Schiffstaufe:Luxus läuft

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An diesem Wochenende wird die "Color Magic" getauft - ein Kreuzfahrtschiff, das als Fähre eingesetzt wird.

Frank Behling

Bekannterweise gilt im Geschäft mit Megayachten die Formel "Ein Meter Schiff, eine Million Euro". Eine Rechengröße, über die Olav Nils Sunde, Eigner der norwegischen Fährreederei Color Line, nur schmunzeln kann: 342 Millionen Euro hat Sunde in die 223,7 Meter lange Color Magic investiert - ein 15 Deck hoher Neubau für die Strecke Kiel-Oslo und zurück, realisiert von der finnischen Aker-Werft.

Leinen los: Die neue Color Magic ist 223 Meter lang; nur drei der 15 Decks stehen für Autos zur Verfügung. (Foto: Foto: Color Line)

Die Taufpatin: Veronica Ferres

"Die Color Magic ist ein Kreuzfahrtschiff mit drei Autodecks", umschreibt Olli Jantunen, Projektleiter bei der Aker-Werft, das Konzept und sorgt so für Verblüffung. Ein Kreuzfahrtschiff als Fähre einzusetzen - was auf den ersten Blick nach betriebswirtschaftlichem Unfug aussieht, ist im Ostseegeschäft tatsächlich längst Garant für volle Kassen. Grund genug für Olav Nils Sunde, die Color Magic an diesem Samstag um 12.59 Uhr in Kiel von Veronica Ferres taufen zu lassen.

Und so stehen Ausstattung und Komfort der Color Magic oberhalb der drei Autodecks für den Ostseetrend. Acht Restaurants, fünf Bars, Kino, Showarena und Konferenz-Center, verteilt auf den Decks 7 bis 14. Beim Essen, traditionell ein wichtiger Faktor an Bord eines jeden Schiffes, haben die Passagiere nicht nur die Wahl zwischen à la Carte und Büffet - Tapas Bar, Pizzeria oder asiatischer Küche sind ebenso im Angebot wie das Diner für Passagiere im Zweireiher. Gläserne Fahrstühle umrahmen eine 160 Meter lange und drei Decks hohe Promenade; sensorgesteuerte Lichttechnik passt die Beleuchtung in der fensterlosen Promenade Tag und Nacht den Lichtverhältnissen der Außenwelt an.

Mit gläsernen Liften geht es am vorderen Ende der Promenade von Deck 7 hoch auf Deck 12, wo 1000 Quadratmeter Wellness-Bereich warten. Oder hoch zum Deck 14, wo die doppelstöckige Observation-Lounge mit 250 Plätzen einen Rundblick auf Oslo-Ford, dänische Südsee oder die Kieler Förde bietet; 40 Meter über dem Wasserspiegel warten Cocktail, Kaffee und Pianist.

Am Heck bringen acht gläserne Fahrstühle Passagiere ins Aqualand auf Deck 12: Spiralrutsche, Wildwasserkanal und Saunen als Ruhezonen sind dort über zwei Decks verteilt. Viele dieser Bereiche sind im Vergleich zur 2004 gebauten Color Fantasy bei dem Neubau Color Magic deutlich vergrößert worden. Pro Reise haben 2669 Passagiere Platz; mit den 300 Besatzungsmitgliedern sind dann in Spitzenzeiten an Bord der Color Magic fast 3000 Menschen unterwegs. Insgesamt 1016 Kabinen gibt es auf der Color Magic, davon 63 Prozent Außenkabinen.

M/S Color Magic
:Welcome aboard!

Und wieder einmal nimmt ein Schiff der Luxusklasse seinen Dienst auf: die M/S Color Magic

Der Erfolg von Olav Nils Sunde beruht zu einem großen Teil auch auf den Rahmenbedingungen, denn: Norwegen gehört nicht zur EU und so dürfen alle Schiffe, die das Königreich anlaufen, an Bord weiterhin zollfreie Ware verkaufen.

Color Superspeed: neues Schnellfährenkonzept für die Routen zwischen Norwegen und Dänemark. (Foto: Foto: Color Line)

Damit kam Color Line ungeschoren durch das Jahr 1999 - jenes Jahr, in dem das Duty-Free-Geschäft auf den Fährrouten zwischen EU-Häfen im Rahmen der steuerpolitischen Harmonisierung eingestellt wurde. Und während fast alle großen Reedereien in Deutschland, Schweden und Dänemark über Nacht eine entscheidende Einnahmequellen verloren und schwere Rückschläge einstecken mussten, setzte Color Line ihren Erfolgskurs fort.

