Spektakuläre Schiffs-Restaurierung:Ein Koloss erwacht

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Die "Coronet" soll segeln wie einst: ohne Motor, ohne Strom. Mit Kohle im Kamin, kräftigen Händen an den Flaschenzügen. Die Hilfe etlicher Begeisterter lässt das Zeugnis einer vergangenen Yacht-Epoche in alter Pracht auferstehen.

Erdmann Braschos

Wer als Gast ins noble Newport im US-Bundesstaat Rhode Island kommt und zunächst über stolze Villen hinter prächtigem Rhododendron staunt, gelangt früher oder später in die Thames Street - Waterfront und Besuchermeile zugleich, an der man mit Blick auf sacht schaukelnde Boote maritimen Nippes kaufen, Seafood und Softeis essen kann.

Wem das nicht reicht, der wirft einen Blick in die Backsteingebäude der Hausnummer 449. Hier lehrt die International Yacht Restoration School (IYRS) traditionelles Bootsbauhandwerk und möbelt alte Jollen, Motorboote und Segelyachten auf. Und hier ist auch die eigentliche Sensation der einstigen America's-Cup-Seglermetropole zu entdecken.

Privatvergnügen extra large

In einer Halle steht das morsche Gebälk der zweimastigen Renn- und Tourenyacht Coronet. Wer den gewaltigen Bug mit dem senkrechten Vorsteven über sich sieht, steht ergriffen vor dem kolossalen, 40 Meter langen und acht Meter breiten Bootskörper. In einem Land, in dem seit jeher alles möglichst groß, unübersehbar, repräsentativ und komfortabel ist, geriet 1885 auch dieses Privatvergnügen des New Yorker Schmierstoffhändlers Rufus T. Bush extra large.

Nach 122 Jahren der Odyssee durch die Weltmeere steht die Coronet als Zeugnis einer fast vergessenen Zeit des Yachtsports nun an der Thames Street. Welker Lack haftet noch auf dem Rumpf, das Kalfat ist aus den ausgetrockneten Brettern gerutscht, da und dort hängt Baumwolle unter den offenen Planken. Der wellige Bootskörper hat seine Spannung verloren. Das Heck hängt, der Klüverbaum ist abgesägt.

Nach einem guten Jahrhundert war die Coronet Mitte der neunziger Jahre durch die IYRS von Missionaren übernommen worden; 2004 wurde dann der Rumpf durch die Bootsbauschule von Newport an Land gehoben, überdacht und ausgeräumt.

"Walk your talk!"

Trotz des beeindruckenden Engagements der energischen Seglerin und Yachtrestauratorin Elisabeth Ernst Meyer gelang es in den vergangenen zehn Jahren zwar, das Schiff zu sichern, die Kostbarkeiten des wertvollen, weitgehend erhaltenen Interieurs zu archivieren, die ereignisreiche Geschichte des Schoners zu dokumentieren und die handwerklichen Voraussetzungen für die Instandsetzung von Amerikas größter und ältester Yacht zu schaffen.

Für die eigentliche Restaurierung aber, sie wird etwa 15 Millionen Dollar kosten, reichten die Spenden jedoch nicht. Das soll sich jetzt ändern. Denn dank des Einstiegs von Robert McNeil, einem kalifornischen Geschäftsmann, der mit Wagniskapital zu einem Vermögen gelangte und in der Lage ist, es im großen Stil für Boote auszugeben, werden demnächst die Ärmel für die vermutlich größte Yachtrestaurierung hochgekrempelt. Geübt hat McNeil mit einer Herreshoffschen Universal-Rule-R-Klasse namens Joyant und der letzten schwimmenden Dampfyacht namens Cangarda. "Walk your talk" - "Tue, was Du sagst" - ist McNeils Devise.

Im zweiten Teil: Was dem Schiff zu schaffen macht, wie es ursprünglich einmal aussah - und wie das alles wieder in neuem Glanz erscheinen soll.

Wer es Mitte des 19. Jahrhunderts in den Staaten zu vielen Dollars gebracht hatte, steckte einen Teil seines Vermögens in Bau und Betrieb eines ansehnlichen Schoners zum repräsentativen Regatta- und Tourensegeln. Die "Bush & Denslow, Refiners and Dealers in Oils" hatten Rufus T. Bush ein schönes Vermögen beschert; er wohnte gediegen auf Columbia Heights in Brooklyn, damals das bevorzugte Wohngebiet besser gekleideter New Yorker.

