Smart cdi:Nur nicht den Schwung verlieren

Lesezeit: 4 min

Das gilt nicht nur für den Fahrbetrieb mit dem Zweisitzer, sondern auch für die Verkaufszahlen / Die Smart-Familie wird erweitert

(SZ vom 18.12.1999) Smart zelebriert die Langsamkeit, das gilt für den cdi in noch stärkerem Maß als für die Benziner. Das neue, 30 kW (41 PS) starke Diesel-Modell benötigt im Automatik-Modus 20,8 Sekunden, um von Null auf 100km/h zu beschleunigen. Jede Steigung, jedes Kilo Mehrgewicht, jeder zusätzliche Schaltvorgang kostet noch mehr Zeit. Die Belohnung für so viel Geduld darf alle 600 Kilometer an der Zapfsäule entgegengenommen werden. Der Tank faßt 22 Liter, der Durchschnittsverbrauch beträgt 3,4 Liter, die Kilometerkosten glaubt man erst nach zweimaligem Nachrechnen. Nur Radfahren, Autostop und zu Fuß gehen ist billiger.

Man kann dem smart trotz seiner Ungereimtheiten nicht wirklich böse sein, denn in der 2,5 Meter kurzen Kiste stecken neben zwei großen toten Winkeln und einem hoffnungslosen Defrostersystem auch viele gute Ideen. Die farblich abgesetzte Tridion-Sicherheitszelle flößt Vertrauen ein, die leicht flippige Optik kommt nicht nur bei der Zielgruppe gut an, Verarbeitung und Materialauswahl erfüllen hohe Ansprüche, die Raumausnutzung verblüfft immer wieder. Stationär betrachtet, ist der smart fraglos ein geniales Stück Automobil-Architektur. Doch sobald man ihn in Bewegung setzt, verliert der Zweisitzer viel von seinem Charme, und das gilt leider auch für den neuen Diesel. Der Dreizylinder bietet zwar mehr Hubraum (0,8 statt 0,6 Liter) und Drehmoment (100 statt 80 Nm) als die Benziner, doch im Wettbewerbsumfeld fährt auch der cdi auf verlorenem Posten, trotz der akzeptablen Höchstgeschwindigkeit von 135km/h.

Schaumgebremste Gangart

Schwung wird im Umgang mit dem smart rasch zur allerersten Priorität. Schwung zu verlieren bedeutet, hoffnungslos zurückzufallen und zwischen Grünstreifen und Leitplanke zerrieben zu werden. Leider verliert man den Schwung nicht nur am Berg und beim Bremsen, sondern auch in der Kurve, wo der smart so hartnäckig untersteuert wie ein fündig gewordenes Trüffelschwein. Das stets leicht verzerrte Kräfteparalellogramm aus Lenkeinschlag, gedachter Linie und gefahrener Linie mahnt vor allem auf nasser Straße zu Vorsicht und Zurückhaltung. Statt zackig um Ecken zu pfeilen wie ein Go-Kart, fordert der elchfest gemachte smart eine schaumgebremst-unverbindliche Gangart, die bei schier unendlichen 4,5 Lenkradumdrehungen von Anschlag zu Anschlag nur wenig Fahrspaß aufkommen läßt.

Natürlich ist der smart cdi nicht mehr so schlecht wie die allerersten Benziner. Doch der Fortschritt vollzieht sich langsam und in homöopathischen Dosen. Die weichere Querblattfeder läßt die Vorderachse jetzt in Verbindung mit den längeren Federwegen etwas komfortabler ansprechen. Die elektronische Bremskraftverteilung nimmt die bislang unterbeschäftigte Hinterachse jetzt stärker in die Pflicht. Absolut gesehen hat sich jedoch an den fahrdynamischen Schwächen nicht genug geändert.

Der neue Common-Rail-Diesel klingt kernig-vielversprechend, und er stellt sein maximales Drehmoment bereits zwischen 1800 und 2800/min zur Verfügung. Dafür ist die Vorstellung bei 4500 Touren schon wieder vorbei. Weil das nutzbare Drehzahlband relativ schmal ist, läuft das Maschinchen in den unteren Gängen öfter gegen den Begrenzer, als es einem lieb sein kann. Außerdem ist der Fünfte jetzt zu lang übersetzt, und im Sechsten klafft zumeist eine große Lücke zwischen Können und Wollen. Zu den gewöhnungsbedürftigen Eigenarten gehören die fehlende Rückrollbremse, wie wir sie von der Vollautomatik her kennen, das oft viel zu zeitraubende Einkuppeln in den ersten Gang und der schwer berechenbare Kraftschluss bei Fahrmanövern am Berg.

