Seat Toledo 2.0 16V:Alltagstaugliche und sportive Familienlimousine

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Der Spanier kann bei einem Preis von rund 37 000 Mark mit guter Ausstattung aufwarten

(SZ vom 14.09.1994) Seat, der spanische Spezialist für kleine, preiswerte Automobile, will höher hinaus. Mit dem Toledo, dem größten jemals gebauten Seat-Modell, tat die Marke vor drei Jahren den Schritt in die Mittelklasse. Und jetzt setzt man noch einen drauf mit dem neuen Spitzenmodell Toledo 2.0 16V, das immerhin 110 kW (150 PS) leistet, mehr als 200 km/h schnell ist und in den Preisbereich zwischen 35 000 und 40 000 Mark vorstößt.

Für deutsche Maßstäbe ist der Toledo ein Vertreter der unteren Mittelklasse, also eine kompakte Limousine mit genügend Platz für vier Personen. Allerdings geriet die Karosserie überaus familienfreundlich und praxisgerecht. Vier Türen sind Standard, der Kofferraum ist ein wahres Raumwunder, und durch Umlegen der geteilten Rücksitzbank läßt sich das Auto mit dem betont hohen Heck beinahe zu einem Kombi erweitern. Der Transport beispielsweise von Fahrrädern im Innenraum ist so kein Problem mehr wie bei vielen anderen Autos.

Den Schritt zum neuen Spitzenmodell nutzte Seat gleich zu einer grundsätzlichen Überarbeitung der ganzen Toledo- Baureihe. So wurde das Armaturenbrett neu und übersichtlicher gestaltet, die Rücksitze bekamen ein funktionelleres Lehnenklappsystem, hinten gibt es mehr Beinfreiheit durch anders geformte Vordersitzlehnen, und mit einer veränderten Innenauskleidung wurde die Karosserie schalltechnisch optimiert. Es geht nun wirklich kultiviert zu im neuen Toledo. Nur die riesige Heckklappe hat man trotz aller Bemühungen auf schlechten Wegstrecken nicht ganz ruhigstellen können.

Mit 215 km/h Höchstgeschwindigkeit und einer Beschleunigung von Null auf 100 km/h in 9,5 Sekunden stößt der 2.0 16V eindeutig in die gehobene Leistungsregion vor. Dem mußte im Fahrwerksbereich Rechnung getragen werden: Die Vorderradaufhängung und der sie tragende Hilfsrahmen wurden verstärkt, die Dämpferabstimmung ist straffer und die serienmäßigen Leichtmetallräder wuchsen auf 15-Zoll-Format an. Leistungsfähige ABS-Bremsen gehören zum Serienumfang.

Dennoch bleibt auch dieser schnellste aller Toledo eher Familienlimousine als Sportskanone. Er zeigt nicht die quicken Reaktionen, aber auch nicht die Federhärte des ihm artverwandten Golf GTI 16V. Der Seat bleibt auch bei schnellem Fahren im komfortablen Bereich, er versteckt aber seine beachtlichen Fahrleistungen ein wenig. Um sie zu mobilisieren, muß man ungehemmt den oberen Drehzahlbereich aufsuchen und fleißig schalten. Der langhubige 2,0-Liter-Motor hat zwar eine schöne flache Drehmomentkurve, aber sie liegt im Bereich von 4000/min mit einem Höchstwert von 180 Nm bei 4500/min. Die Höchstleistung von 110 kW (150 PS) wird bei 6000/min erreicht. Jenseits von 5000 Umdrehungen brummt der Motor vernehmlich.

Man steuert den Toledo 2.0 16V mit einem kleinen Sportlenkrad und hat bis hinein in den Grenzbereich keine Mühe mit der ebenso fahrstabilen wie gutmütigen Limousine. Bei groß gewachsenen Fahrern mindert die zu knappe Sitztiefe vorn den Komfort. Die Instrumente im Spitzenmodell zeigen ein anderes Design, das allerdings weder schöner noch funktioneller geriet als in den Basismodellen.

Mit einer Seilzugschaltung

Ebenfalls abweichend von den anderen Toledo-Modellen wird im 2.0 16V über Seilzüge geschaltet; in manchen VW-Modellen ist dieses System nicht unproblematisch, aber hier funktioniert die Schaltung gut, wenn auch mit relativ langen Schaltwegen.

Neben den hohen Fahrleistungen ist es die üppige Ausstattung, die dem 16V den Rang des Toledo-Spitzenmodells sichert. Zu den üblichen Extras dieser Klasse gehören hier vier Türen, Klimaanlage, Zentralverriegelung, elektrische Fensterheber, Bordcomputer, verstellbares Lenkrad, Leichtmetallfelgen, ABS und Doppel-Airbag zum Serienumfang, um nur die wichtigsten zu nennen. Man darf von einer Luxusausstattung sprechen, wie sie in dieser Klasse selten ist. Ähnlich kulant gibt sich Seat mit dem Preis des neuen Modells, der zwar noch nicht fixiert ist (der 16V kommt erst im Spätsommer zu den Händlern), aber mit 37 000 Mark avisiert wird. Das ist ein aggressiver Preis, gemessen am Leistungs- und Ausstattungsvolumen dieses Autos. Doch sei hier wieder einmal daran erinnert: Was ein Auto wirklich kostet, weiß man erst, wenn man es gekauft und wieder verkauft hat. Da relativieren sich nicht selten die Angebote.

Das ändert freilich nichts daran, daß der schnellste Toledo über ein außerordentlich günstiges Preis-/Leistungs-Verhältnis verfügt. 300 000 Toledo hat Seat bisher gebaut, 60 000 davon wurden in Deutschland verkauft. Die Übernahme durch VW und die Einführung bewährter VW-Technik haben das Vertrauen in die spanische Marke hierzulande zweifellos gestärkt. Mit dem Toledo 2.0 16V kann Seat auch im Klub der schnellen Kompaktlimousinen überzeugen, besonders wenn nicht allein die Sportlichkeit im Mittelpunkt steht, sondern auch die Geräumigkeit und die komplette Ausstattung. Für Seat-Aufsteiger - und die hat die Marke hier gezielt im Visier - erschließt der 16V bestimmt neue Dimensionen.

Von Manfred Jantke

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