Seat Inca:Arbeitstier mit Überraschung

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Kleiner Transporter für Handel und Handwerk

(SZ vom 10.04.1996) Wir sind lernfähig, wirklich, und wir lassen uns auch von Argumenten überzeugen - immer vorausgesetzt, diese Argumente sind gut. Doch in diesem Fall würden wir gerne von der Firma Seat wissen, warum sie uns einen wirklich brauchbaren kleinen Transporter für Handel und Handwerk auch noch als praktische Familienkutsche verkaufen will.

Nichts gegen den Inca: Unser Modell hatte einen 1,9 Liter-Dieselmotor mit 47 kW (64 PS), eine Servolenkung, ABS (nur gegen Aufpreis von 1470 Mark) und eine nette Innenausstattung. Wir waren eigentlich ganz angetan von dem Bemühen, einem Nutzfahrzeug ein wenig Limousinencharakter zu verleihen. Doch dann studierten wir den Pressetext genauer und lernten, daß es außer dem Inca Profi (ohne hintere Seitenscheiben) noch das Freizeitmodell Inca Kombi gibt. Dieses zeichnet sich durch riesige Scheiben im Ladeaufbau aus, und 'als Belag dient ein Teppichboden, da man davon ausgehen kann, daß diese Ausführung kaum gewerblich genutzt wird'. Für den Teppich muß allerdings noch ein 'Plus' hinter dem Kombi stehen. Wir waren mit der einfacheren Version unterwegs und mußten deshalb auf den Teppich verzichten.

Zirkusreife Aktionen

Dann wollten wir wenigstens einmal viele Leute mitnehmen, schließlich sollen in dieser Variante bis zu fünf Menschen Platz finden. Das geht auch, wenn die Hinterbänkler sehr schlank und gelenkig sind und nichts dagegen haben, sich in geradezu zirkusreifen Aktionen an den Vordersitzen vorbeizuschlängeln.

Über das Auto selbst gibt es insgesamt aber nur sehr wenig zu meckern. Fahrer und Beifahrer haben einen Airbag vor der Nase, das Cockpit ist einfach und übersichtlich gestaltet und die Sitze sind bequem. Eine gute Idee ist die asymmetrisch geteilte Hecktür: Ist nach hinten nicht viel Platz, klappt man einfach den schmaleren Türflügel auf und kann die nur 52 Zentimeter über dem Boden liegende Fläche bequem be- und entladen. Bis zu 625 Kilogramm darf man hineinpacken, insgesamt hat der 'Kofferraum' ein Volumen von 2900 Litern.

Ein fast lautloses Arbeitstier

Das Diesel-Modell ist außerdem ein braves, gefälliges Arbeitstier, das im Stadtverkehr ausreichend spritzig ist und auf der Autobahn überdies für eine äußerst angenehme Überraschung sorgt: Wir rollten meist gemächlich im Bereich zwischen 110 und 120 km/h dahin (die Höchstgeschwindigkeit gibt Seat mit 144 km/h an) und waren richtig begeistert von den praktisch nicht vorhandenen Innengeräuschen. Da macht das Unterhalten mit dem Beifahrer richtig Spaß. Der Diesel kostet übrigens in der Profi-Version 22 395 Mark, als Freizeit-Kombi 23 845 Mark.

Das Preis-/Leistungsverhältnis scheint uns damit auch ganz stimmig. Jetzt kämpfen wir nur noch mit dem seltsamen Versuch des Imagewechsels vom wirklich praktischen Lastesel hin zum mega-tollen Freizeitmobil. Wir fragen uns, ob der ultracoole Snowboarder oder der hypergestylte Mountainbiker sein ultimatives Sportgerät ausgerechnet in ein solches Gefährt packen will. Doch was soll's, wir hängen hinten Gardinen an die Scheiben, legen eine Matratze rein, packen den Campingkocher ein und fahren in den Süden.

Von Petra Payer

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