Range Rover:Und ewig ruft die Wüste

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Für den anglophilen Abenteurer und Erdölmagnaten in uns allen

(SZ vom 11.02.1995) In München geht die Mär um, daß sich der BMW-Vorstand nur deshalb so intensiv um den Kauf von Rover bemüht habe, weil man endlich auch einen Range Rover als Dienstwagen fahren wollte. Und das, obwohl die Wüste fern der bayerischen Landeshauptstadt liegt - und man vor der Oper auch nur bedingt vorfahren kann, denn die Parkhauszufahrt befindet sich nicht im Blickbereich des Opernaufgangs. Nur wenige Mythen halten sich derart hartnäckig, wie der des Range Rover fahrenden opernliebenden Rittergutbesitzers, der sich von der Scholle vor den Musentempel bewegt, um sich dort die Kultur zu geben. Tatsächlich lassen sich jedoch viele Range Rover-Fahrer in der Oper sehen - was bei der Alters- und Einkommensstruktur auch weiter nicht verwunderlich ist, allerdings durchpflügen sie praktisch nie das Gelände.

Daß es dem Range Rover überhaupt gelungen ist, sich über die Niederungen des gemeinen Geländewagen zu erheben und sich als gelungene Melange aus Arbeitstier und Luxusgefährt, aus Lehm und Leder, aus werktätigem Bürgertum und relaxtem Adel zu definieren, spricht für die Marketingabteilung des Hauses Rover - und deren guten Beziehungen zum britischen Königshaus, wo der Range Rover nachgewiesenermaßen zur Basisausstattung gehört.

Seit einem Vierteljahrhundert ist der kantige Geselle - mit mehr oder weniger großen Modellpflegemaßnahmen - am Markt. Klar, daß die Erwartungshaltung gegenüber dem Neuen immer höher wurde: größer, besser, schneller und schöner (?) hatte er zu werden - so wie es der Zeitgeist eben von einem Kultauto erwartet. Im November schrieben wir anläßlich einer ersten Begegnung: Den Planern glückte die Gratwanderung zwischen alt und neu, an der der eine oder andere eingefleischte Fan vielleicht keinen Gefallen findet - der dem Range-Club aber neue Mitglieder bescheren könnte. Und in der Tat scheinen die Auftragseingänge darauf hinzuweisen (Wartezeit vier Monate), daß der Neue akzeptiert wurde.

Nach längeren Fahrten mit dem Topmodell 4.6 HSE und der Einstiegsvariante 2.5 DT scheint sich das Geheimnis um die Markentreue der Range Rover-Besitzer langsam zu lüften: Dieses große Gefährt - überprüfen Sie vor einem Kauf erst einmal ihre Garagenabmessungen! - vermittelt zweifellos ein Fahrvergnügen eigener Qualität. Mit der hohen Sitzposition, der großartigen Rundumsicht und der Solidität von zwei Tonnen Leergewicht gehört man rasch zu den entspanntesten Fahrern im Lande. Und auch die Familie weiß die Innenraum-Abmessungen und den mehr als üppigen Kofferraum zu würdigen - die Diskussionen, was mitgenommen werden kann und was zu Hause bleiben muß, enden nicht mehr in stundenlangen Palavern, sondern in rasch erzielten Kompromissen, bei denen sich die Familie gegen den Hausherrn voll durchsetzen kann, ohne daß sein Renommee leidet.

Mit Sahne- und Schattenseite

Zweifelsohne ist das Raumangebot und die Sicherheit vermittelnde Sitzposition die Sahneseite des Range Rover - dazu kommt eine beachtliche Serienausstattung bereits bei der 81 450 Mark teuren 2.5 DT-Basisversion, die sich bei dem immerhin 108 750 Mark teuren 4.6 HSE in eine Komplettausstattung wandelt, bei der es außer dem Radio kein aufpreispflichtiges Detail mehr gibt. ABS, zwei Airbags, Alarmanlage mit Wegfahrsperre, Luftfederung, elektrische Fensterheber sind überall Serie - Lederausstattung mit Sitzheizung kostet ebenso wie der Tempomat nur beim Diesel Aufpreis, während die Traktionskontrolle, das elektrische Schiebedach und das Automatikgetriebe in der Top-Version ebenfalls Serie sind.

Der Range-Rover hat aber auch seine Schattenseiten: Zumindest beim 4.6 HSE schienen uns die Bremsen der Kraft von 165 kW oder 224 PS nicht immer angemessen zu sein - schließlich erreicht der (mit etwas Gepäck und Insassen) immerhin 2,4 Tonnen schwere Geländewagen bereits nach knapp zehn Sekunden die 100 km/h-Grenze, und der Luft- und der Rollwiderstand setzen dem Vortrieb auch erst bei Tempo 200 eine Grenze. Ein Thema, daß den Turbo-Diesel natürlich weniger beschäftigt: Die hier - von einem BMW-Sechszylinder - zur Verfügung gestellten 100 kW (136 PS) ermöglichen etwa 160 km/h Höchstgeschwindigkeit und eine Beschleunigungszeit von 14,3 Sekunden von Null auf 100 km/h.

Was uns jedoch viel länger beschäftigte, waren die Verbrauchswerte, die uns der große Achtzylinder bescherte: Hier pendelten die Werte zwischen 15 und 24 Liter bleifreiem Super - wobei der letzte Wert nach einer zugegebenermaßen schnellen Autobahnfahrt anlag. Der Turbodiesel lag natürlich wesentlich niedriger: Hier dürften alle 100 Kilometer zwischen zehn und 15 Liter Dieseltreibstoff verbrannt werden. Natürlich tragen zu diesen Werten die große Stirnfläche, der zwangsläufig hohe Cw-Wert und das beachtliche Eigengewicht bei - dennoch haben wir uns gefragt, ob Rover nicht gut beraten wäre, an den doch schon älteren Achtzylindern deutlich mehr Feinarbeit anzusetzen, damit nicht eines Tages das Range-Rover- Renommee von der weiten Scholle und seines kulturbeflissenen Besitzers durch das des verschwenderischen Junkers und seines baumarmen Ackers ersetzt wird.

Soviel Fahrfreude der 4.6 HSE auch bereitet, so vernünftig ist doch die Wahl des Turbo-Diesels, der - für die spezifische Art des Range-Rover-Reisens - eigentlich über genügend Leistung verfügt, und dessen Drehmoment von 270 Nm auch im extremen Gelände für den nötigen Vortrieb sorgt.

Der Mythos Range Rover wird mit dem neuen Modell weiter Nahrung erhalten - dafür ist er zu ausgewogen geraten. Bleibt die Frage nach der Umwelt-Akzeptanz - und hier wird sich Rover einige Antworten einfallen lassen müssen, denn die Fragen kommen bestimmt.

Von Jürgen Lewandowski

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