Nissan Serena:Ein Japaner aus Europa

Lesezeit: 3 min

Der Minivan ist aber mit 39 995 Mark nicht gerade billig

(SZ vom 24.12.1992) Der Minivan - auch Minibus genannt - erfreut sich in Deutschland zunehmender Beliebtheit. Marktforscher haben errechnet, daß der Bedarf Mitte der 90er Jahre bei jährlich rund 80 000 Fahrzeugen liegen wird. Deutsche Automobilfirmen haben den Minivan-Markt bislang verschlafen, doch wollen Volkswagen und Ford schon in wenigen Jahren mit einem gemeinsam entwickelten Produkt Marktanteile erobern. Schon im Geschäft sind vor allem die Firmen Renault (Espace, 38 Prozent), Chrysler (Voyager, 23 Prozent), Toyota (Previa, 20 Prozent) und Nissan (Prairie, sechs Prozent).

Ein Minivan zeichnet sich vor allem dadurch aus, daß er auf der Verkehrsfläche eines Mittelklassewagens mehr Platz für Personen oder Gepäck bietet. Sein charakteristisches Aussehen erhält er - gegenüber einer Limousine - durch die größere Fahrzeughöhe, größere Glasflächen, steiles Heck und seine Stummelschnauze.

Im Schnitt ist der Minivan gegenüber einer Mittelklasse-Limousine - bei gleicher Fahrzeuglänge - um 40 Zentimeter höher. Dadurch ergibt sich ein besserer Sitzkomfort und auch eine bessere Übersicht. Nachteilig wirkt sich jedoch die hohe Fahrzeugfront beim Verbrauch und bei der Höchstgeschwindigkeit aus. Denn durch die größere Fahrzeugstirnfläche nimmt der Luftwiderstand und damit auch der Kraftstoffverbrauch bei hohen Geschwindigkeiten zu.

Mit einem neuen Minivan, Serena genannt, will nun Nissan in dem prosperierenden Minibus-Markt zusätzliche Marktanteile gewinnen. Der Serena wird schon seit einigen Monaten in Japan gefertigt, jetzt kommt er, leicht überarbeitet, aus Europa, genauer gesagt aus Spanien. Die Produktionsstraße steht in Barcelona, die Blechteile werden aus spanischen Nissan-Werken angeliefert, und der Motor kommt aus dem britischen Nissan-Werk, so daß rund 80 Prozent aller Herstellungsteile europäischen Ursprungs sind. Bei einer Besichtigung der neuen Nissan- Produktionsstraße in Barcelona fiel auf, daß aufgrund der relativ kleinen Serie kaum Roboter eingesetzt waren und viele Werker noch mit Hammer und Holzblock der Karosserie in Handarbeit den letzten Feinschliff gaben.

Bei dem europäischen Japaner entsprechen Länge (4,31 Meter) und Breite (1,17 Meter) Limousinenmaßstäben, nur in der Höhe trumpft der Serena mit 1,82 Meter zu. Bei einem Radstand von 2,73 Metern wird Platz für insgesamt sechs Personen geboten, allerdings schrumpft dann das Gepäckabteil auf magere 350 Liter, so daß eine längere Urlaubsfahrt nur mit einem zusätzlichen Koffer auf dem Dach möglich wird. Allerdings: Ist der Minibus mit sechs erwachsenen Personen besetzt, dürfen diese pro Nase nur noch 20 Kilogramm zuladen.

Die Passagiere sitzen alle auf gut ausgeformten Einzelsesseln. Und da sich die mittleren Sitze um 180 Grad drehen lassen, kann man den Bus im Stand zu einem Konferenzabteil umfunktionieren. Was fehlt, ist ein aufklappbarer Tisch, um wenigstens das Skatblatt oder eine Coca- Cola-Dose ablegen zu können.

Wird der Serena mehr als Hobby- oder Transportfahrzeug eingesetzt, lassen sich die hinteren beiden Sitze mühelos falten und zur Seite klappen, so daß der Gepäckraum auf stattliche 1900 Liter anwächst. Praktisch ist der Zugang zum Minibus: Fahrer und Beifahrer stehen je eine Tür zur Verfügung, für die hinteren Passagiere eine breite Schiebetür und für das Gepäck eine große Heckklappe. Der Vorteil eines Minibusses gegenüber einer Limousine liegt also in seiner Wandlungsfähigkeit. Diesen Vorteil läßt sich Nissan allerdings auch kräftig bezahlen, denn bei einem Kaufpreis von exakt 39 995 Markmuß man genau überlegen, wann und wie oft die Bus-Vorteile genutzt werden.

Um das Konzept eines kompakten Minivans umsetzen zu können, hat Nissan den Motor unter den beiden vorderen Sitzen plaziert. Das stehende Triebwerk erreicht man nur nach dem Wegklappen eines vorderen Sitzes einschließlich der Motorraumabdeckung. Diese Prozedur ist auch dann erforderlich, will man beispielsweise Motoröl nachfüllen. Die wartungsintensiven Nachfüllmöglichkeiten für Kühlwasser und Bremsflüssigkeit befinden sich deshalb unter der vorderen kurzen Haube, wo auch das Reserverad untergebracht ist.

Der 2,0-Liter-Motor mit 93 kW (126 PS) treibt die Hinterachse an, die serienmäßig mit einem Visko-Sperrdifferential ausgerüstet ist. Sollte auf einer glatten oder schlechten Straße ein Hinterrad durchdrehen, packt automatisch das andere mit an. Serienmäßig sind dem Serena ABS, Zentralverriegelung, Servolenkung, elektrische Fensterheber und elektrisch verstellbare Außenspiegel mitgegeben.

Mit dem 126-PS-Motor beschleunigt der Serena auf Tempo 100 in 13 Sekunden, da macht sich die hohe Stirnfläche negativ bemerkbar. Dafür hat der Serena gegenüber großen Bussen einen entscheidenden Vorteil: Er ist bei Bedarf 170 km/h schnell.

Von Hans-Rüdiger Etzold

© N/A - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: