Sicherheitstechnik:Das schlaue Auto bremst bald ganz von selbst

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Für die Forschungen zu mehr Sicherheit im Straßenverkehr spendierte die EU 55 Millionen Euro. Eine Schau in der Nähe von Paris führt vor, was dabei herauskam.

Mit 50 Kilometern in der Stunde folgt der 5er BMW einem anderen Fahrzeug über die Piste. Plötzlich schert der erste Wagen aus, ein Dummy taucht auf der Strecke auf. Der Fahrer hat keine Reaktionsmöglichkeit mehr. Doch wie von Geisterhand macht der BMW eine Vollbremsung und kommt mit quietschenden Reifen wenige Zentimeter vor dem Pappkameraden zum Stehen.

Einige Meter vor dem Dummy macht der Wagen im letzten Augenblick vor dem Crash eine Vollbremsung - dank BMWs autonomen Bremssystem. (Foto: Foto: AP)

Der Testfahrer wiederholt das Manöver ohne Vorausfahrzeug. Einige Meter vor dem Dummy nimmt er diesmal die Füße von den Pedalen. Abermals macht der Wagen im letzten Augenblick vor dem Crash eine Vollbremsung, einem mitfahrenden Journalisten aus Fernost fällt die Digitalkamera aus den Händen.

55 Millionen Euro lässt sich die EU die Sicherheit im Straßenverkehr kosten

Das autonome Bremssystem der BMW-Forschungsgruppe gehört zu einem von 13 Teilprojekten der Prevent-Initiative, die bis zum Samstag auf einer Schau in Versailles erstmals der Öffentlichkeit präsentiert werden. Prevent wurde 2004 mit Unterstützung der EU gestartet und ist das bislang größte integrierte Projekt in Europa, in dem mehr als 50 Partner aus Industrie und Forschung gemeinsam an so genannten intelligenten Fahrassistenzsystemen arbeiten.

Bis zum Autopiloten wie im Flugzeug wird es im Straßenverkehr nicht kommen. Die Prevent-Partner versuchen aber, Komponenten für einen High-Tech-Kopiloten zu entwickeln, der vor dem Einschlafen warnen kann, bei Schlingern eingreift oder beim Bremsen hilft.

Brüssel steuert 29,8 der insgesamt 55 Millionen Euro bei. So will die EU zum Erreichen ihres Zieles beisteuern, die Zahl der Verkehrstoten bis 2010 gegenüber 2001 zu halbieren.

Nur zu Demonstrationszwecken hat das Forscherteam in den Versuchsträger das große Display über dem Armaturenbrett eingebaut, das die Arbeitsweise von WILLWARN veranschaulicht. In der Serienanwendung wäre das normale Display in der Mittelkonsole völlig ausreichend, um den Fahrer zu informieren. (Foto: Foto: DaimlerChrysler)

"Wir müssen die Umsetzung und Einführung der Techniken beschleunigen, um Leben zu retten", sagte EU-Kommissarin Viviane Reding bei Ausstellungseröffnung am Mittwoch.

Die automatische Notbremse von BMW ist noch in der Forschungsphase, auch wenn der Testwagen schon funktioniert. Das Konzept: Mit Radar, Laser- und Infrarotkameras wird die Umwelt vor dem Wagen gescannt. Das System kann Fußgänger und Fahrzeuge erkennen. Die Software berechnet die Kollisionswahrscheinlichkeit, wartet mit der Bremsauslösung aber, bis der Crash unvermeidbar wäre, damit der Fahrer die Möglichkeit zum Ausweichen behält.

Der Computer ist immer schneller

"Der Mensch braucht eine Sekunde zum reagieren, der Computer ist eine halbe Sekunde schneller", erklärt Thorsten Sohnke von Bosh. Auch wenn nicht alle Zusammenstöße dadurch verhindert werden, kann die Aufschlaggeschwindigkeit erheblich gesenkt werden. Sohnke schätzt, dass es keine zehn Jahre mehr bis zu Einführung der autonomen Bremse dauert. Das größte Problem seien derzeit die Kosten.

Einen anderen Weg der Unfallvermeidung entwickelt DaimlerChrysler im Willwarn-Projekt. Ein Großteil der Fahrzeugflotte ist bereits mit Sensoren ausgerüstet, die Nebel, Glätte oder Unfallstellen erkennen. "Der nächste Schritt ist, die Informationen an die anderen Verkehrsteilnehmer zu übermitteln", sagt Projektleiter Gerhard Noecker.

Wie das funktioniert, demonstriert sein Team auf der Testpiste: Eine Kolonne von drei Wagen rollt im Abstand von einigen hundert Metern über den Parcours. Der erste kommt auf einem überfluteten Abschnitt ins Rutschen. Umgehend erscheint auf Displays in den Folgefahrzeugen eine Warnung mit exakter Ortsangabe. Die Technik für eine Datenübertragung per Funk ist vorhanden, das Problem: Die Sprache muss standardisiert werden, damit ein Mercedes bald mit einem BMW oder Fiat kommunizieren kann. Für 2010 erwartet Noecker die Frequenzzulassung. "Spätestens 2015 können die Fahrzeuge mit dem System ausgerüstet werden."

Warten auf den Müdigkeitsalarm

An einem spannenden Projekt arbeitet auch Volvo. Es geht um eine Kombination aus Umwelt- und Innenraumüberwachung. Außenkameras verfolgen die Spurtreue. Rollt der Wagen über die weiße Begrenzungslinie, beginnt das Lenkrad zu vibrieren und versucht den Kurs zu korrigieren. Zudem wird der Fahrer mit Kameras auf dem Armaturenbrett beobachtet. Die Software erkennt, ob er zu lange aus dem Fenster schaut oder die Augenlider zu lange schließt und müde wird.

Technisch wäre damit eine Warnung vor dem Einschlafen möglich - wodurch ein Großteil schwerer Unfälle in der Nacht verhindert werden könnte. Bei Volvo wollte man sich über die konkreten Entwicklungsschritte für einen Fahrer-Wecker in Versailles nicht äußern. Ein Insider vermutet, in weniger als fünf Jahren könnte der schwedische Autobauer damit auf den Markt kommen.

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