Die Idee: Mini-Kreuzfahrten zur schnellen Entspannung

2002 dann kam Sunde auf die Idee mit der Mini-Kreuzfahrt. Er wollte Schiffe haben, die nicht mehr als nur den Fahrplan mit klassischen Fähren gemein haben. Um seine Fährleute einzubinden, schickte er sie zur Fortbildung - alle Manager mussten zur Kreuzfahrt in die Karibik. Heute, zwei Jahre nach der Jungfernfahrt der Color Fantasy hat sich die Zahl der Passagiere auf der Route Kiel-Oslo um 30 Prozent erhöht. Bis 2010 erwartet Olav Nils Sunde bis zu einer Million Menschen pro Jahr an Bord der beiden Schiffe, doppelt so viele wie mit den konventionellen Fähren im Jahr 2000: "Diese Passagiere kommen zum Ausspannen an Bord und wollen nur die Seele baumeln lassen."

Nach dem Aus für den zollfreien Verkauf auf den Fähren zwischen EU-Häfen haben auch andere Fährreedereien wie DFDS, Stena Line oder TT-Line ihre Flotten umgerüstet; nach dem Ausbleiben der Butterfahrer wurde mehr auf Qualität denn Quantität gesetzt. In einigen Fällen wurden Passagierkabinen herausgenommen und durch Fahrzeugdecks ersetzt. So geschehen bei TT-Line und bei Stena Line. Bis zu 60 Prozent des Umsatzes wird auf einigen Fährlinien heute mit der Fracht erzielt. Vor dem 30. Juni 1999 war es genau anders herum. Da brachten die Passagiere bis zu 60 Prozent des Umsatzes.

Grund für die Veränderung auf den klassisch geführten Linien waren auch die Preise: Kostete vor der Duty-Free-Abschaffung 1999 ein Ticket für eine Tagesfahrt nach Dänemark auf der Vogelflugroute zwei D-Mark, kostet dieselbe Tour heute sieben Euro pro Person.

Dass es für die klassische Fährfahrt dennoch eine Zukunft gibt, zeigt die Stena Line. Sie ließ ihre beiden 20 Jahre alten Arbeitspferde Stena Germanica und Stena Scandinavica für die Kiel-Göteborg-Linie umbauen. Der Passagierbereich wurde neu gestaltet; der etwas düstere Charme der achtziger Jahre wich den klaren und hellen Linien skandinavischer Einrichtungshäuser. "Wir wollen dem Passagier ein hohes Maß an Erholung bieten.

"Die Seereise ist damit weiterhin attraktiv", sagt Martin Wahl von der Stena Line bei der Einweihung der frisch überholten Stena Germanica. Standen früher Verkauf und Konsum großer Mengen Tabaks und Spirituosen im Mittelpunkt, so dient heute auch diese Fähre als Urlaubserlebnis und Kurzreiseziel. "Die Seereise ist eine natürliche Pause auf dem Weg nach Norden - und das nicht nur für die Lkw-Fahrer", sagt Ulrich Kock, Frachtmanager bei der Stena Line. "Das touristische Angebot ist immer noch sehr wichtig für die Reederei", heißt es bei der benachbarten TT-Line.

Kunden an die Seereise heranführenAuch

die Reederei DFDS setzt auf Komfort. Sie tauschte zwar die Passagierfahrt von Deutschland nach England zugunsten reiner Lkw-Transporte, baute dafür auf der Nordseeroute von Ijmuiden bei Amsterdam nach Newcastle sowie die Ostseeroute zwischen Kopenhagen und Oslo mit Kreuzfahrtfähren aus. Und auch die irische Reederei Irish Ferries hat jetzt eine Kreuzfahrtfähre im Fahrplan. Für 45 Millionen Euro kauften die Iren bei Olav Nils Sunde die jetzt von der Color Magic abgelöste Kronprins Harald; das Schiff soll zukünftig als Oscar Wilde zwischen Frankreich und Irland unterwegs sein.

Derweil klettern die Passagierzahlen besonders in Nordeuropa weiter. Allein 187 Millionen Menschen nutzten 2006 eine der Ostseefähren, der größte Teil allerdings auf ausgewiesenen Kurzstrecken wie der Vogelflugroute. Dennoch kommt die Ostsee damit fast an die Zahlen der Mittelmeeranrainer heran, wo im vergangenen Jahr 192 Millionen Menschen eine Fähre buchten. Und die neue Strategie der Ostsee-Fährreedereien wird auch von den Kreuzfahrtreedern gelobt. "Wir profitieren natürlich von Schiffen wie der Color Fantasy, weil so Kunden an die Seereise herangeführt werden", sagt Michael Thamm, Präsident der Reederei Aida Cruises.

© SZ vom 15.9.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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