxis wäre kaum vorstellbar, Downtown Manhattan schon gar nicht. Für ein paar Bucks geht es quer durch die ganze Stadt, die eigentlich doch nicht mehr ist als ein Stadtteil, nur größer, eben New York. Banker, Seelsorger, Architekten oder Krankenschwestern - jeder fährt in New York Taxi. Kein Wunder - die U-Bahn erfreut sich bei den Bewohnern keiner großen Beliebtheit und zumindest auf kurzen Strecken ist man mit dem Taxi schneller. Falls man sich am Morgen oder Nachmittag nicht in einen der Staus rund um das Bankenviertel oder den beliebten Meatpacking District verzettelt hat. Wenn es sich hier einmal richtig staut, dann geht gar nichts mehr und auch die allmächtigen Taxifahrer sind mit ihrem Latein am Ende. Doch das lassen sie sich meist nicht anmerken. Wird es besonders eng, bekommt der Fahrgast schon einmal der hilfreichen Tipp "You're faster on the path" - Zz Fuß geht es schneller. Heute Nachmittag denkt daran niemand. Es regnet wie aus Eimern und da ist es doppelt schwer, ein Taxi zu bekommen.

Die Straßen von New York sind fest in der Hand von Ford - dem legendären Crown Victoria, der auch bei der Polizei seit Jahrzehnten seinen treuen Dienst ableistet. Von den 12.800 Taxis sind 11.500 Fahrzeuge vom Typ Ford Crown Victoria. Die Verantwortlichen in Dearborn würden jubeln, wenn sie einmal eine solche Verbreitung auf dem freien Markt hätten. Hinzu kommt noch eine Hand voll Toyota Sienna, ein geräumiger Van mit Schiebetüren, der sich zwischen Ground Zero und dem nördlichen Central Park tummelt.

Der Rest sind ein paar verstreute Exoten ohne große Bedeutung - noch. Kaum zu glauben, dass die meisten Fahrzeuge aus den Modelljahren 2004 und 2005 kommen. Aufgrund von Beulen, Gebrauchsspuren und leicht verblichener Farbe könnten die meisten auch zehn Jahre älter sein. Dazu trägt auch die Optik bei - der Crown Victoria basiert immer noch auf dem Modell von 1979.

Hybrid-Taxis tauchen erst vereinzelt auf - meist in Gestalt des Ford Escape

Er kostet aktuell immerhin satte 27.000 US-Dollar. Reparaturen und Instandsetzungen sind jedoch unschlagbar günstig. Das weiß auch Peter Schenkman von der New Yorker Taxiorganisation: "Das Durchschnittsalter der Fahrzeuge liegt bei gerade einmal 3,3 Jahren. In den nächsten Jahren werden zudem Dutzende neuer Hybridmodelle in den Taximarkt kommen. Die sind sauberer und verbrauchen weniger. Der Ford Crown Victoria schafft mit einer Gallone 12 bis 14 Meilen."

Ganz langsam sieht man auf den Straßen die ersten Hybridtaxis, zumeist den Mittelklasse-SUV namens Ford Escape. Nimmt man gegenüber den Taxifahrern am Times Square den Namen Toyota Prius in den Mund, haben die meisten nur Kopfschütteln und ein seniles Grinsen übrig. Immerhin, ein Prius ist in Downtown New York als Taxi unterwegs. Akturk Ertugnur kann man mit Hightech wohl kaum locken. Nach dem kurzen Trip verschwindet er wieder im gelben Automeer nahe der 50. Straße. Mal sehen, wie die nächsten 100 Jahre laufen.

© sueddeutsche.de/Pressinform - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: