Rover Mini:Raumriese auf geringer Fläche

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1997 sollen 3000 Exemplare des Klassikers verkauft werden

(SZ vom 07.12.1996) Zu den Ikonen der mehr als einhundertjährigen Automobilgeschichte zählt neben dem Volkswagen Käfer und dem Citroën 2CV zweifellos der erste Kleinwagen moderner Konzeption, der Rover Mini. Als er Ende der fünfziger Jahre von dem griechischstämmigen Engländer Alec Issigonis auf einer Serviette seines Lieblingsrestaurants entworfen wurde, um schon kurz darauf als kleine Box mit winzigen Rädern am öffentlichen Straßenverkehr teilzunehmen, ahnte niemand, welche Karriere er einmal einschlagen sollte.

Wieselflink um alle Ecken

Zu seinen leidenschaftlichen Liebhabern gehörte kein geringerer als Enzo Ferrari, der immer dann in seinen Mini stieg, wenn er dem Alltagsstreß seiner Rennschmiede entfliehen wollte. Auch Aurelio Lampredi, Ferraris berühmter Motorenkonstrukteur, war vernarrt in das Dreimeter-Auto mit dem extrem kurzen Radstand von gut zwei Metern. Genau diesen Proportionen verdankt der Mini sein Image als Raumriese auf geringer Verkehrsfläche. Hinter dem quer eingebauten Frontmotor mit vorne angetriebenen Rädern ließ er zwei Erwachsenen und zwei Kindern mit Handgepäck genug Überlebensraum, den sie durch zwei Türen besteigen mußten. Das kleine Motörchen sorgte nie für wirkliche spektakuläre Fahrleistungen, auch nicht in der stärkeren Cooper-Version. Das Geheimnis seiner Agilität lag vielmehr im extrem niedrigen Schwerpunkt des Mini, der wie ein Kart um Ecken und Kurven wieseln konnte. Selbst ausgewachsene Sportwagen jener Zeit fanden den Mini auf kurvigen Bergstrecken meist von hinten, wie sein Dreifachsieg bei der Rallye Monte Carlo 1964, 1965 und 1967 belegte.

Ungebremste Faszination

Auch nach mehr als 36 Jahren hat der Mini seine Faszination nicht eingebüßt, obwohl uns die automobile Evolution inzwischen Fahrzeuge beschert, die den Mini in jedem einzelnen Detail überbieten. Denn in der Gesamtheit seiner Qualitäten bleibt er heute noch unerreicht - einschließlich vieler kleiner technischen Unzulänglichkeiten, die seine Fans als schicksalhafte Eigenschaften dulden.

Der Mini des Modelljahres 1997 wird der letzte Aufguß des Kultautos mehrerer Generationen sein, bevor nach der Jahrtausendwende ein von Rover und der BMW-Muttergesellschaft völlig neuentwickelter Mini auferstehen wird. Seine Triebwerke sollen im südamerikanischen Brasilien vom Band laufen und aus der kürzlich bekanntgegebenen Zusammenarbeit von BMW mit Chrysler hervorgehen. So schlägt dem klassischen Mini nun die letztenStunde.

So wertvoll wie nie zuvor

In noch verbleibender Zeit wird es den Mini nur in zwei Versionen geben: als Mini und als Cooper mit jeweils gleichen Motoren. Sie schöpfen aus 1273 Kubikzentimeter Hubraum 46 Kilowatt (63 PS) und sorgen für eine Höchstgeschwindigkeit von 148 Kilometer pro Stunde des rund 770 Kilogramm Leichtgewichts. Beide Versionen kosten zudem 19 950 Mark und verwöhnen mit Kotflügelverbreiterungen über Leichtmetallfelgen, Lederlenkrad, Wurzelholz-Armaturenbrett und zweistufigem Heizungsgebläse sowie Scheibenwischkomfort. Dem viel zitierten Argument, daß Mini-Fahrer bei einem Unfall den Schutz eines Pappkartons genießen, halten die Mini-Macher nun ein umfangreiches Sicherheitspaket entgegen. Es besteht aus verstellbaren Kopfstützen vorne, Seitenaufprallschutz in den Türen, Automatikgurten vorne und hinten, mit Gurtstraffern vorne. Neuerdings erhält das flach stehende Mini-Lenkrad sogar einen Fahrerairbag. Da der Mini im Pensionsalter so wertvoll ist wie nie zuvor, stattet ihn Rover auch mit Wegfahrsperre und Alarmanlage aus.

Wahrer Verkaufsrenner

Daß der neue alte Mini zu einem wahren Verkaufsrenner des deutschen Rover-Importeurs avanciert, stellt Geschäftsführer Dieter Laxy dar. Er erwartet allein für 1997 eine Nachfrage nach 3000 Mini. Moment einmal: Da gab es doch in den siebziger Jahren die Ankündigung des Hauses Porsche, den Heckmotor-Sportwagen 911 auslaufen und durch eine sogenannte moderne Sportwagen-Entwicklung ersetzen zu lassen. Und plötzlich setzte eine unerwartete Nachfragesteigerung nach dem Boxer-Porsche ein, die einherging mit lautstarken Sympathie- Bekunduungen der beinharte Porsche-Fans. Fazit: Der 911 überlebte. Warum mir das gerade angesichts des neuen alten Mini einfällt? Na ja, man kann nie wissen . . .

Von Jürgen Zöllter

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