Porsche Carrera 2004:Was rund war, muss rund bleiben

Lesezeit: 3 min

Die neueste Auflage der Ikone lässt optisch die Vergangenheit aufleben. Und verfeinert auch sonst alte Stärken.

Von Georg Kacher

Am 17. Juli ist es soweit: Der neue Porsche 911 steht bei den Händlern. Aber, mal ehrlich, wie neu ist neu? "Alle Außenbleche mit Ausnahme der Dachhaut sind neu", betont Projektleiter August Achleitner. "Das Gleiche gilt für das Interieur und für wesentliche Technik-Elemente." Trotzdem - ein ganz neues Auto ist der Wagen mit der Projektnummer 997 nicht. Und das ist auch gut so, denn nicht nur die gusseisernen Elfer-Fans wollen besonders behutsam entwöhnt werden.

Der "normale" neue Carrera (Foto: Foto: Porsche)

Zum Beispiel vom Motor-Sound, der ganz gezielt über Löcher und Schlitze die Kabine mit akustischem Adrenalin füllt. Oder von der Lenkung, die unter Last leicht wird, die auf welligem Belag jedem Hindernis nachläuft wie ein Fährtenhund, und die bei Vmax mit den Querfugen und Längsrillen kämpft, bis die Knöchel weiß anlaufen. Ganz zu schweigen von der Gewichtsverteilung, die nie einen Zweifel daran lässt, dass dieses Auto geschoben statt gezogen wird und dass der Schwerpunkt ganz dicht an der Hinterachse liegt.

Endlich: Die Lampen leuchten wieder rund

Auch das Design des 997 ist nicht neu, sondern eine Back-to-the-Roots-Evolution des Vorgängermodells. Die Scheinwerfer sind wieder rund, die Kotflügel stehen etwas steiler im Fahrtwind und tragen breitere Schulterpolster, in den Radhäusern des Carrera S drehen sich serienmäßig extrabreite 19-Zöller.

Carrera S? Nein, das ist kein Druckfehler. Sondern das neue 911-Topmodell mit 3,8 Litern Hubraum und 261 kW (355 PS) Leistung. Darunter rangiert der einfache Carrera mit 239 kW (325 PS) aus 3,6 Liter Hubraum. Während die Basisversion mit 75.200 Euro kaum teurer ist als der ausgelaufene 996, verlangt Porsche für den S fast 10.000 Euro mehr.

Normal und S (Foto: Foto: Porsche)

Mit dem Eilzuschlag erkauft man sich auch größere Räder, die aktive Dämpfung mit dem Kürzel PASM, kräftigere Bremsen, Bi-Xenonlicht sowie vier Auspuff-Endrohre. Beide Elfer-Varianten sind bei nahezu unverändertem Gewicht noch windschnittiger geworden. Gleichzeitig konnte der Auftrieb an Vorder- und Hinterachse weiter reduziert werden.

Vertrautheit und Fremde

Das neu gestaltete Cockpit wirkt vertraut und fremd zugleich. Vertraut, weil der Zündschlüssel nach wie vor links vom Lenkrad sitzt, weil in den fünf Rundinstrumenten die analogen Anzeigen immer noch dominieren, weil sich am Trutzburgcharakter mit den dicken Dachpfosten und der hohen Türbrüstung nichts geändert hat.

Fremd erscheinen uns dagegen die mit mehr als 50 Tasten und Knöpfen überfrachtete Mittelkonsole, der künstlich-kühle Materialmix aus Metall und Leder und die trotz Multifunktionslenkrad und Digital-Displays eher unübersichtlichere Bedienbarkeit. Als optisches i-Tüpfelchen zieht die mittig auf dem Armaturenbrett thronende Stoppuhr des Chrono-Sport-Plus-Pakets alle Blicke auf sich.

Alles noch zackiger

Diese knapp 1000 Euro teure Playstation verändert zum einen auf Knopfdruck die Gaspedal-Reaktion, das Motorverhalten an der Drehzahlgrenze und bei Lastwechseln, die Eingreifschwelle des Stabilitätsprogramms sowie die Kennfelder der Aktivdämpfer und der Tiptronic S. Zum anderen kann der Zeitmesser die Effizienz dieser Maßnahmen überprüfen, indem er die Performance auf die Zehntelsekunde genau stoppt, addiert, speichert oder grafisch darstellt. Und das nicht nur auf dem Nürburgring, sondern auch auf dem morgendlichen Törn ins Büro, von Radarfalle zu Radarfalle, natürlich immer auf eigene Verantwortung...

Gut zum renovierten Cockpit passt das besser ausbalancierte Fahrgefühl. Das neue Getriebe, bislang steif und manchmal störrisch, schaltet sich plötzlich leicht und lässig. Die Kupplung, traditionell ein Aufbaupräparat für die Wadenmuskulatur, lässt sich problemlos dosieren und ohne hohen Kraftaufwand betätigen. Die Sitzposition, früher bestimmt durch wenig Seitenhalt und Beinfreiheit, gewinnt durch das in Höhe und Neigung verstellbare Lenkrad und durch pneumatische Kammern in der Lehne und dem Sitzkissen, die sich auf Knopfdruck der Körperform anpassen.

So bequem, wie er sich im Stand anfühlt, ist der Carrera S aber nur auf topfebenem Asphalt. Dort, wo die Straßenmeisterei geschludert hat, gibt auch dieser Elfer alle Ruppigkeiten fast ungefiltert weiter - vor allem dann, wenn der Fahrer die härtere Dämpferabstimmung gewählt hat. Noch kompromissloser agiert das um 20 Millimeter abgesenkte Sportfahrwerk, das mit einer mechanischen Quersperre gekoppelt ist.

High Performance

Ein Fall für das Suchtmittelgesetz ist auch im 997 die betörende Art der Leistungsentfaltung, die erst die Pupillen weitet und dann den ganzen Kopf verdreht. Der Carrera S spurtet in 4,8 Sekunden von Null auf 100 km/h - ein Carrera GT mit 612 PS kann das nur 0,9 Sekunden besser. Die Höchstgeschwindigkeit von 293 km/h rückt den 997 in Schlagdistanz zum Turbo (305 km/h) und zum GT3 (306 km/h). Dabei ist der Verbrauch noch akzeptabel: Unser Testwagen konsumierte zwischen 11,9 und 18,8 Liter auf 100 Kilometer (Autobahn). Leider fasst der Tank nur 64 Liter. Auch der Kofferraum hat mit 135 Liter Inhalt eindeutig Kurztrip-Format.

Nein, Porsche hat den 911 nicht neu erfunden. Aber man hat konsequent Schwachstellen ausgemerzt, Stärken betont, Innovationen hinzugefügt. Die Lenkung ist um die Mittellage jetzt weniger giftig, die Bremsen verzögern auch ohne Keramikscheiben mit der Konsequenz eines Fallbeils, das elektronische Sicherheitsnetz agiert noch unauffälliger.

Die Zeit des puristischen Elfers ist mit dem 997 allerdings endgültig vorbei. Hier teilt sich der Fahrer die Aufgaben mit PASM und POSIP, mit PSM und PCM und PCCB. Das dient der Sache, nimmt dem Urgestein aber etwas von seiner Einmaligkeit. Der Carrera ist schneller und besser geworden, umgänglicher und transparenter, ausgewogener - aber verwechselbar nicht.

Man könnte also guten Gewissens Achleitner Recht geben, für den "der 997 der beste Elfer ist, den Porsche je gebaut hat". Aber das verkneifen wir uns, denn zu viel Lob macht bekanntlich satt und selbstgefällig.

© Süddeutsche Zeitung - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: