Praxistest: Jaguar S-Type 2.7 D:Zurückhaltender Brite

Lesezeit: 3 min

In der automobilen Oberklasse machen die Geschäfts- und Firmenwagen einen beträchtlichen Anteil der Zulassungen aus. Ohne einen Diesel geht da nichts. Das ist bei einem prestigeträchtigen Jaguar nicht anders.

Von Stefan Grundhoff

Die Geschichten gehen zum Teil weit in die Vergangenheit zurück. Schönheit und Jaguar - das gehörte schon immer zusammen. Fast sämtliche Modelle sind Klassiker geworden - einer der jüngsten ist der Jaguar S-Type. Geschwungene Formen und Augen, die nicht lügen können, locken einen zu dem Brit-Beau.

Schon zu Lebzeiten ein Klassiker: "Jag" S-Type (Foto: Foto: pressinform)

Beim Dreh des Zündschlüssels sollten da sechs oder acht grollende Zylindertöpfe ertönen. Stattdessen gibt es nur ein sanftes Säuseln. Unser S-Type macht auf zahmes Kätzchen und schnurrt deutlich vernehmbar: ups, ein Diesel. Na gut - die Individualisten sind es, die sich in dieser Klasse für einen Jaguar entscheiden. Aber auch die lassen bei den Kraftstoffpreisen immer mehr den Kopf sprechen. Also: ok, ein Diesel.

Understatement, klar

Äußerlich ist von der Selbstzünder-Technik nichts zu erkennen. Am Heck gibt es einen kleinen 2.7D-Schriftzug. Das wäre es dann auch. Und die meisten werden ihn bei der Bestellung ohnehin entfernen lassen. Ein Understatement der anderen Art.

Beim ersten Tanken gibt es keine neidischen Blicke. Das Auto hinter uns ist ein Toyota Camry mit Wohnanhänger. Ob der weißhaarige Mann wohl weiß, dass unser Jaguar mit einem modernen Diesel fährt? Er guckt sich fast die Augen aus. Am Auto. Dass wir Diesel tanken, bekommt er gar nicht mit.

Das 2,7-Liter-Aggregat mit sechs Zylindern hat Jaguar zusammen mit dem französischen PSA-Konzern entwickelt. Ein Doppelturbo bringt 152 kW/207 PS und 435 Nm an die Kurbelwelle.

Es ist aber nicht die Leistung, die beeindruckt. Schließlich hat die Konkurrenz mindestens drei Liter Hubraum und mehr als 220 PS.

Gewohnt kultiviert

Die Kraftentfaltung beim S-Type läuft vielmehr so lässig ab, wie man es von einem Jaguar gewohnt ist. Leise, niemals hektisch, dreht der Sechszylinder willig hoch. Das Motorengeräusch hält sich zurück, und so ist es allein der Drehzahlmesser im - wenig ansehnlichen - Ford-Look, der sagt, was da passiert.

Die Fahrleistungen bieten über 230 km/h Spitze und eine Beschleunigung von null auf 100 km/h in knapp neun Sekunden. Aber dürfte es in dieser Klasse nicht noch eine Spur sportlicher sein? Es dürfte, aber die knapp 1,8 Tonnen Leergewicht fordern nun mal ihren Tribut. Und langsam ist der Hecktriebler ja nun beim besten Willen nicht.

So ist der S-Type mit dem Dieselmotor noch mehr Cruiser als die anderen Jaguar-Modelle. Die versprochenen acht Liter Diesel-Verbrauch pro 100 Kilometer ließen sich mit der gut abgestimmten ZF-Automatik aber kaum realisieren. Bei beherzter Fahrweise dümpelte der Verbrauch zwischen 9,3 und 9,5 Litern Diesel vor sich hin. Wer unbedingt weniger verbrauchen will, fühlt sich in einem Golf TDI sicher wohler.

Nur Euro-3-Norm

Doch trotz moderner Commonrail-Technik und limousinenhaftem Fahrvergnügen stellt sich der S-Type 2.7D gelegentlich auch selbst ein Bein. Die Automatikversion mit einem Anteil von mehr als 80 Prozent an allen S-Verkäufen schafft lediglich die Euro-3-Norm.

Erst zum Ende des Jahres geloben die Briten Besserung und wollen mit Partikelfilter endlich auch Euro-4 schaffen. Hoffentlich ist das nicht zu spät. Denn die Konkurrenz bietet nicht nur stärkere Aggregate und Euro-4, sondern mittlerweile ebenfalls ein interessantes Design.

Dem älteren Herrn hinter uns an der Tankstelle wird das in seinem Toyota Camry wohl ebenso egal sein wie das vorbildliche Fahrverhalten unseres Jaguars. Der S-Type läuft souverän und schluckt Bodenunebenheiten ohne jegliche Probleme. Im Grenzbereich ist er lammfromm, dürfte gerade auf der Hinterachse jedoch dynamischer sein. Das können andere in der Oberklasse besser.

Kombi oder nicht Kombi?

Bleibt die Frage nach einer Kombiversion. Schließlich verkaufen BMW 5er, Audi A6 und Mercedes E-Klasse als Hauptkonkurrenten besonders gut die mit Lifestyle-Attributen gewürzten Kombimodelle.

Dass der Kombi prinzipiell nicht tabu ist, zeigt Jaguar beim X-Type. Doch der S-Type bietet einen Diesel als Tabubruch, das muss erst mal reichen: no Tourer, no Kombi, no Avant. Was soll's? Dafür bekommen wir einen Innenraum, der uns streichelt und erschreckt zugleich. Instrumente und Bedieneinheiten passen einfach nicht zu einem edlen Jaguar. Zu viel Ford, viel zu wenig Style.

Dafür gefallen uns auch die gut konturierten Sitze und die gute Position zum Lenkrad. Die Pedale lassen sich elektrisch justieren - gegen Aufpreis.

Kleine Makel

Bei der Liebe zum Detail schwächeln die Briten dann wieder. Unglücklich die Lichtbedienung am überfrachteten Lenkstockhebel und ein Navigationssystem, das man nur im Stand bedienen kann. Bei dem ein oder anderen Detail würde ein Blick zur Konkurrenz nicht schaden.

Doch die schaut wiederum durchaus anerkennend zum S-Type herüber. Denn für gut 40.000 Euro bekommt man einen der schönsten Diesel auf dem Markt. Dürfen wir uns was wünschen? Dann das: hoffentlich beizeiten als eleganten Kombi und mit Euro-4. Bei den teuren Extras immerhin hat der S-Type bereits zur Konkurrenz aufgeschlossen.

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