Streit um den Pflanzensprit:Krebs aus dem Auspuff?

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Eine Studie entzweit die Verfechter von Rapsöl- und Biodiesel-Kraftstoff.

Von Güven Purtul

Biodiesel und Rapsöl - das klingt nach umweltfreundlichen Kraftstoffen, die nicht nur das Klima schonen, sondern auch die Gesundheit der Autofahrer.

Eine Zapfsäule für aus Rapsöl gewonnenen Biodiesel (Foto: Foto: AP)

Der Glaube an Letzteres wurde jedoch vor kurzem im ARD-Magazin Panorama erschüttert: Das Krebsrisiko durch Rapsöl sei zehnfach höher als bei normalem Diesel, verkündete dort ein Forscher. Prompt meldete eine Nachrichtenagentur "Bedenken an Biodiesel nach Bakterienversuch", obwohl es eigentlich um Rapsöl und nicht um Biodiesel ging.

Chemiker wie Lobbygruppen sehen darin einen ziemlich großen Unterschied. Das direkt aus der Pflanze gepresste Rapsöl wird erst durch einen industriellen Prozess zu Biodiesel - durch Umesterung und unter Zusatz von etwa zehn Prozent Methanol. Zwischen den beiden Pflanzentreibstoff-Branchen herrscht ein ebenso großer Grabenkampf wie zwischen der Mineralölindustrie und den Anhängern von Pflanzentreibstoff.

So warfen Vertreter der Rapsölbranche den beteiligten Wissenschaftlern im Nachgang an die Panorama-Sendung denn auch keineswegs Diesel-Freundlichkeit vor, sondern ¸¸parteiliche Propaganda" mit "dubios ermittelten Ergebnissen" im Sinne der Biodiesel-Lobby. Die Forscher verwahren sich dagegen.

Was war geschehen?

Jürgen Krahl von der Fachhochschule Coburg hatte an einem Emissionsprüfstand der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft die Abgase eines Rapsöl-betriebenen Lkw-Motors bestimmt. Eine zweite Arbeitsgruppe prüfte deren erbgutschädigende Wirkung an Bakterien. Dazu diente der "Ames-Test", ein Routine-Verfahren zur Kontrolle chemischer Verbindungen.

Die Forscher stellten fest, dass Rapsöl-Abgase gefährlicher sind als die von fossilem Diesel. Für Biodiesel gelte das aber nicht, betont Krahl. Er habe schon früher eine schwedische Studie aus dem Jahr 1999 widerlegt, derzufolge Biodiesel zehnmal mehr Krebs erregende Stoffe freisetzt als normaler Diesel. Vielmehr liege der schädliche Einfluss auf das Erbgut beim Biodiesel unter dem von herkömmlichem Diesel.

Krahl hält es daher nicht für nachvollziehbar, dass Rapsöl bis 2008 steuerfrei bleibt, während Biodiesel von August 2006 an mit zunächst neun Cent pro Liter besteuert wird.

Goldene Nasen im Spiel

Biokraftstoffe sind im Kommen; sie haben inzwischen ein Umsatzvolumen von mehr als einer Milliarde Euro erreicht - der Löwenanteil entfällt auf Biodiesel. Doch das günstigere Rapsöl gewinnt zunehmend Marktanteile: "Die Herstellungskosten von Biodiesel liegen seit Jahren konstant zwischen 75 und 85 Cent", sagt Dieter Voegelin vom Bundesverband Pflanzenöle. Dennoch werde der Preis ständig parallel zu dem des Mineralöldiesels erhöht. "Da verdienen sich Leute eine goldene Nase."

Dabei, moniert Voegelin, sei die Energiebilanz des Biodiesels durch den zusätzlichen Verarbeitungsschritt schlechter als die von Rapsöl. Zudem gebe es Studien, denen zufolge Rapsöl-Abgase weniger Krebs erregend seien als Mineralöldiesel. Krahl habe bei seinen Messungen einen ungeeigneten Motor eingesetzt.

Krahl räumt ein, dass der verwendete Motor nicht auf Rapsöl umgerüstet worden ist. "Wir haben diesen Motor gewählt, weil wir dafür eine breite Datenbasis aus anderen Messungen haben", sagt er. Doch Edgar Remmele vom Technologie- und Förderzentrum in Straubing beklagt: "Es ist bekannt, dass die unvollständige Verbrennung eines Kraftstoffs zu höherem Schadstoffausstoß führt. Emissionen sollte man daher an einem umgerüsteten Motor messen, schließlich sind Seriendieselmotoren nicht für Rapsöl zugelassen."

Ein Umbau auf Rapsölbetrieb koste bei einem Pkw 3000 bis 4000 Euro. ¸¸Das ist der Hintergrund für die Steuerbefreiung", sagt Remmele. "Bei Biodiesel zahle ich etwas mehr für den Kraftstoff, dafür ist die Umrüstung billiger." Zudem sind viele Fahrzeuge bereits ab Werk für Biodiesel zugelassen.

Aufwändiges Umrüsten

Für den Rapsöl-Betrieb ist dagegen bisher immer eine Umrüstung notwendig, weil der Kraftstoff zehnmal so zähflüssig ist wie Mineralöldiesel. Da sich größere Tröpfchen bilden, die schlechter verbrennen, wird der Kraftstoff vorgeheizt. Eine zweite Maßnahme gilt der Einspritzanlage. "Da Rapsöl länger braucht, um im Motor zu zünden, muss man es früher einspritzen", erläutert Remmele.

Auch die Güte des Rapsöls soll für die Emissionen maßgeblich sein. Das Problem: Die Qualität des relativ neuen Kraftstoffs wird noch nicht staatlich überwacht. Erst seit dem 1. Juli gibt es eine Vornorm für Rapsölkraftstoff, DIN V 51605. "Kunden sollten darauf achten, dass diese Qualität zugesichert wird", empfiehlt Remmele.

¸¸Unser Lieferant hat gesagt, dass die Qualität ziemlich nah an der Vornorm dran ist", sagt Krahl.

Insgesamt wollte er seine Messung "nah an der Realität" durchführen - auch deshalb der Serienmotor: "Schließlich tanken viele Rapsöl, ohne den Motor umzurüsten", so Krahl.

Forschungsbedarf bestehe aber weiterhin, betont er. Noch seien viele Fragen offen. Krahl hat bereits einen Termin im Bundeslandwirtschaftsministerium, wo Staatssekretär Peter Paziorek (CDU) ebenfalls Aufklärungsbedarf sieht: "Wir nehmen das Ergebnis sehr ernst. Aber wir haben starke Zweifel, dass der Versuch aussagekräftig ist."

Unruhe

Beunruhigt über Krahls Ergebnisse ist dagegen schon jetzt Axel Friedrich vom Umweltbundesamt (UBA). Neue Kraftstoffe müssten vor der Freigabe geprüft werden, fordert er. "Das muss auch für Biokraftstoffe gelten."

Deren Förderung sei ohnehin ein Irrweg, meint Friedrich: Raps-Monokulturen benötigen viel Kunstdünger. Zudem ist die Energiebilanz bei Ölpflanzen mittelmäßig, da nur ein Teil der Pflanze zur Energiegewinnung genutzt wird. Eine Ökobilanz-Analyse des UBA sei denn auch zu einem klaren Ergebnis gekommen, so Friedrich: "Aus Umweltsicht ist Biodiesel nicht zu fördern."

© SZ vom 13. 07. 2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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