100 Kilometer im smart cdi kosten kaum mehr als eine Schachtel Zigaretten, und wer sich für viereinhalb Jahre an den Stadtfloh bindet, der spart obendrein 1000 Mark an Kfz-Steuer. Völlig ohne Aufpreis haben die Schwaben mit dem Anlauf des Diesels einige nützliche Verbesserungen in die Produktion einfließen lassen. Dazu gehören die Tankreserveanzeige in Liter, die endlich auch von innen entriegelbare Heckklappe, die Wisch-Wasch-Automatik, die Heckwischer-Intervallschaltung und die besser aufgepolsterten Sitze. Abgesehen von Seitenairbags sind alle wesentlichen Sicherheits-Features serienmäßig eingebaut. Auf der Komfortseite fehlen vor allem die elektrischen Fensterheber, das Radio und die Klimaanlage. Der Preis von 18 980 Mark läßt sich mühelos auf 21 000 Mark und mehr treiben. Das ist viel Geld für einen kompromissgeplagten Zweisitzer, selbst in Anbetracht des günstigen Verbrauchs. Klar, der 3-Liter-Lupo von VW ist noch teurer. Doch Fiat will 2000 mit dem EcoBasic ein nur 13 000 Mark teures 3-Liter-Auto vorstellen - mit vier Sitzplätzen und einem vollwertigen Kofferraum, versteht sich.

Nun, quo vadis, smart? Mit etwas Glück, viel gutem Willen und ein paar Incentives in letzter Minute werden sie das Verkaufsziel wohl noch erreichen und bis Jahresende 80 000 Autos absetzen. Selbst wenn am Schluß 10 000 Einheiten fehlen sollten, wird Konzernchef Schrempp den Laden bestimmt nicht dicht machen. Denn DaimlerChrysler hat mit den kleinen Autos noch Großes vor. Langfristig soll smart nämlich das gesamte Pkw-Segment vom Stadtwagen bis hinauf zur heutigen A-Klasse abdecken. Das gelingt ganz bestimmt nicht mit der One-Car-Show namens City-Coupé, von dem sich pro Jahr kaum mehr als 120 000 Stück verkaufen lassen. Obwohl die Micro Car Company Ende 2001 zusätzlich den auf der IAA gezeigten Roadster (smartster) auf den Markt bringen möchte, sind die Tage des Heckmotorabenteuers definitiv gezählt. Langfristig wird es statt dessen einen modernen Frontantriebsbaukasten geben, aus dem mindestens drei neue Modelle hervorgehen sollen:

Das Aus für den Heckantrieb

Der Nachfolger des City-Coupé, das eine halbe Nummer größer wird.

Die zweite Auflage eines sportlichen Zweisitzers mit oder ohne festem Dach.

Der absolut überlebenswichtige Viersitzer mit längerem Radstand.

An seiner Kernkompetenz wie der Sicherheitszelle, der Metall-Kunststoff-Verbundbauweise und dem ausdrucksstarken Zweifarben-Design wird smart auf lange Sicht festhalten. Kontroverse Elemente wie die winzigen Dreizylinder-Turbomotoren, die vermaledeite Achskonstruktion des City-Coupé und der problematische Heckantrieb dürften dagegen sang- und klanglos in der Versenkung verschwinden. Das gilt übrigens auch für jene MCC-Manager, deren Performance nicht den hohen Ansprüchen des neuen Geschäftsführers Andreas Rentschler entspricht. Noch offen ist die wichtigste, vielleicht spielentscheidende Frage: Schafft MCC den Turnaround im Alleingang quasi mit DaimlerChrysler-Bordmitteln, oder wird es eine Liaison mit einem anderen Hersteller geben? In letzterem Fall wäre zu klären, ob der Begriff Liaison im Sinne einer strategischen Allianz oder einer verkappten Übernahme zu interpretieren ist.

Von Georg Kacher

© N/A - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: