Rover New Discovery:Was der schottische Farmer eben so alles braucht

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Von Dezember an soll der Geländewagen zu Preisen von 61 000 Mark an aufwärts bei den Händlern stehen

(SZ vom 23.09.1998) Auch wenn die Steinbrüche, in denen ein Geländewagen wenigstens einen Bruchteil seines technischen Potentials demonstrieren könnte, immer rarer werden, so scheint die Begeisterung für die Boliden der Pracht-Boulevards doch ungebrochen: Knapp zwei Prozent der in Deutschland zugelassenen Fahrzeuge gehören zu der Kategorie dieser Geräte für die schwere Landschaft. Und so quälen sich die hochqualifizierten Gefährte denn flache Bürgersteige hinauf und hinunter, obwohl sie eigentlich in der Lage wären, Abhänge hinauf- und hinunterzuwieseln, an denen die Käufer ob der Steilheit wahrscheinlich die nackte Furcht befallen würde.

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Doch die Fahrzeuge bleiben ja - wenn sie nicht in die Hände namibischer Straußenzüchter, schottischer Farmer oder deutscher Landedelmänner fallen - auf asphaltierten Straßen, wo sie hauptsächlich ob der hohen, Sicherheit suggerierenden Sitzposition geliebt werden. Ein zwar kleiner, aber lukrativer Markt, in dem sich Rover zum Marktführer emporgeschwingen konnte - von Januar bis Juli dieses Jahres konnten die Briten nicht weniger als 5700 ihrer Allradfahrzeuge absetzen, und bis Ende des Jahres plant man rund 10 000 dieser In-Gefährte neu zuzulassen.

Etwa 2000 von ihnen sollen der Gattung des New Discovery angehören, den Rover, neun Jahre nach der Erstpremiere, von Dezember an völlig überarbeitet neu auf den Markt bringt. Unter der leicht verbreiterten und verlängerten Karosserie steckt ein völlig neues Fahrzeug, bei dem die Rover-Techniker so tief in die Elektronik-Kiste gegriffen haben, daß man nur noch hoffen kann, nie in dem Schlamm steckenzubleiben, den dieses Gefährt zu durchwühlen vermag.

Wie wohl nicht mehr anders möglich, verbirgt sich der Fortschritt heute hinter einer Vielzahl von Abkürzungen wie beispielsweise ACE, HDC oder SLS - wobei ACE für Active Cornering Enhancement, HDC für Hill Descent Control und SLS für Self Levelling Suspension stehen. Angereichert mit weiteren Begriffen wie EBD (Electronic Break Distribution), ETC (Electronic Traction Control) und dem bereits bekannten ABS gerät so jeder Vortrag über die Finessen des neuen Discovery zu einer High-Tech-Lehrstunde, aus der sich der Laie am besten rasch mit der Erkenntnis verabschiedet, daß (Originalzitat Pressemappe) "ABS + EBD + ETC + HDC = Elektronisch gesteuerte Bremsen" seien.

Gemeint ist aber etwas anderes: Rover hat mit einem ziemlichen technischen Aufwand verschiedene Funktionen zusammengefaßt. Hier werden das Antiblockiersystem (ABS) mit einer elektronischen Bremskraftverteilung (EBD), einer elektronischen Traktionskontrolle (ETC) und einer elektronischen Bergabfahrhilfe (HDC) zusammengekoppelt, damit jedes einzelne Rad permanent überwacht und einzeln angesteuert werden kann. Wer also auf glattem Untergrund - egal ob bergauf oder bergab - vorankommen will, kann auf Helferlein zurückgreifen, die jedes Rad einzeln antreiben oder abbremsen.

Ergänzt mit Systemen wie dem ACE und dem SLS soll der New Discovery aber nicht nur im Gelände außergewöhnliches leisten, sondern auch auf normalen Straßen den Komfort einer Limousine erreichen. Dazu übernimmt beim ACE eine Hydrauliksteuerung für die Vorder- und Hinterachse die Funktion von Querstabilisatoren, um die Seitenneigung bei normalen Fahrten zu reduzieren - während das SLS ein stets gleichbleibendes Fahrzeugniveau an der Hinterachse bietet, unabhängig von der Beladung oder einem Hängerbetrieb.

Die Zentrale löst jedes Problem

Rover-Chefentwickler Nick Stephenson ist denn auch von dieser High-tech-Anhäufung entsprechend begeistert: "Hier denkt das ganze Auto mit - und wann immer ein Rad nicht so kann, wie es sollte, meldet es sein Problem einfach an die Zentrale. Und die löst dann das Problem. "

Dennoch wird auch von dem Fahrer noch etwas Resthirn erwartet - beispielsweise bei der Wahl des Triebwerks. Zwei Motoren stehen zur Wahl: ein 2,5-Liter-Fünfzylinder-Turbodieselmotor mit 101 kW (137 PS) und ein 4,0-Liter-Achtzylinder mit 136 kW (184 PS) Leistung. Damit erreicht der New Discovery zwischen 157 und 170 km/h - und da der Achtzylinder trotz 47 zusätzlicher Pferdestärken nur 13 km/h schneller fährt, dafür aber knapp das doppelte verbraucht (9,7 Liter Diesel zu 17,5 Liter Super bleifrei im DIN-Drittelmix), sollte die Wahl eigentlich klar sein.

Der New Discovery ist ein bemerkenswerter Geländewagen, der - von Ausnahmen abgesehen - niemals seine wahren Fähigkeiten ausspielen können wird. Für die normalen Straßen ist er überqualifiziert, in der Achtzylinder-Version unökonomisch und zudem noch (trotz seiner großen Abmessungen) für Menschen über 1,90 Meter Länge erstaunlich unkomfortabel. Wer aber über eine Jagd verfügt oder zuweilen mit einem Anhänger unterwegs ist (Anhängelast: 3500 Kilogramm), kann mit dem neuen Discovery durchaus glücklich werden.

Von Jürgen Lewandowski

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