Praxistest: Toyota Aygo 1.0 City:Stadt, Land - im Fluss

Lesezeit: 4 min

Von einem Auto unter 9000 Euro kann man weder Wurzelholz-Intarsien verlangen noch Massagesitze aus Connolly-Leder. Wohl aber pfiffige Ideen, gute Verarbeitung und sparsamen Verbrauch. Kann der Aygo das?

Von Jürgen Wolff

Der Aygo, so die Zielvorgabe der japanischen Marketing-Strategen, "soll der jungen Generation Europas zur Unabhängigkeit verhelfen" in einem Leben, "in dem Grenzen und Entfernungen praktisch keine Rolle mehr spielen".

Der Toyota Aygo erwies sich als zuverlässiger Geselle im Praxistest. (Foto: Foto: Toyota)

Nett gemeint. Aber Wunder darf man von dem kleinsten Toyota auf dem europäischen Markt für 8950 Euro Kampfpreis nicht erwarten. Um diesen Preis zu halten, hilft den Japanern nicht nur eine einfache Bauart, sondern auch die schiere Masse. Und das herstellerübergreifend: Vom gleichen Band wie der Aygo laufen bei Toyota im tschechischen Kolin, 60 Kilometer von Prag, im Minutentakt auch die Modelle C1 von Citroen und 107 von Peugeot. Unter dem jeweils eigenständig gestylten Blechkleid steckt bei allen immer der gleiche Inhalt. 1,3 Milliarden Euro haben die drei Autohersteller dafür investiert.

Aber auch, wenn ein kleines Auto nur relativ kleines Geld kostet: Bieten muss es dafür schon was.

Kleines Raum-Wunder

Und das tut er, der Aygo - wenn auch gelegentlich mit kleinen Abstrichen. Die ersten Sympathiewerte verdient er sich schon beim Außendesign. Dynamisch, lustig, rund und eigenständig - verwechseln wird ihn so schnell niemand. Die kurzen Überhänge sorgen für eine optimale Ausnutzung der 3,41 Meter langen Karosserie. Das kommt vor allem dem Innenraum zugute. Der ist - für ein Auto dieser Klasse - nachgerade üppig bemessen.

Selbst hinten kann man als Erwachsener noch relativ entspannt sitzen, wenn man die 1,80 Meter Körpergröße nicht überschreitet. Vorne haben auch etwas größere Fahrer gut Platz - der Sitz lässt sich ausreichend weit nach hinten verschieben, das Lenkrad ist zumindest in der Höhe einstellbar.

Die Sitze selbst machen auf den ersten Blick zwar einen etwas arg einfachen Eindruck, erweisen sich aber durchaus als körpergerecht ausgeformt und straff gepolstert. Der Seitenhalt in Kurven könnte allerdings etwas besser sein.

Von der übersichtlichen und pfiffigen Instrumentierung her ist der Aygo schnell und einfach zu bedienen. Die Schalter sind funktionell und griffig, die Pedalerie auch für breite Füße ausreichend weit auseinander konzipiert. Die Verarbeitung ist toyotatypisch gut, aus Gründen der Sparsamkeit findet sich allerdings etwas viel lackiertes Blech im Innenraum. Über einen Mangel an Ablagen wird sich im Aygo niemand beschweren können.

Abstriche-Liste

Die Karosserie ist übersichtlich, und auch im engen Stadtverkehr ist der Aygo handlich zu fahren.

Negativ: Die elektrischen Fensterheber funktionieren nur bei eingeschalteter Zündung, und die Seitenspiegel muss man von Hand wie zu Hippie-Zeiten jeweils per Hebel einstellen. Der einarmige Scheibenwischer reinigt einen zwar großen, aber doch eingeschränkten Bereich der Windschutzscheibe. Und um den Tankdeckel zu öffnen, ist eine ziemliche Fummelei mit dem Zündschlüssel nötig.

