Neue Regionaljets:Die Wende am Himmel

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Neue Hersteller von effizienten und umweltfreundlicheren Regionaljets drängen auf den Markt. Sie kommen aus Russland, China und Japan.

Andreas Spaeth

Elegant sieht er aus, der zweistrahlige Sukhoi Superjet 100 (SSJ 100) mit seiner langgezogenen Nase. Dass er auch fliegen kann, bewies er erstmals am 19. Mai, zwei Jahre später als ursprünglich geplant. Weit weg von Europa, in Komsomolsk am Amur im fernen Osten Russlands, fand der 65-minütige Jungfernflug statt. Er könnte eine Wende am Flugzeugmarkt einleiten.

Sauber gemacht: Der Regionaljet von Mitsubishi soll mit einem neuartigen Antrieb 2013 in den Liniendienst gehen. (Foto: Foto: Mitsubishi)

Die neuen Jets kommen aus Russland, China und Japan

"Heute ist der wichtigste Tag für uns", sagte Sukhoi-Generaldirektor Michail Pogosja. Die Erwartungen an das erste neue postsowjetische Verkehrsflugzeug sind so groß, weil der zivile Ableger der bisherigen Kampfflugzeug-Schmiede Sukhoi erhebliche Unterstützung aus Moskau erhielt und weil durch einen speziellen Erlass des damaligen Präsidenten Wladimir Putin der 25-prozentige Einstieg des italienischen Flugzeugbauers Alenia möglich gemacht worden war.

Den Russen war bewusst, dass sie ohne westliche Hilfe vor allem in Sachen Kundenservice und Glaubwürdigkeit außerhalb ihrer Sphäre mit dem SSJ nicht zum Erfolg kommen würden. Seit 2001 war auch Boeing an dem Projekt beteiligt, vor allen in den Bereichen Vermarktung und Produktunterstützung. Cheftestpilot Alexander Jablonzew gab sich nach der ersten Landung begeistert und stellte sofort den Bezug zu den beiden bisher weltgrößten Lieferanten her: "Das Flugzeug lässt sich so leicht wie ein Airbus oder eine Boeing fliegen."

Gerade die beiden Platzhirsche allerdings werden sich bei einem tatsächlichen Erfolg der Russen darauf einstellen müssen, ein bisher nur halbherzig beackertes Marktsegment ganz aufgeben zu müssen - das der 100-sitzigen Jets. Hier liegt die wichtige Schnittstelle zwischen großen Verkehrsflugzeugen und den günstiger zu betreibenden Regionaljets. "Die Anstrengungen von Airbus und Boeing in diesem Bereich waren kein Erfolg", sagte Henri Courpron, früher Beschaffungschef bei Airbus und heute Branchenberater, dem Magazin Flight International. "Der A318 wurde nur begrenzt verkauft und die Boeing 737-600 war auch nicht gerade ein Rockstar", so Courpron, "Airbus und Boeing haben die Tür zu diesem Markt offengelassen."

Neue Regionaljets
:Die Wende am Himmel

Neue Hersteller von effizienten und umweltfreundlicheren Regionaljets drängen auf den Markt.

Bisher hatten sich zwei Duopole etabliert: Neben Airbus und Boeing für große Jets lieferten Bombardier aus Kanada und Embraer aus Brasilien erfolgreich die kleineren. Doch nun kommt mit den Russen und ihrem SSJ mit maximal 98 Sitzen eine ganze Welle von Neulingen daher, die mit neu entwickelten, hocheffizienten Regionaljets ihren Anteil am lukrativen Kuchen wollen und gleichzeitig starke Nachfrage in ihren Heimatmärkten mitbringen.

Der Bedarf wird von Bombardier bis 2027 insgesamt auf 6100 Flugzeuge in der 60- bis 99-Sitzer-Kategorie geschätzt sowie auf weitere 6300 Jets in der Klasse der 100- bis 149-Sitzer. Der Anreiz für neue Wettbewerber wird dadurch verstärkt, dass Airbus und Boeing mit Nachfolgern ihrer Bestseller A320 und 737 in frühestens zehn Jahren auf den Markt kommen - und diese dann vermutlich in einer etwas höheren Kategorie zwischen 150 und 250 Sitzen angesiedelt sein werden.

Neben den Russen stehen derzeit auch Chinesen und Japaner in den Startlöchern, während die Kanadier völlig neue Produkte planen. Der erste russische SSJ 100 soll im dritten Quartal 2009 an Aeroflot ausgeliefert werden, 98 feste Bestellungen liegen bereits vor, darunter zehn von ItAli Airlines als einzigem westlichen Besteller. Angetrieben wird der SSJ vom neu entwickelten Powerjet-SaM-146-Triebwerk, hinter dem neben NPO Saturn aus Russland auch Snecma aus Frankreich steckt. Die geplanten Kostenvorteile im Flugbetrieb hängen gerade in diesem Segment entscheidend vom Triebwerk ab.

