Sachs Roadster / XTC / XTC/N:Drei Leichtkrafträder auf einen Streich

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Die Roadster wendet sich an ältere Autofahrer, die XTC an Jugendliche mit 1b-Führerschein

(SZ vom 04.07.1998) Als die kleine Sachs-Mannschaft aus Nürnberg im Februar 1997 mit der Enduro ZX ihr erstes Leichtkraftrad vorstellte, verkündete Sachs-Geschäftsführer Adolf Schießer voller Optimismus: "Wir werden schon zwölf Monate später drei weitere Modelle präsentieren und wollen mit zwölf Prozent Marktanteil kompetenter deutscher Anbieter der neuen 125er Klasse werden". Was so manche Anwesenden nicht glauben mochten, ist eingetreten: Sachs rollte jetzt mit der erwachsen wirkenden Roadster, der jugendlichen XTC (sprich: Ecstasy) und der gestrippten XTC/N die angekündigten drei Neuen aus der Halle und tritt in diesem Jahr mit insgesamt fünf Modellen an. Die ersten Probefahrten zeigten zudem, daß die Sachs-Entwickler ihre Sache gut gemacht haben: Die verantwortlichen Techniker - Hartmut Huhn und Günther Dotterweich - dürften mit der Entwicklung der neuen Modelle fast schon so etwas wie ein goldenes Ei gelegt haben.

Hubraum ohne Beschriftung

Die größte Auflage, so die Sachs-Mannen, dürfte die neue Roadster erreichen; sie zielt klar auf jene älteren Autofahrer, die ihren Dreier-Führerschein vor dem 1. April 1980 gemacht haben und seit einiger Zeit maximal elf kW (15 PS) leistende Leichtkrafträder fahren dürfen. Um die 2000 Stück der sehr erwachsen wirkenden Roadster will Sachs diese Saison bauen und verkaufen. Kein einziger Schriftzug weist darauf hin, daß der schön verrippte, luftgekühlte V2-Viertaktmotor nur den Mini-Hubraum von 124 Kubikzentimetern besitzt - doch nicht nur deshalb dürften die Autofahrer gerne in den Sattel steigen: Weder Fahrwerk noch Ausstattung oder Sitzposition rufen ein Kleinkraftradgefühl hervor. Im Gegenteil: Rahmen, Telegabel, hintere Schwinge sowie die Bremsen bilden eine harmonische Einheit, Fahrwerksunruhen sind der Roadster weitgehend fremd. Mit nur 133 Kilogramm Trockengewicht und breitem Lenker läßt sie sich leicht in Kurven legen und zieht einen sauberen Strich.

Eine echte, kleine 125er bleibt die Roadster zwangsläufig beim Motor: Der von Yamaha bezogene und mit viel Aufwand abgestimmte V2 schwingt sich angesichts der Geräuschgrenzwerte leider nur zu zehn kW (knapp 14 PS) auf und ist aufgrund der zwei Mini-Kolben kein Drehmoment-Wunder. Immerhin arbeitet er hinreichend kultiviert und beschleunigt das Motorrad auf 103 km/h. Mit seiner etwas zähen Charakteristik kommt er der Autofahrer-Zielgruppe bestimmt entgegen. Für sie sollte man freilich den Seitenständer von seinem automatischen Klappmechanismus befreien; auch ein Hauptständer zur leichteren Kettenpflege wäre vorteilhaft und sollte im ebenfalls recht erwachsenen Preis von 9795 Mark enthalten sein.

An die Zielgruppe der 16jährigen 1b-Führerscheinbesitzer wendet sich die vollverkleidete XTC. Wer das mit einem aus Italien stammenden, elf kW (15 PS) leistenden Einzylinder-Zweitaktmotor ausgerüstete Racing-Bike mit dem leichten und zugleich enorm stabilen Gitterrohrrahmen bewegt, kann tatsächlich schnell in Ekstase geraten. Das für die 16jährigen auf 80 km/h begrenzte Motorrad - die offene Variante rennt 120 km/h - überzeugt durch extreme Fahrstabilität: Es gibt keinerlei Rucken oder Zucken, egal ob beim Verzögern mit den sehr präzisen Bremsen oder beim Kurvenfahren. Beurteilungen einiger Details wie Instrumente, Spiegel sowie Sitz- und Lenkerposition waren noch nicht möglich, da zum Fahren nur handgefertigte Prototypen zur Verfügung standen; die Serienfertigung soll im Sommer beginnen.

Das reinste Kurvensuchgerät

Statt der Vollverkleidung trägt die nackte XTC/N mit der Beifügung Streetfighter nur eine kleine Cockpitschale, dazu einen breiten und höher montierten Lenker. Diese Modifikation führt zu einem echten Straßenfeger: Die XTC/N legt, so ausgestattet, ein Kurvenverhalten an den Tag, das kaum Parallelen findet - soviel Fahrspaß auf kurvenreichen Strecken bieten nur wenige (ausgewachsene) Motorräder. 8495 Mark und damit 500 Mark weniger als die XTC kostet das Gefährt. Außerdem gibt es mittlerweile eine von der Enduro ZX abgeleitete Straßenversion mit Namen ZZ, die sich als reinstes Kurvensuchgerät entpuppte - bei jungen Leute ebenso beliebt wie die XTC/N.

Wirtschaftspolitisch ist die Sachs-Modellexpansion übrigens hochinteressant: Denn auf dem Weg über einen Markterfolg sucht sich die Nürnberger Traditionsfirma gezwungenermaßen einen Eigentümer. Mannesmann will sich nämlich von seiner Tochterfirma Sachs Fahrzeugtechnik trennen - doch noch fehlt der rundherum passende Interessent.

Von Ulf Böhringer

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