Suzuki Wagon R+:Wie David gegen Goliath

Lesezeit: 3 min

Im Juni bringen die Japaner den größer gewordenen Wagen mit einem 1,3-Liter-Motor

(SZ vom 05.04.2000) Die Neuauflage des Wagon R+, die Suzuki von Juni an ins Rennen schickt, wird es trotz zahlreicher Verbesserungen nicht leicht haben, sich auf dem deutschen Markt zu behaupten. Denn der Microvan tritt künftig auch gegen seinen Halbbruder namens Agila an: Dieser wird von September an - äußerlich modifiziert und mit anderen Motoren - über das Opel-Händlernetz vertrieben, und deshalb drängt sich das Bild vom David auf, der gegen Goliath antritt, obwohl die Kontrahenten in diesem Fall wohl eher gleich groß sind.

Kompliziert wird die Suzuki-Situation hier zu Lande dadurch, dass die Firma gerade umstrukturiert wird. Kurz vor der Präsentation des überarbeiteten Suzuki Wagon R+ wurde bekannt, dass der in Oberschleißheim bei München ansässige Importeur nicht mehr selbstständig operiert, sondern dass das Unternehmen - dem sich 420 deutsche Händler angeschlossen haben - künftig von Japan aus regiert wird. Das klappt wohl noch nicht so richtig, denn nur so ist zu erklären, warum Suzuki zwar Informationen zum neuen Produkt, nicht jedoch zur künftigen Vermarktungsstrategie zu liefern bereit ist.

Basismodell für knapp 20 000 Mark

So war zum neuen Wagon R+ kaum mehr zu erfahren, als dass das Einstiegsmodell mit Fünfgang-Schaltgetriebe in Deutschland unterhalb der 20 000-Mark-Grenze angesiedelt und nicht mit ABS erhältlich sein soll. Suzuki will die Bremshilfe anfangs nämlich nur zusammen mit Vier-Stufen-Automatik und Klimaanlage verkaufen. Als endgültige Festlegung möchte die Geschäftsführung diese Angaben freilich nicht verstanden wissen, und so herrscht derzeit, was den Umfang der Grundausstattung betrifft, nur über die Zahl der serienmäßigen Airbags wirklich Klarheit: Einer wird im Lenkrad, der andere auf der Beifahrerseite im Instrumententräger stecken.

Zu den unumstößlichen Tatsachen gehört außerdem, dass der runderneuerte, wie bisher 1,70 Meter hohe Wagon R+ um neun Zentimeter auf 3,50 Meter gestreckt und um 4,5 Zentimeter auf 1,62 Meter verbreitert wurde. Zugelegt hat er auch beim Radstand, der jetzt 2,36 statt 2,34 Meter beträgt. Das Wachstum bringt mehr Sicherheit, denn es erlaubte den Konstrukteuren, vorne und hinten ordentliche Knautschzonen in die Karosserie einzuarbeiten. Dazu haben sie die Türen verstärkt, um den Schutz bei Seitenkollisionen zu verbessern. Die rauen Seiten des Motors

Die Handlichkeit des Viersitzers hat unter diesen Veränderungen kaum gelitten: Wenden lässt er sich auf einer Kreisfläche mit 9,8 Meter Durchmesser, und auch geradeaus ist er mühelos zu bewegen, denn Suzuki hat ihm einen 1,3-Liter-Motor als Antrieb spendiert, der bei 5500/min eine Höchstleistung von 56 kW (76 PS) bereitstellt und in 12,8 Sekunden von Null auf 100 km/h beschleunigt. Im Stadtverkehr kann der Wagon R+ dank dieses Vierzylinders bestens mithalten, und selbst auf der Autobahn hat man bis zur Richtgeschwindigkeit von 130 km/h nie den Eindruck, ein Verkehrshindernis zu sein.

An Steigungen tut sich der Winzling freilich schwer; hier macht sich bemerkbar, dass bei 4200/min höchstens 115 Newtonmeter Drehmoment zur Verfügung stehen. Höhere Drehzahlen und Geschwindigkeiten führen überdies dazu, dass der ohnehin ziemlich brummige Motor seine rauen Seiten hervorkehrt, und auch die Windgeräusche nehmen zu: Großen Spaß macht es nicht, längere Zeit mit Maximaltempo - 155 km/h erreicht der Wagon R+ mit Schaltgetriebe, 145 km/h die Automatikversion - unterwegs zu sein.

Dort, wo die Parklücken klein sind und die Fähigkeit zum Zwischenspurt wichtiger ist als das Leistungsniveau bei hohen Drehzahlen, lernt man den Wagon R+ hingegen schnell schätzen. Dank seines übersichtlichen Kleinformats kann er in Zwischenräume gezirkelt werden, auf die andere Pkw-Fahrer nicht einmal einen Seitenblick verschwenden. Hinzu kommt, dass der Fahrkomfort besser ist, als die Angaben zum Unterbau - McPherson-Federbeine vorne, Starrachse mit drei Lenkern hinten - erwarten lassen, und dass vier mittelgroße Leute bequem Platz finden, wenn auch nur auf ziemlich kleinformatigem Gestühl mit schwachem Seitenhalt. Sie dürfen sogar einige Gepäckstücke mitbringen: 300 Liter beträgt das Minimal-Volumen des Kofferraums, und bis zu 1250 Liter passen hinein, wenn die Rücksitzlehnen flach gelegt werden. Hinten sitzt man übrigens sieben Zentimeter höher als vorne, damit auch die Passagiere in der zweiten Reihe immer darüber im Bild sind, was sich vor dem Auto abspielt.

Zu guter Letzt noch ein paar der raren Fakten: Der vom Werk ermittelte Durchschnittsverbrauchswert des neuen Wagon R+ mit Schaltgetriebe beträgt 6,1 Liter je 100 Kilometer; die Automatikversion genehmigt sich bei derselben Übung 0,8 Liter mehr. Zu einem späteren Zeitpunkt soll der Microvan auch wieder mit einem 1,0-Liter-Motor und mit Allradantrieb erhältlich sein. Ein nettes Detail aus dem alten Wagon R+, der 1997 debütierte, wird im neuen hingegen auf Dauer fehlen: Unter dem Beifahrersitz verbirgt sich kein Kunststoffbehälter mit Tragegriff mehr, der durch Hochklappen des Polsters freizulegen war. Die neuen Fahrzeuge sind nun mit kleinen Kunststoffwannen bestückt, die unter den Vordersitzen hervorgezogen werden können.

Produziert wird der Wagon R+, genau wie sein Vorgänger, in Ungarn. 30 000 Einheiten sollen im dortigen Suzuki-Werk jährlich vom Band laufen. Wie den Unterlagen weiter zu entnehmen ist, werden die meisten Blechteile der Microvan-Karosserie aus galvanisiertem Stahl gefertigt. Das erlaubt es den Japanern, für alle Fahrzeuge, die im europäischen Raum ausliefert werden, eine Zwölf-Jahres-Garantie gegen Durchrostung zu gewähren. Genauso werden es die Rüsselsheimer beim Agila halten. Auch er kommt aus Osteuropa, aus dem neuen Opel-Werk im polnischen Gleiwitz.

Von Gerlinde Fröhlich-Merz

© N/A - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: