Nissan Patrol GR:Alter Kämpe, frisch verjüngt

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Für 51 295 Mark gibt es nur einen Dieselmotor und komfortablere Reise-Möglichkeiten

(SZ vom 04.03.1998) Es muß sich schon um ein besonderes Auto handeln, wenn sogar der Hersteller seinem neuen Gefährt einen "etwas groben Charakter" bescheinigt. Immerhin stehe aber "kein zivilisiertes Arbeitstier" bei den Händlern, sondern ein echter Offroader, der sich auf auf der Straße komfortabel fahren lasse. Klar, daß es sich bei Nissans neuestem Sprößling um keinen Softie, wie man hier die Funcars gerne nennt, handeln kann - auf ein solches Gefährt aus dem Hause Nissan muß man bis Mitte nächsten Jahres warten.

Der neue Patrol GR hingegen rollt schon im März zu den deutschen Händlern - und er wird von einigen Hardcore- Offroadern schon sehnsüchtig erwartet. Für sie steht der Patrol für einen markanten Auftritt auf der Straße und im Gelände, sie sehen in dem kantigen Geländewagen einen Kumpel, auf den man sich in allen Situationen verlassen kann. Doch auch bei Gewerbetreibenden erfreut sich der Patrol einiger Wertschätzung - vor allem, wenn es um Zugkraft geht: Bis zu 3,5 Tonnen darf der Offroader an den Haken nehmen - ein unerreichter Wert, den Handwerker und Pferdebesitzer zu schätzen wissen.

Mit Freude werden die Puristen auch feststellen, daß die Designer nur behutsam zu Werke gegangen sind und dem Patrol seine markante Optik nicht wegoperiert haben. Gerade in Zeiten, in denen Rundungen und Wölbungen als jugendlich-frisch gelten, bleibt der Patrol ein alter Kämpe, dem man auf den ersten Blick ansieht, daß er nicht erst seit gestern auf dem Markt ist.

Reif für die große Patrouille

1951 wurde der erste gebaut, und schon der Namen macht klar, daß damals vor allem das Militär mit ihm auf Patrouille gehen wollte. 1981 brachte Nissan den inzwischen zivilisierten Patrol nach Deutschland, dem 1988 die Variante mit dem Zusatz GR folgte. Sein Blütejahr erlebte der Patrol 1991 mit rund 10 500 Zulassungen, im vergangenen Jahr konnten nur noch 1500 Einheiten verkauft werden - aber das in einem Umfeld mit wesentlich mehr Mitbewerbern.

Technisch setzt Nissan auf das bewährte Konzept: Leiterrahmen (keine selbsttragende Karosserie wie beim neuen Pathfinder), Starrachsen vorne und hinten, zuschaltbarer Allradantrieb mit Geländeuntersetzung. Als Antriebsquelle steht bis auf weiteres nur ein einziger Motor zur Auswahl: das schon bekannte, aber überarbeitete Dieselaggregat mit 2,8 Liter Hubraum, das 95 kW (130 PS) leistet. Zwar hat Nissan in anderen Ländern noch einen Sechszylinder mit 4,5 Liter Hubraum im Programm, doch diese Maschine erfüllt die europäischen Abgasnormen nicht.

Bei ersten Fahrten stellte sich dann heraus, was schon die Werte auf dem Papier vermuten lassen: Man ist mit dem Patrol, der wie bisher in einer drei- und in einer fünftürigen Version angeboten wird, nicht besonders zügig unterwegs. Besonders der 5,01 Meter lange und 2,3 Tonnen schwere Station Wagon tut sich schwer, auf Touren zu kommen, und an Steigungen geht im zu schnell die Puste aus: Zum gemütlichen Dahinschwimmen auf der Autobahn reichen die 130 Pferdestärken und das maximale Drehmoment von 252 Nm bei 2000/min aber allemal aus.

Schnelle Fahrten an der Grenze zur Höchstgeschwindigkeit von 155 km/h und Drehzahlorgien machen mit diesem Aggregat keinen Sinn, sondern treiben nur den Dieselverbrauch in unerquickliche Höhen, die weit über dem von Nissan angegebenen Durchschnittswert von 11,2 Liter auf 100 Kilometer liegen. Bei Geländewagen dieser Größe und dieses Gewichts hängt der Verbrauch eben stark vom Fahrstil ab.

Der sollte allerdings nicht grob, sondern zivilisiert sein, da der Komfort sonst auf der Strecke bleibt: Straßenunebenheiten gibt das Fahrwerk nahezu ungefiltert an die Insassen weiter, und in Mulden, wie sie auf alten Autobahnen häufig anzutreffen sind, scheint der Vortrieb von Schaukelpferden zu stammen.

Bei einem Einsatz im Gelände spielt der Komfort dagegen keine Rolle: Bevor es über Stock und Stein, durch Schlamm oder maximal 70 Zentimeter tiefes Wasser gehen kann, muß der Fahrer (den Käuferinnen-Anteil beziffert Nissan auf weniger als zehn Prozent) drei Handgriffe erledigen: Den zweiten Schaltknüppel in die Geländeuntersetzung legen, per Knopfdruck das Sperrdifferential aktivieren und ebenfalls per Druckschalter den Hinterachs-Stabilisator abschalten. In das Fahrwerk wird - schlicht gesagt - ein zusätzlicher Stabilisator eingeklinkt. In der Praxis bewirkte dieses System, das nicht in der dreitürigen Basisvariante eingebaut ist und hier auch nicht extra geordert werden kann, allerdings nicht allzuviel.

Kein Benziner in Sicht

Für 51 295 Mark - soviel kostet das Einstiegsmodell - gibt es komfortablere Arten, sich auf der Straße fortzubewegen. Wer allerdings einen frischverjüngten, alten Kämpen sucht, findet ihn vielleicht ihn der Patrol-Palette: Der Station Wagon kostet mindestens 57 295 Mark, die Comfort-Varianten kommen mit breiteren Kotflügeln, Trittbrettern, Breitreifen und Klimaanlage (57 295 und 64 295 Mark) daher, und die Luxury-Versionen verwöhnen mit Chrom, Holz und einem Soundsystem, kosten dafür aber 61 295 und 68 295 Mark.

Wer noch mehr anlegen will, kann sich den langen Luxury für 3175 Mark mit Leder auskleiden lassen, womit dann die 70 000-Mark-Grenze überschritten wäre. Zehn Prozent rechnet Nissan jeweils den Basis- und Luxury-Ausstattungen zu, der Löwenanteil soll hingegen auf die Comfort-Version entfallen. Was allerdings fehlt, um auch in der Luxus-Ecke zu reüssieren, ist ein Benzinmotor. Aber so nobel will der neue Patrol gar nicht werden.

Von Otto Fritscher

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