Studie:Zwangsmobile Klimakiller

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Wer weiß, wann der Bus fährt, schont die Umwelt.

Hannes Schettler

Wie stark ein Mensch die Luft verschmutzt, hängt weniger davon ab, in welcher Wohnlage er lebt, als vielmehr davon, wie er über Verkehrsmittel denkt.

Der verkehrsbedingte Ausstoß an Treibhausgasen lasse sich also am ehesten senken, wenn Bevölkerungsgruppen mit unterschiedlicher Einstellung gezielt angesprochen werden, sagt Marcel Hunecke von der Universität in Bochum.

Hunecke hat im Rahmen seines Projekts "Mobilanz" 2000 Menschen gefragt, was sie über verschiedene Verkehrsmittel denken und wie sie diese tatsächlich nutzen.

Außerdem fragte das Team um den Umweltpsychologen nach allgemeinen Einstellungen, wie ökologischem Bewusstsein oder der Offenheit gegenüber Veränderungen.

Fünf Mobilitätstypen

Aus den Daten konnten die Wissenschaftler fünf verschiedene Mobilitätstypen ermitteln, für die das Institut für Energie- und Umweltforschung in Heidelberg die jeweilige Klimabelastung berechnete.

Die Studie sei, so Hunecke, repräsentativ für Großstadtbewohner in Deutschland und damit für 40 Prozent der Bevölkerung.

Die schlechteste Klimabilanz haben demnach die "ÖV-distanzierten Zwangsmobilen", wie die Forscher Menschen mit geringer Vorliebe für den Öffentlichen Nahverkehr nennen, und die "Pkw-Individualisten".

Die "selbstbestimmt Mobilen" schneiden in der Studie am besten ab. Dazwischen rangieren die "umweltsensibilisierten ÖV-Fans" und die "wetterunabhängigen Rad-Fans".

Die Rad-Fans lassen sich den Spaß am Radfahren nicht von schlechtem Wetter verderben und legen fast 40 Prozent ihrer Wege durch persönliche Tretleistung zurück. Die Pkw-Individualisten sind dagegen auf das Auto fixiert und dem Öffentlichen Personennahverkehr abgeneigt.

Ebenso die Zwangsmobilen, die für fast drei Viertel ihrer Wege - und damit von allen Gruppen am häufigsten - das Auto benutzen. Vielleicht weil sie, wie sie den Forschern gestanden, den Zwang verspüren, möglichst mobil zu sein. Die selbstbestimmt Mobilen empfinden keinerlei solcher Zwänge und sind im Ganzen weniger unterwegs.

"Maßgeschneiderte Dienstleistungen"

Besonders umweltbewusst sind die ÖV-Fans; deshalb fahren sie wohl am meisten mit Bus und Bahn und am wenigsten mit dem Auto.

Die Unterschiede sind groß: Die Zwangsmobilen und die Pkw-Individualisten verursachen fast dreimal soviel Ausstoß an klimaschädlichen Gasen wie die selbstbestimmt Mobilen - vor allem durch das Auto. Bei den Pkw-Individualisten kommt noch ein großer Anteil durch Flugverkehr hinzu.

Erstaunliches sei zu beobachten, so die Umweltwissenschaftler, wenn man zusätzlich die Wohnlage berücksichtige. Demnach ist die Klimabilanz stärker abhängig von der Mobilitätsgruppe, der ein Mensch angehört, als davon, ob man im Stadtzentrum, am Stadtrand oder im Umland wohnt.

Jetzt will Hunecke für die fünf Mobilitätstypen maßgeschneiderte Dienstleistungen entwickeln, die deren Umweltbilanz verbessern. "Viele wünschen sich, besser über Bus und Bahn informiert zu werden", sagt er. "Auch die Vermittlung von Fahrgemeinschaften würde sehr viel bringen."

© SZ vom 2. 11. 2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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