Nissan Pathfinder:Pfadfinder auf dem Weg nach Deutschland

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Nissan bietet nun drei Offroad-Baureihen an - die neueste V6-Variante ist allerdings zu durstig

(SZ vom 24.01.1998) Sie künden vom Drang nach Freiheit und Abenteuer - doch vielen deutschen Autofahrern scheint ein rollendes Wohnzimmer inzwischen lieber zu sein als ein Gefährt, mit dem sich der Großstadtdschungel durchqueren ließe - denn die Sahara ist weit weg. Seit drei Jahren nämlich erlebt der Markt der Geländewagen in Deutschland einen kontinuierlichen Einbruch: Konnten 1995 noch rund 75 000 Offroader vor allem an den Mann gebracht werden, waren es 1996 nur noch 66 500 Einheiten, und im vergangenen Jahr schrumpfte die Zahl auf 55 000. Diese rückläufige Entwicklung mag zum einen emotionale Gründe haben, wird auf der anderen Seite aber auch von ökonomischen Zwängen verschärft: Offroader sind in der Anschaffung deutlich teurer als Pkw, die meist einen höheren Alltagsnutzen haben, und die wuchtigen Kolosse verbrauchen in der Regel auch mehr Benzin als gewöhnliche Autos.

Die Nachfrage ankurbeln

Doch vor allem die japanischen Hersteller scheinen diesen Trend nicht einfach hinnehmen zu wollen. Mit neuen Modellen versuchen sie, die Nachfrage anzukurbeln. Während der Daihatsu Terios und der Subaru Forester bereits im vergangenen Jahr an den Start gingen, bläst Nissan jetzt zur großen Geländewagen-Offensive: Mit dem Pathfinder rollt die dritte Geländewagen-Baureihe zu den Händlern, neben dem schon bekannten Terrano II und dem Offroad-Veteranen Patrol, dessen neueste Generation in einigen Wochen vorgestellt werden wird.

Eigentlich ist der Pathfinder kein neues Modell. Er wurde bisher nur in Japan und dem Offroad-Mekka USA verkauft, und zwar recht erfolgreich: 9000 Einheiten finden in den Staaten monatlich einen Käufer. Doch auch in Deutschland gibt es Geländewagenfans, glaubt Nissan, denen der Terrano zu klein und der Patrol eine Nummer zu bullig, groß und kantig ist. In diese Nische soll der Pathfinder hineinfahren, wenngleich in erheblich geringeren Stückzahlen als in den USA: 1500 bis 2000 Pfadfinder sollen in Deutschland den Weg vom Händler zu neuen Besitzern finden - und das werden zu 90 Prozent wieder Männer sein, wenn die Marketing-Strategen von Nissan recht haben. Überhaupt wird es ein exklusives Vergnügen sein, bei uns einen Pathfinder zu fahren, da er in Europa ausschließlich in Deutschland und der Schweiz angeboten wird.

Bei der Motorisierung läßt Nissan den Interessenten keine Wahl: Der Pathfinder kommt ausschließlich mit einem V6-Motor mit 3,3 Liter Hubraum und einer Leistung von 110 kW (150 PS) daher. Bis zum Sommer ist auch nur die Automatikversion verfügbar, erst dann wird ein Schaltgetriebe nachgereicht. Diese Einschränkung resuliert daher, daß der Pathfinder eigentlich nicht für Europa gedacht war, denn in den USA paßt ein Schaltgetriebe zu einem großvolumigen Geländewagen wie ein riesiger Heckspoiler zu einem Mercedes der S-Klasse. Für den Export nach Deutschland und in die Schweiz mußten die Techniker auch erst dafür sorgen, daß der Pfadfinder nicht nur schnell laufen kann (bis zu 172 km/h), sondern auch besser bremst als seine amerikanischen Brüder.

Lieber auf dem Boulevard

Der Pathfinder ist nicht für den knüppelharten Einsatz im Wald prädestiniert, auch wenn man abseits befestigter Straßen nicht gleich zum Handy greifen muß, um Hilfe in Gestalt eines Unimogs zu holen. Nissan sieht ihn als Imageträger für seine Offroad-Kompetenz, will aber gleichzeitig den komfortbewußten Autofahrer ans Volant locken - ein Spagat, der schon bei manchem Geländewagen nicht gelungen ist.

Bei einer ersten Begegnung mit dem Pfadfinder sowohl in gebirgigem Gelände als auch auf Landstraßen und Autobahnen stellte sich heraus, daß die Synthese zwischen "rauhem Kerl" und Großstadt-Cowboy erstaunlich gut gelungen ist. Der Fahrkomfort ist ordentlich, da die Ingenieure auf einen Leiterrahmen verzichtet und stattdessen eine selbsttragende Karosserie konstruiert haben. Vorne gibt es Einzelradaufhängung, hinten die traditionelle Starrachse. Der Allradantrieb kann über einen kleinen, zweiten Schaltknüppel dazugeschaltet werden, wenn der Heckantrieb alleine nicht mehr ausreicht. Dies kann sogar während der Fahrt erfolgen, wenn die Geschwindigkeit nicht mehr als 80 Stundenkilometer beträgt.

Als nervig erwies sich die Charakteristik des Automatikgetriebes: Es schaltet zu früh einen Gang zurück, auch wenn das Gaspedal nur sanft niedergetreten wird. Hierbei wäre eine Verbesserung dringend angeraten. Als zweiter Nachteil werden sich im Alltagsverkehr die Verbrauchswerte herauskristallisieren. Nissan gibt zwar 13,4 Liter Normalbenzin durchschnittlich für die Automatik-Version an, in der Praxis dürften aber Werte zwischen 15 und 16 Litern kaum zu unterbieten sein - auf einer nach obenen offenen Skala. Beinahe zwei Tonnen Lebendgewicht sind eben nicht gerade ein besonders schlanker Pfadfinder.

Sicherheitstechnisch ist der Onroader mit Offroad-Qualitäten auf der Höhe der Zeit: zwei Airbags, ABS und eine Wegfahrsperre, die allerdings für Schnellentschlossene konzipiert ist. Man darf nach dem Entriegeln der Tür nicht länger als 20 Sekunden zaudern, um den Motor anzulassen. Sonst muß die Wegfahrsperre erneut deaktiviert werden.

Mit 59 995 Mark steht der Pathfinder in der Preisliste, was aber momentan nur die halbe Wahrheit ist: Hinzu kommen 2000 Mark für das Automatikgetriebe. Trotzdem dürfte es Nissan nicht schwer fallen, bei der Konkurrenz wie dem Chrysler Jeep Cherokee, dem Ford Explorer oder dem Toyota 4Runner zu wildern.

Von Otto Fritscher

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