Als nächste werden die Chinesen von sich reden machen, ihre AVIC I Commercial Aircraft Corporation (ACAC) stellte bereits im Dezember 2007 den 90-sitzigen Regionaljet ARJ21-700 vor, der vom 105-Sitzer ARJ21-900 gefolgt wird. Sie werden von denselben GECF34-Triebwerken angetrieben, die auch bei Bombardier und Embraer zum Standard gehören. Für diesen Herbst ist der Erstflug geplant, das Flugzeug nutzt Komponenten, die China ursprünglich von McDonnell Douglas (heute Boeing) für die Lizenzproduktion der MD-90 zur Verfügung gestellt wurden. Die Ähnlichkeit mit dem amerikanischen Zweistrahler ist offensichtlich, nur die Tragfläche wurde von Antonow in Russland neu entwickelt.

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Rund 180 Bestellungen liegen von chinesischen Airlines vor, aber ACAC will auch westliche Märkte erreichen und arbeitet daher bei der ARJ21-900 mit Bombardier zusammen. China plant, die Erfahrung zu nutzen, um etwa 2020 einen eigenen 150-Sitzer auf den Markt zu bringen - spätestens dann könnte aus dem Reich der Mitte ernsthafte Konkurrenz für die Platzhirsche Airbus und Boeing erwachsen.

Um das Jahr 2013 herum sollen zwei neue Regionaljets in den Liniendienst gehen, die wegen ihres Antriebs revolutionär sein werden. Sowohl die CSeries von Bombardier als auch der Mitsubishi Regional Jet (MRJ) aus Japan nutzen den sogenannten Geared-Turbofan-Antrieb (GTF) von Pratt & Whitney. "Damit erzeugen wir gegenüber heutigen Antrieben um die Hälfte weniger Lärm und verbrauchen 15 Prozent weniger Treibstoff", erklärt Anton Binder von der MTU in München, die an der Entwicklung beteiligt ist. "Der GTF ist das einzige Konzept, das gleichzeitig Spritverbrauch und Lärm reduziert", so Binder.

Erreicht wird das durch die Entkopplung des Fans, der vorn im Triebwerk die Luft ansaugt und beschleunigt, von der Welle der Niederdruckturbine. Beim GTF hat der Fan eine eigene Welle, die über ein Getriebe mit der Welle der Turbine verbunden ist. So können beide am effektivsten arbeiten, der Fan langsam, die Turbine schnell. Mit diesem Antrieb, der bis Ende 2011 zugelassen sein soll, könnten die zwischen 110 und 130 Passagiere fassenden zwei Versionen der Bombardier CSeries zu den ersten Zweiliter-Flugzeugen überhaupt werden. Den größten Anteil daran hätten neben den Triebwerken eine optimierte Aerodynamik sowie der hohe Anteil von Kohlefaser-Verbundwerkstoffen (46 Prozent der Struktur) sowie der in China aus Aluminium-Lithium gefertigte Rumpf (24 Prozent).

Bombardier hatte vor drei Jahren den Programmstart schon einmal abgeblasen, doch auf der Farnborough Air Show im Juli war es dann so weit. Allerdings ohne einen Erstkunden, nur mit der Interessenbekundung der Lufthansa für bis zu 60 Flugzeuge. "Wir haben noch nie einen Hersteller ein Programm starten sehen ohne einen festen Auftrag", kommentierte Airbus-Verkaufschef John Leahy, "wir wünschen ihnen Glück."

Lufthansa-Einkaufschef Nico Buchholz gibt sich bereits überzeugt von den Vorteilen des GTF: "Wir fühlen uns sehr wohl mit dem Konzept." Gleichzeitig hat die Kranich-Linie zur Auslieferung ab 2009 auch noch 30 Embraer 190 bestellt, das derzeit führende Muster. "Die ergänzen sich gegenseitig", erklärt Buchholz.

Etwas kleiner und mit zwei Versionen für 70 bis 96 Passagiere ein klassischer Regionaljet soll der japanische MRJ werden. Dieses Flugzeug soll ab 2013 beim Erstbesteller All Nippon Airways (ANA) aus Japan fliegen und der MRJ wird wohl das erste Flugzeug sein, das mit dem GTF in den Liniendienst geht. "Wir wollen einen neuen Standard für Regionaljets schaffen mit noch nie erreichten Werten für die Umwelt, die Passagiere und die Fluggesellschaften", erklärte Firmenchef Nobuo Toda in Farnborough.

Neben günstigen Lärm- und Verbrauchswerten wird auf Innovation auch in der Kabine Wert gelegt, neuartige superflache Sitze sollen selbst bei engerer Bestuhlung noch für Komfort sorgen, statt Armlehnen gibt es unter den Fenstern eine durchgehende Armleiste. Unter Branchenanalysten gilt der MRJ technologisch als Spitzenreiter, während der SSJ gerade mal einen um zwei Prozent geringeren Spritverbrauch als etwa die Embraer 190 aufweist und die Chinesen gegenüber heute gängigen Produkten keine Fortschritte bieten.

© SZ vom 20.09.2008/gf - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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