Porsche 911 neu:Auch als Neuer ganz der Alte

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Im aktuellen 911-Jahrgang hat Porsche im Detail eine Menge geändert - nur von außen ist er weniger markant.

Georg Kacher

Wie neu ist neu? Jedes Mal, wenn wir in einem neuen Neunelfer Platz nehmen, beschäftigt uns diese Frage. Schließlich scheint alles schon mal da gewesen: die Form, der Sound, die Bedienkräfte, die Fahreigenschaften. Doch nach einer halben Stunde - spätestens - ist alles wieder so, wie es immer war. Die Droge 911 zeigt Wirkung, der Cocktail aus Kreissägenmotor und Gokart-Lenkung manifestiert sein Suchtpotential.

Sparsamer und schneller: Der neue 911 Carrera sprintet in 4,9 Sekunden auf Tempo 100. (Foto: Foto: Porsche)

Sie wirkt noch immer, die Droge 911

So ist es auch diesmal, obwohl sich hinter dem neuen 911 eigentlich nur das in vielen Details optimierte Vorgängermodell versteckt. August Achleitner, der Herr der 997-Baureihe, so der interne Code, sieht das naturgemäß enthusiastischer: "Wir haben einen Riesenschritt gemacht und neue Technologien eingeführt, die noch mehr Fahrspaß versprechen, gleichzeitig aber auch die Umwelt entlasten."

Sparsam wie sie sind, haben die Schwaben leider nur wenig Geld in die nicht wirklich neue Optik investiert. Die Frontpartie mit den größeren Bi-Xenon-Schweinwerfern (Serie) und dem optimierten Fußgängerschutz wirkt sogar weniger markant als bisher, die LED-Rückleuchten und das LED-Tagfahrlicht sind offenbar unvermeidliche Zugeständnisse an den Zeitgeist.

Echten Fortschritt verspricht dagegen das aufgeräumtere Cockpit mit dem neuen Navigationssystem samt größerem Touchscreen-Monitor. Beim Cabrio will Porsche die Verschleißfestigkeit des Verdecks nahezu verdoppelt haben. Neu sind leider auch die Preise. Der Carrera kostet als Coupé jetzt 83.032 Euro, das Cabrio ist rund 11.000 Euro teurer. Der gleiche Aufpreis gilt für das S-Modell.

Zwei wesentliche Innovationen kennzeichnen den 2009er-Jahrgang des 911. Die Direkteinspritzung gibt's gratis, das interessante Porsche-Doppelkupplungsgetriebe (PDK) belastet das Budget mit 3510 Euro. Der 3,6-Liter-Boxer leistet jetzt 254 kW (345 PS), eine Steigerung um 20 PS. Die S-Version mit 3,8 Liter Hubraum bringt es auf 283 kW (385 PS), ein Plus von 30 PS.

Anschluss unter dieser Nummer: Wer den neuen Porsche 911 vom letzten Jahrgang unterscheiden will, muss sehr genau hinsehen. (Foto: Foto: Porsche)

Muntere Energieströme

Mit PDK, dem eine Einbaurate von 80 Prozent prophezeit wird, sinkt der Mixverbrauch auf 9,8 Liter. Der Carrera S genehmigt sich 0,4 Liter mehr. Wie immer stehen diese Werte nur auf dem Papier. In der Praxis konsumierte der Testwagen je nach Stimmung zwischen 12,6 und 15,7 Litern. Gegenüber dem Vorgänger sollte man unter dem Strich rund zehn Prozent sparsamer fahren. Und schneller. Den Spurt absolviert das PDK-Auto in 4,9 beziehungsweise 4,7 Sekunden (Carrera S); die Höchstgeschwindigkeit beträgt 287 im einen und 300 km/h im anderen Fall.