Leider war bei so viel Innenraum nicht mehr allzu viel Platz für den Kofferraum. Der ist mit standardmäßig 130 Liter Fassungsvermögen alles andere als üppig - selbst ein Smart hat 20 Liter mehr zu bieten. Und ein Fiat Panda ist mit 206 Litern gegen den Aygo ein wahrer Lkw. Selbst, wenn man die Lehnen der Rückbank umklappt, kommen nur 782 Liter mit Stufe zusammen - der Panda etwa hat dann immer noch 78 Liter mehr.

Besonders ärgerlich ist beim Aygo aber das Handling beim Beladen. Einen Kasten Sprudel etwa bekommt man angesichts der hohen Ladekante nur mit viel Wuchten und Verkannten in das schmale Stück Kofferraum - und die Hutablage versprüht nicht nur den diskreten Charme von kaltgepresstem Recycling-Material mit einer Prise grauem Filz, sondern ist permanent im Weg - bis man sie beim Rangieren mit der Ladung unabsichtlich, aber fluchend aus der billigen Halterung hebelt.

Immerhin hilft das dann etwas beim Verstauen der Getränkekiste. Da ist es nur noch eine Randnotiz, dass man sich beim Schließen der Heckklappe leicht die Finger schmutzig macht und es keine Kofferraumbeleuchtung gibt.

Mit viel Drehen flott unterwegs

Drei Zylinder rasseln unter der schwungvollen Motorhaube des kleinen Aygo. Und das ist wörtlich zu nehmen: Wie bei drei Töpfen üblich, läuft das 1-Liter-Maschinchen wenig kultiviert und ziemlich präsent. Es ist mit seinen 50 kW / 88 PS keine Rennmaschine - aber er hat auch nicht wirkliche Probleme, den gerade mal 800 Kilogramm schweren Aygo auf Trab zu bringen.

Allerdings will der auch getrieben werden: Dreht man die Gänge aus, hat man ein durchaus flottes Wägelchen. Von Null auf 100 km/h braucht es 14,2 Sekunden - 93 Nm Drehmoment sind nicht gerade üppig. Schluss mit dem Vortrieb ist bei 157 km/h. Damit liegt der Aygo auf oder etwas über der Schnittlinie der anderen 1-Liter-Minis Chevrolet Matiz (14,1 sec., 156 km/h), Volkswagen Fox 1.2 (17,5 sec., 148 km/h Spitze), Hyundai Atos (15,8 sec., 147 km/h) und Co.

Beim Schalten - und das muss man bei dem drehfreudigen Motor nicht gerade selten - hakelt es gelegentlich mal etwas. Und der fünfte Gang ist weniger zum Beschleunigen denn zum Sparen da.

Straff und ziemlich sicher

Das Fahrwerk des Aygo ist - auch typisch für die Klasse - eher straff ausgelegt und richtungsstabil. Die meisten Fahrbahnunebenheiten schluckt die Federung klaglos, nur, wenn die Wege zu schlecht werden, fängt es immer wieder mal an zu stoßen. In zu flott angefahrenen Kurven neigt der Aygo zum leichten Untersteuern, aber das ist kein Problem.

Dennoch sollte man es nicht zu wild treiben: Beim Aygo sind ESP und andere elektronische Helfer nicht einmal gegen Aufpreis drin. Nur auf ABS mochte Toyota dann doch nicht verzichten. Die Bremsen greifen ordentlich und sind gut dosierbar. Kopfairbags gehören immerhin zur Sonderausstattung. Im EuroNCAP-Crash-Test kam der Aygo übrigens auf durchaus beachtliche vier Sterne.

In der Basisausstattung gibt es den Aygo für 8950 Euro - damit liegt er im Mittelfeld seiner Klasse auf einer Linie mit Fiat Panda, Renault Twingo, Kia Picanto und Hyundai Atos. Die beiden Brüder Peugeot 107 (9250 Euro) und Citroen C1 (8750 Euro) gruppieren sich preislich um den Aygo. Der Smart fortwo ist, vergleichbar motorisiert, rund 1000 Euro teurer, ein Nissan Micra kommt auf mindestens 10.990 Euro. Und ein Chevrolet Matiz ist mit 8190 Euro der preiswerteste im Bunde.

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