Mercedes SLK:In diesem Frühjahr trägt man Luftschal

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Der kleine Bruder des vornehmen SL gibt sich betont sportlich, hat sich ein bisschen was vom superteuren McLaren SLR abgeschaut - und verblüfft mit einer Innovation.

Von Joachim Becker

Jede Jugendbewegung setzt andere Signale. In einem Mercedes-Roadster trug eine junge Dame zum Beispiel einst Rot mit weißen Tupfen überm Petticoat. Dazu gehörten in den 50er Jahren weiße Handschuhe und ein Hauch von Kopftuch. Der Lenker des 190 SL schärfte mit Grobstrick-Pullis und Lederhandschuhen sein sportliches Profil. Mitte der 90er Jahre kamen die Zweisitzer wieder in Mode, auch die Lollipop-bunten Farben. Mercedes-SLK-Fahrer ließen sich ihren Zweisitzer jetzt gerne postgelb lackieren. Mit der Roadster-Renaissance erlebte auch Mercedes einen zweiten Frühling. SLK-Kunden waren im Durchschnitt 46 Jahre alt - ein wahrer Jungbrunnen für die Marke mit dem Stern.

"Ich bin ein kleiner Ableger vom SLR - und zeige das auch ganz stolz." (Foto: Foto: DaimlerChrysler)

Unterschätzte Jugendbewegung

Im Mercedes-Vertrieb hatte man die Jugendbewegung zunächst unterschätzt. Roadster galten Anfang der 90er Jahre noch als unpraktisch und unkomfortabel. Amerikanische Mercedes-Händler waren nur schwer vom Import des geplanten Autozwergs zu überzeugen. Dann machte James Bond den Roadster an sich zum coolen Kultgefährt - und der SLK startete mit endlosen Lieferzeiten. Insgesamt wurden mehr als 300.000 kleine Zweisitzer mit dem Stern verkauft, auch der größere SL entwickelte sich zum Dauerbrenner der Marke. Heute gehören die ganzjahrestauglichen Klappdächer zum vertrauten Straßenbild. Und mit neuen Falttechniken sind die Coupé-Cabriolets auch im Design erwachsen geworden.

Beim neuen SLK stimmen alle Proportionen, offen und geschlossen sieht er gleichermaßen verführerisch aus. Das Dach thront nicht mehr wie eine Butterdose auf einem kantigen Korpus und das Heck sieht nicht mehr wie nachträglich angebaut aus. Selbst der Kofferraum wird seinem Namen einigermaßen gerecht. Zwei kleine Bordcases und ein Faltkoffer passen knapp in die 200-Liter-Heckablage.

SLR-Anspielungen

Muskulöse Flanken und rund sieben Zentimeter mehr Länge und Breite lassen den neuen SLK durchtrainierter wirken als seinen Vorgänger. Auch die schmale Nase auf der Motorhaube streckt das Erscheinungsbild. Die Anspielung auf den Supersportwagen SLR und die Formel 1 signalisiert: In diesem Roadster steckt das Zeug zum Giftzwerg.

Nicht, dass man sich über mangelnde Manieren des neuen V6-Zylinders beklagen könnte. Bei Stadttempo ist der 200 kW (272 PS) starke Motor kaum zu hören und er gibt beim Antippen des Gaspedals nur ein kurzes Fauchen von sich. In Verbindung mit der ebenfalls neu entwickelten Siebengang-Automatik läuft der SLK 350 ohne spürbare Gangwechsel immer in angenehm niedrigen Drehzahlen. Wer sich den Kaufpreis von 45.555 Euro für diese Motor-Getriebe-Kombination leisten kann, ist äußerst kultiviert unterwegs.

Luftschal

Fehlt nur noch die Einparkhilfe Parktronic für 765 Euro, weil man das Heck nicht überschauen kann. Praktisch ist auch die neue Kopfraumheizung Airscarf (Luftschal) für 458 Euro, die den Nacken bei moderatem Tempo vor kalter Zugluft schützt. Kurz und gut: Mit einem ordentlichen Hifi-System ist man schnell 50.000 Euro los, Lederpolster nicht eingerechnet.

Dafür erlebt man allerdings ein Facelift der besonderen Art. Kurz hinter dem Ortsschild verwandelt sich der SLK 350 in einen Bürgerschreck, der vor Kraft kaum laufen kann. Der erste Zwischenspurt von 60 bis 120 km/h in 5,1 Sekunden bügelt alle Falten aus dem Gesicht. Dabei ist die 7G-Tronic erstaunliche 3,6 Sekunden schneller als das Schaltgetriebe.

Dem Rührgerät in der Mittelkonsole trauert ohnehin niemand nach: Die Gangwechsel gehen hakelig vonstatten und der 1400-Kilo-Roadster fliegt derart behände über die Straße, dass auf kurvigen Strecken ohnehin keine Zeit zum manuellen Schalten bleibt. Der Herrenfahrer oder die Dame am Volant haben anderes zu tun: Sie kramen die Rolling-Stones-CDs aus dem Handschuhfach, zurren die Lederjacke fester und pfeifen fortan auf alle Anschlusstermine.

Wer jemals am Sinn moderner Fahrwerkselektronik gezweifelt hat, wird im SLK 350 eines Besseren belehrt. Mit fröhlichem Dauerflackern begleitet die ESP-Leuchte jede Ausfahrt auf feuchter Straße. Auch auf trockenem Belag lässt sich problemlos mit dem Heck steuern. Wem das zu viel ist, sollte sich für den SLK 200 entscheiden.

Der Vierzylinder-Kompressor mit 120 kW (163 PS) verbraucht nur 8,7 Liter und ist zum Einstiegspreis von 33.524 Euro lieferbar. Nach dem Sechszylinder, der im Juni startet, stellt Mercedes im Herbst den SLK 55 AMG vor. Beim Achtzylinder mit 265 kW (360 PS) für 63.974 Euro empfiehlt sich in jedem Fall zugresistente Bekleidung. Airscarf hin oder her.

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