Renault Clio:Kleiner Freund wird großer Bruder

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Ausgewachsener Innenraum und innovative Sicherheitstechnik zum Preis unter 20 000 Mark

(SZ vom 28.03.1998) Manchmal haben die Werbeleute einfach recht: Mit dem Spruch vom "kleinen Freund" versuchten sie, den Renault Clio auf dem deutschen Markt zu etablieren. Ein sympathisches Auto, das man nicht nur als schnödes Fortbewegungsmittel ansehe, sondern ins Herz schließe. Das war 1990, und inzwischen weiß man, daß der Clio einen nicht unerheblichen Anteil daran hat, daß Renault sich zum erfolgreichsten Importeur auf dem deutschen Markt entwickelte: 350 000 Clio wurden seitdem bei uns verkauft, insgesamt waren es knapp vier Millionen.

Doch seit Anfang der 90er Jahre hat sich die automobile Welt verändert. Damals galt der Clio als Kleinwagen, der klar unterhalb der Kompaktklasse, die von Golf und Astra beherrscht wird, angesiedelt ist. Doch der Bedarf an noch kleineren Autos wuchs. Renault reagierte mit dem Twingo, und andere Hersteller wie Mercedes-Benz folgten noch radikaler dem Trend zum Downsizing: Im Herbst kommt der Zweitsitzer Smart, und VW schickt den Lupo ins Rennen.

Streit der Zwerge

Angesichts der Zwergenkonkurrenz blieb dem Clio gar nichts anderes übrig, als zu wachsen - und nach diesem Rezept strickten die Ingenieure und Designer den Clio der zweiten Generation, der von 11. September an in Deutschland verkauft wird. Er ist sieben Zentimeter länger und mißt nun 3,77 Meter, die Breite wuchs um einen und die Höhe um zwei Zentimeter. Aus dem kleinen Freund ist sozusagen der große Bruder geworden.

Wenn man sich dem Clio zum ersten Mal nähert, steht tatsächlich ein ausgewachsenes Auto vor dem Betrachter, das keine Assoziationen mit Kleinwagen aufkommen läßt. Vor allem die in der Mitte hochgeschwungene Dachpartie wirkt pfiffig und verheißt einen großzügigen Innenraum. Die Frontscheinwerfer sind größer geworden, und die Heckpartie ist nicht so kantig wie bei manchen Konkurrenten. Renault nennt diese Formgebung die "Abkehr vom überschwenglichen Bio-Design" und spricht von einer "neuen stilistischen Ära", die von "straffen Linien" und "klaren graphischen Elementen" geprägt ist. Hehre Worte, die bedeuten, daß man den Clio auf dem Parkplatz leicht wiederfindet, weil er sich vom modischen Einheitsdesign absetzt.

Auch im Innenraum herrscht Sachlichkeit vor. Die Instrumente sind klar ablesbar, etwas gewöhnungsbedürftig ist lediglich der halbkreisförmige, aber senkrecht angeordnete Drehzahlmesser. Schalter und Hebel fordern nicht den Erkundungstrieb des Fahrers - alles findet sich an seinem gewohnten Platz.

Erheblich zugelegt hat der Clio bei der Sicherheitsausstattung. Bei allen Modellen sind ABS, Fahrer- und Beifahrerairbag serienmäßig, hinzu kommen Seitenairbags, die bis zum Herbst von bisher elf auf 18 Liter vergrößert werden und auch den Kopfbereich in ihre Schutzwirkung mit einbeziehen. Stolz ist Renault auf das Zusammenspiel von Gurtkraftbegrenzern und Airbags: Sie verfügen über ein spezielles Ablaßventil, das sich öffnet, wenn der Brustkorb auf den Airbag einen bestimmten Druck ausübt. So soll das Verletzungsrisiko weiter gesenkt werden. Neu sind in einigen Ausstattungsvarianten die Kopfstützen: Sie haben eine Art doppeltes Polster, das den Abstand vom Kopf zur Stütze verringert.

Mit vier Motoren wird der Clio in Deutschland zu haben sein, hier die wichtigsten technischen Daten:

1,2-Liter-Vierzylinder-Motor, Leistung 44 kW (60 PS), Vmax 160 km/h, Beschleunigung von Null auf 100 km/h in 15 Sekunden, Durchschnittsverbrauch 6,2 Liter Super auf 100 Kilometer.

1,4-Liter-Vierzylinder-Motor, weiterentwickelt aus dem Mégane, 55 kW (75 PS), Vmax 170 km/h, in 12,1 Sekunden bei 100 km/h, Verbrauch 6,8 Liter.

1,6-Liter-Vierzylinder-Triebwerk mit Zwei-Ventil-Technik, Leistung 66 kW (90 PS), Vmax 181 km/h, in 10,6 Sekunden bei 100 km/h, Verbrauch 7,2 Liter.

1,6-Liter-Vierzylinder-Aggregat mit Vierventil-Technik, neuentwickelt, Leistung 80 kW (110 PS), Vmax 195 km/h, in 9,6 Sekunden bei 100 km/h, Verbrauch 7,6 Liter. Dieser Motor erfüllt bereits die Abgasnorm Euro 2000, die von der EU in Brüssel aber noch nicht verabschiedet worden ist.

Wie fährt sich nun der Clio II? Problemlos - so das Fazit nach einer ersten kurzen Begegnung. Der 1,2-Liter-Motor ist mehr als eine Lösung, die vom Geldbeutel diktiert wird. Er paßt gut zum Clio, dreht willig hoch und läßt sich auch halbwegs schaltfaul fahren. Rund drei Viertel aller Clio-Käufer haben bisher die Basismotorisierung gewählt - und es gibt keinen Grund, daß dies künftig anders sein wird. Der 1,4-Liter kann alles eine Spur besser, aber wer auf 15 PS mehr verzichten kann, ist mit 1200 cm3 gut bedient. Einen erstaunlich schlaffen Eindruck hinterließ der 1,6-Liter, dem man vor allem auf Bergstrecken seine 90 PS nicht anmerkte. Richtig flott ging erst der 16-Ventiler im Clio 16V zu Werke.

Nur die halbe Wahrheit

Einen Diesel wird es zu Anfang nicht geben, erst im Januar oder Februar 1999 will Renault einen 55 kW (75 PS) starken Turbodiesel mit Direkteinspritzung bringen. Der bisherige 1,9-Liter-Saugdiesel ist schon etwas angegraut. Und das Fahrwerk? Typisch französisch - eine solche Beschreibung ist nur die halbe Wahrheit. Die beiden schwächer motorisierten Modelle sind relativ weich abgestimmt, ohne aber schwammig zu wirken.

Die Ausstattungslinien wird Renault erweitern: Neben RN und RT wird es eine RXE-Variante geben, dann sind zwei Sportversionen geplant, und wer Leder liebt, wird auch im Clio nicht darauf verzichten müssen. Ein Geheimnis sind allerdings noch die Preise. Aber Andeutungen zufolge wird der Einstiegspreis bei "deutlich unter 20 000 Mark" liegen. Dafür gibt es jedoch keine Servolenkung, so daß ein vernünftig ausgestatteter Clio wohl doch mehr als 20 000 Mark kosten wird. Reduziert wurden dagegen die Servicekosten: Ein Ölwechsel ist nur noch alle 20 000 erforderlich. Die Versicherungseinstufung ist noch nicht abgeschlossen, angepeilt wird die Klasse 12 für Haftpflicht und Vollkasko. Das sind günstige Voraussetzungen, damit der Clio II auf der Erfolgsspur seines Vorgängers weiterfahren kann.

Von Otto Fritscher

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