Renault Sport Spider:Pflicht für den Puristen

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Der Zweisitzer ohne jeden Komfort ist etwas für Unerschrockene

(SZ vom 07.05.1997) Im Jahre 1996 überraschte Renault mit einer offenen Fahrmaschine, die für den Rennsport konzipiert ist, aber mit Einzelabnahme des TÜV auch auf öffentlichen Straßen bewegt werden darf. Sie trägt den Allerweltsnamen Sport Spider und verzichtet auf nahezu alles, was das Leben im Auto lebenswert macht. Servolenkung, Servobremse, Heizung, Lüftung, ein Dach, ja, sogar eine Windschutzscheibe scheinen die Konstrukteure vergessen zu haben. Was manche ahnen und nur die Fans wirklich wissen: Renault hat es so gewollt.

Die Windschutzscheibe reicht Renault nun in einer homologierten Straßenversion nach. Sie trägt eingearbeitete Heizdrähte und schützt die beiden Passagiere, die bisher unbedingt einen Vollvisierhelm tragen mußten, vor Insekten und Rollsplitt. Ohne Helm wird das Fahren im Scheiben-Spider zu einem Fest für Exhibitionisten: Menschen im Kindergartenalter zeigen ungeniert herüber, und erwachsene Menschen fragen nach, ob dieses halbfertige Auto von der Produktionsstraße eines Automobilwerks gesprungen sei. Noch immer fehlt alles, was nicht unmittelbar dem Fahren dient - außer der Frontscheibe und den beiden seitlichen Dreiecksfenstern, die fest auf den Türrahmen montiert sind. Sie bieten minimalen Schutz vor seitlichen Verwirrbelungen und schaffen die Illusion, einem späteren Nierenleiden vorzubeugen.

Wer sich mit der Abwesenheit jeglichen Komforts arrangiert, mit einem Überrollbügel zufrieden gibt und auf das Fahrerlebnis konzentriert, fühlt sich erinnert an die knackige Schaltung britischer Roadster aus den sechziger Jahren, an die spartanische Ausstattung früher Porsche, aber auch an die Direktheit eines Sportwagens der Neuzeit, mit dem er ein wesentliches Bauprinzip teilt. Schwenkt man die vorne angeschlagenen Türen des Sport Spider nach oben, blickt man auf die gleiche Aluminium-Rahmenkonstruktion, die auch der kleine Lotus Elise besitzt. Für beide Modelle entwickelte der dänische Spezialist Hydro-Aluminium die tragende Basis.

Renault ergänzt sie mit rundum einzeln aufgehängten Rädern an Dreiecksquerlenkern. Vor der angetriebenen Hinterachse liegt quer der 2,0-Liter-16V-Motor aus dem Mégane. Ihm angeflanscht wird das kurz abgestufte Getriebe aus dem Clio Williams. Der Motor leistet unverändert 110 kW (150 PS), beschleunigt den nur 930 Kilogramm leichten Spider in nur 6,9 Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h. Wer es darauf anlegt, erreicht die Höchstgeschwindigkeit bei 215 km/h, sollte aber damit rechnen, völlig zu vereinsamen. Denn außer dem Spider hört und fühlt man bei dieser Geschwindigkeit nichts. Selbst die Zurufe des Beifahrers können sich nicht gegen Windgeräusche durchsetzen. Dazu schüttelt der Spider den Piloten gnadenlos durch, folgt im Gegenzug aber dessen kleinsten Lenkbewegungen wie ein Kart. Im vergangenen Jahr griffen in Deutschland 130 unerschrockene Menschen zum Sport Spider ohne Scheibe. Dafür bezahlten sie 53 700 Mark. In diesem Jahr werden es voraussichtlich 100 sein und weitere 50 Fans, die zum Scheiben-Spider greifen, der 55 400 Mark kosten wird. Jeder, der heute bestellt, sollte mit einer Lieferzeit von mindestens sechs Monaten rechnen.

Von Jürgen Zöllter

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