Range Rover:Der große Gatsby

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Alles hat seinen Preis - warum sollte er eine Ausnahme machen?

(SZ vom 25.03.1992) Seit nunmehr 22 Jahren zieht er unbeirrt seine Kreise - der Range Rover gilt als der große Klassiker, der seiner Konkurrenz an Stil und Eleganz um Meilen überlegen ist. Hat das Mercedes G-Modell noch den Haut-Goût eines verkappten Militärwagens, so sind die meisten Japaner doch eher der Kategorie Plastik und Dritte Welt zuzuordnen - während die Amerikaner in die Gattungen Jeep und Ranchero zerfallen. Aber über allem thront der Range Rover, diese seltsame Melange aus Alltagstauglichkeit und Grand Tourer, der wahrscheinlich nur in einem Land erfunden werden konnte, in dem der Großgrundbesitzer über ein direktes Verkehrsmittel zwischen Scholle und Oper verfügen muß.

Diese Besitzereingrenzung macht auch zugleich klar, daß man über gewisse finanzielle Mittel verfügen sollte, um einen Range Rover zu besitzen - und damit ist nicht nur der stolze Einstandspreis von 75 450 Mark für die preiswerteste V 6- Version oder von 94 950 Mark für das Top- Modell gemeint, sondern auch die nicht unerheblichen Unterhaltskosten, die ein 1,9 Tonnen Fahrzeug mit einem Cw-Wert nahe dem eines Lastwagens zwangsläufig mit sich bringt. 'Es ist nicht unbedingt erforderlich, eine Ölquelle zu haben', meinte einmal ein RR-Eigentümer, 'aber es erleichtert den Besitz gewaltig.'

Im Klartext: So ein Range Rover säuft - sofern man ihn mit Vollgas über die Autobahn treibt. Aber er gehört aber zu den moderaten Benzinverbrauchern, sofern man ihn im Sinne seiner Schöpfer einsetzt: als bequemes, kommodes und mit einem riesigen Stauraum versehenes Gefährt für die große Familie. Dann braucht er zwischen zwölf und 15 Litern - bei Tempo 180 auf der Autobahn wird hingegen die 20 Liter-Marke gestreift.

Es ist die Crux dieser Automobile, daß sie von ihren Besitzern bevorzugt von Boulevard zu Boulevard chauffiert werden - wer verfügt schon über eigene Latifundien, die einem Range Rover einen angemessenen Auslauf bieten können? Dabei steht er auch auf dem Ackerseinen Mann - wer mit einem Geländewagen umgehen kann, wird mit ihm nahezu jedes Ziel erreichen. Die Ingenieure haben dem Range Rover beste Manieren und Allradkletterkünste mit auf den Weg gegeben, die ihn zu den Besten seiner Klasse machen. Wer einmal mit einem Spezialisten am Steuer über eine richtige Geländestrecke gefahren ist, wird nur allzu gerne bestätigen, daß dieses Automobil Beachtliches leisten kann.

Allerdings wird dem Großteil aller zugelassenen Range Rover diese Tortur nur selten zuteil: Sie werden als Langstrecken-Fahrzeuge eingesetzt, die ihre Insassen und das zumeist umfangreiche Gepäck durch alle Witterungsunbilden sicher nach Hause bringen. Wer einmal die hohe Sitzposition erklommen und den damit verbundenen Ausblick über die 'normalen' Automobile hinweg erfahren hat, versteht schon etwas leichter, warum Geländewagen ihren eigenen Reiz haben. Die Verkehrsübersicht ist besser, dementsprechend wohler fühlt man sich auch.

Was unterscheidet den Range Rover denn nun von seinen Konkurrenten? Letztlich gesehen der Stil und der Preis - seine Karosserie erinnert eben nicht an die eines Arbeitstiers (obwohl er diese Rolle durchaus spielen kann), sondern spiegelt ein gewisses Understatement wider, durch das die Besitzer nicht sofort einzuordnen sind. Und da der Wagen vor vielen Jahren konstruiert wurde, und die Montage unter heutigen Rentabilitäts- Gesichtspunkten eine mittlere Katastrophe ist, steckt in jedem Range Rover auch ein gehöriges Maß an (teurer) Handarbeit.

Er ist eben praktisch und elegant, bietet Übersichtlichkeit bei vernünftigen Außenabmessungen - und er ist noch immer in. Kein Wunder, daß Leyland das Produktionsende dieses Gefährts immer weiter hinausschiebt. Und sobald wir auch noch ein gesetzlich verankertes Geschwindigkeitslimit auf den Autobahnen haben, wird er zudem noch relativ verbrauchsgünstig sein - dann wird nur noch der hohe Anschaffungspreis seiner größeren Verbreitung im Wege stehen.

Von Jürgen Lewandowski

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