Bei den Modellen mit Schaltgetriebe hält sich der Zugewinn an Dynamik in Grenzen, doch zwischen Tiptronic und PDK liegt eine kleine Welt. Durchaus differenziert ist das Engagement zu beurteilen, mit dem das Doppelkupplungsgetriebe zu Werke geht. Im Automatikmodus regt sich relativ wenig, wird bei verhaltenem Gasfuß schon ab 1200 Touren der siebte Gang eingelegt, fällt die Drehzahl in den Keller. Die Umwelt freut sich, der Fahrer ist frustriert. Auch Lastwechsel bei niedrigen Drehzahlen und das langsame Bergauf-Kriechen gehört nicht zu den Stärken der PDK-Box.

Doch es geht auch anders. In der manuellen Schaltgasse zum Beispiel fließen ausgesprochen muntere Energieströme. Richtig glänzen dürfen die beiden Kupplungen leider erst in Verbindung mit aufpreispflichtigen Spaßextras wie PASM (Fahrwerksregelung), Sportfahrwerk, Hinterachsquersperre, 19-Zoll-Rädern, dem Chrono-Paket Plus oder PCCB (Keramikbremsen). PASM beinhaltet die eigentlich unverzichtbare Sporttaste, die agilere Gangwechsel und ein höheres Ausdrehen der Gänge bewirkt. Diese fünf Bausteine, die ausschließlich der Fahrdynamik dienen, schlagen allerdings mit mehr als 15.000 Euro Aufpreis ins Kontor.

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Da lohnt es sich, im Vergleich den Basis-911 mit 18-Zöllern und Schaltgetriebe Probe zu fahren. Besonders zackig verlaufen die Schaltvorgänge im Sport-Plus-Modus, der das Chrono-Paket voraussetzt. Sport Plus optimiert die Schaltpunkte und verkürzt nochmals die Schaltzeiten. Im manuellen Schaltprogramm dreht der Motor übrigens bis zum Begrenzer, ohne dort automatisch hochzuschalten. Diese Sperre ist nur durch einen beherzten Kickdown-Befehl zu überwinden oder durch den passenden Griff in eine der waagrechten Lenkradspeichen. Dort lauert freilich in Form von zwei Schaltknubbeln die Gefahr der Fehlbedienung. Im Alltag verwechslungssicherer wären lenksäulenfeste Schaltpaddel, die außerdem besser zum puristischen Charakter des 911 passen würden und die selbst beim Umgreifen in Kurven narrensicher funktionieren.

Schneller und sparsamer

Der neue Carrera besitzt lichtstärkere Scheinwerfer, ein intelligenteres System zur Überwachung des Reifendrucks, einen Anfahrassistent und auf Wunsch belüftete Sitze sowie eine besonders sonore Sportauspuffanlage. Doch wirklich neu im Sinne von deutlich fortschrittlicher sind die Modifikationen am Fahrwerk. Da ist zum Beispiel die stärkere Bremse für das Einstiegsmodell erwähnenswert, die früher Druck aufbaut und kräftiger zupackt. Als Zugewinn haben wir auch das optionale Sperrdifferential erlebt, das für mehr Stabilität auf rasch wechselnden Reibwerten sorgt. Doch das subjektiv größte Plus an Sicherheit und Dynamik besorgt das neu abgestimmte PASM-Fahrwerk, das vor allem an der Vorderachse mit weicheren Federn und Dämpfern arbeitet. Weich heißt nicht schwammig oder indifferent, sondern geschmeidig und schluckfreudig. Die neue Auslegung verspricht mehr Bodenkontakt, mehr Stabilität, mehr Rückmeldung und mehr Ausgewogenheit im Zusammenspiel mit der ebenfalls etwas komfortabler ausgelegten Hinterradaufhängung.

Direkteinspritzer und PDK werden sich künftig wie rote Fäden durch das Porsche-Produktprogramm ziehen. In vier Wochen sind die Allradmodelle an der Reihe, im Herbst folgen der Boxster und der 911 Targa, 2009 werden Turbo und GT3 umgestellt.

© SZ vom 14.6.2008/gf - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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