Für den Sport selbst interessierte sich Bush kaum. Als typischer Herrensegler seiner Zeit las er lieber zu Hause am Kamin oder im Yachtclub in der Zeitung nach, wie sich Skipper Christopher Crosby und die 25-köpfige Besatzung mit seiner Coronet geschlagen hatten. Und nur wegen einer 10 000-Dollar-Wette - das entspräche heute stolzen 200 000 Euro - kam das dritte Atlantikrennen der Segelgeschichte mit Caldwell Colts Dauntless, dem 38-Meter-Schoner des Sohns vom Revolvererfinder Samuel Colt, damals zustande.

Ein einziger Bombast

Außer zwei kleinen Deckshäusern über elegant gerundeten Treppen in die Kajüten und einigen Oberlichtern war das aus dem weichen Holz der Weißtanne gelegte Deck der Coronet leer. Die fünf elegant gerundeten Oberlichter aus glänzend lackiertem Mahagoni boten beidseitig Sitzgelegenheiten im Stil kommoder Parkbänke.

Eine Marmortreppe führte den Eigner, seine Freunde und den Kapitän in eine mit kubanischem Mahagoni vertäfelte Wohnwelt im Stil eines viktorianischen Grandhotels. Und die Ausstattung ließ das Leben auf See vergessen. Aufwendig geschliffene Spiegel, Türen mit eingesetzten Glasfenstern und farbige Kronleuchter, deren schimmernde Emaillierung im Zellschmelzverfahren entstanden war, hingen unter der Kassettendecke.

Der Gang mittschiffs zu den Eigner- und Gästekabinen sowie zu Bushs Reisebibliothek führte in einem eleganten Oval um den wuchtigen Fuß des Großmasts herum. Geschnitzte Pflanzenmotive zierten die Mahagoniwände in Schulterhöhe des Flurs. Auch das Mannschaftsquartier im Vorschiff mit den klappbaren, übereinander an der Bordwand hängenden Rohrkojen wurde weitgehend im Originalzustand von 1885 vorgefunden. Es dokumentiert die gleichermaßen bewährte wie nüchterne Ausstattung der Sammelunterkünfte, wie sie damals an Bord der Grand-Banks-Schoner üblich waren.

20 Jahre war der stolze Schoner für und mit Eigner Rufus T. Bush unterwegs - Regatten, Urlaubsreisen und Expeditionstörns, Fahrten ins Mittelmeer, dreimal rund Kap Hoorn, eine Japanreise. 1905 übernahm die konfessionslose Missionsgemeinschaft "The Kingdom" den Schoner und segelte bis zum Jahr 1911 immerhin 50 000 Meilen zur Verbreitung des Evangeliums um die Welt. 1933 schließlich inventarisierte das Washingtoner Smithsonian Institute die Coronet als stilistisch und zeitgeschichtlich bedeutendes Kulturgut.

Es konserviert: sich selbst

Der respektvollen Nutzung durch die Missionarssegler und der vorausschauenden, materialgerechten Holzbauweise ist es zu verdanken, dass es das Schiff heute überhaupt noch gibt und praktisch alles noch da ist, was 1885 für den New Yorker Ölhändler getischlert worden war. Der Ballast lag belüftet auf 20 x 20 Zentimeter dicken Eichenspanten.

Wie ein Fachwerkhaus war das Schiff als eisenfreie Konstruktion aus Hartholznägeln der Robinie oder anderen wurzelnah feuchten und entsprechend belastbaren Hölzern zusammengesteckt worden. Damit die Hartholznägel nicht herausrutschten, waren sie mit zusätzlich eingeschlagenen Keilen aus Eiche gesichert.

Der große Gerbsäureanteil der Weißeiche hätte die Korrosion von Eisennägeln, Metallschrauben oder Kielbolzen beschleunigt und Rostpulver in den Löchern hinterlassen. Geplankt ist das Schiff mit zehn Zentimeter dicken Bohlen aus dem Holz der langblättrigen gelben Pitchpine, wie es einst im Süden der USA in großen astarmen Längen zu bekommen war. Dank seines großen Harzgehalts konserviert es sich selbst.

Diesen technischen Stand gilt es Spant für Spant, Planke für Planke wieder herzustellen. Die Coronet soll wieder segeln wie einst: ohne Motor, ohne Strom. Mit Kohle im Kamin, kräftigen Händen an den Flaschenzügen, Mut beim Aus- und Einpacken von Flieger, Klüver, Fock und Jumbo. Walk your talk.

© SZ vom 9.6.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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