Mercedes-Benz C-Klasse:Der Kleine, der kein Kleiner mehr sein will

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Elegant geformt und mit beachtlichem Temperament entpuppt sich die neue C-Klasse als legitimer Konkurrent der BMW-Dreier-Baureihe

(SZ vom 03.05.2000) Es gab einmal eine Zeit - und die ist noch gar nicht so lange her - als sich das Haus Mercedes-Benz mit der völlig neuen C-Klasse ein so genanntes Einstiegsmodell schuf. Eine Entscheidung, die Ende der 70er Jahre fiel und direkt auf die amerikanische Gesetzgebung zurückzuführen war, denn die verlangte damals (wie auch noch heute) nach einem niedrigen Flottenverbrauch - und den konnten die Stuttgarter mit ihren großen E- und S-Klassen nicht erfüllen.

Doch die Zeiten haben sich geändert - und mit ihnen auch die Marke DaimlerChrysler, der nun die A-Klasse als legitimes Einstiegsmodell dienen soll (den Smart wollen wir hier außen vor lassen). Und damit hat sich auch die Positionierung der C-Klasse verändert: Sie dient heute als Durchgangsstation zwischen A- und E-Klasse - und sie dient parallel dazu natürlich auch als legitimer Ersatz für diejenigen Kunden, denen die E-Klasse eigentlich zu groß geworden ist.

Man sollte diese Vorgeschichte kennen, um die neue C-Klasse zu verstehen - denn sie unterscheidet sich von der Optik und der Präsenz her deutlich von ihren Vorgängern. Und so signalisiert sie auch bei der ersten Betrachtung klar, dass sie eben nicht mehr als Einstiegsmodell dienen soll, sondern als kleiner, legitimer Bruder der großen Baureihen. Deshalb ist es auch kein Wunder, dass sich die Baureihe 203 (so der interne Codename) rundum als intelligent verkleinerte S-Klasse gibt.

Eine klare Vorgabe, die sich bereits in der Frontpartie manifestiert, deren typische Doppelscheinwerfer - Mercedes nennt es Vieraugen-Gesicht - wir aus den größeren Modellreihen kennen - und auch beim Rest des Wagenkörpers glaubt man immer wieder, eine geschrumpfte S-Klasse vor sich zu haben. Dabei haben die Designer das Kunststück fertig gebracht, die richtigen Proportionen zu bewahren und der C-Klasse zu einem überzeugenden Auftritt zu verhelfen.

Der Platz reicht allemal

Natürlich kann die neue Baureihe im Innenraum nicht mit den größeren Modellen mithalten - es wäre allerdings auch vermessen, in einem 452 Zentimeter langen und 172 Zentimeter breiten Viertürer das opulente Platzangebot der größeren Baureihen zu erwarten. Doch für die zur Verfügung stehende Grundfläche haben die Ingenieure ein mehr als ausreichendes Platzangebot geschaffen, auf dem auch lange Insassen gut sitzen können. Was bei einer ersten Fahrt jedoch ziemlich nervte, war die viel zu tief liegende Befestigung des Gurtschlosses, das sich tief zwischen dem Sitz und der Mittelkonsole verbirgt und bei den weiblichen Insassen etliche abgebrochene Fingernägel kosten wird. Dafür begeistert der riesige glatte Kofferraum, der Unmengen von Gepäck schluckt - und nach Umlegen der Rücksitzbank auch kleinere Umzüge verkraften dürfte.

Wie wichtig diese Baureihe für das Stuttgarter Unternehmen ist, zeigt sich nicht nur an den 1,6 Millionen Exemplaren, die vom Vorläufer verkauft wurden, sondern auch an den knapp drei Milliarden Mark, die in die Entwicklung des Nachfolgers investiert wurden. Eine stolze Summe, für die die C-Klasse ein umfangreiches Paket technischer Innovationen mit auf den Weg bekommt, das es bisher in diesem Marktsegment nicht gab.

Nicht weniger als zwei eng bedruckte Blatt füllt die Liste dieser technischen Innovationen - und sie reicht vom Adaptiven Frontairbag (hier entfalten sich Fahrer- und Beifahrerairbag je nach Unfallschwere) über den Fahrlicht-Assistent (hier erkennt ein Sensor an der Frontscheibe, wenn es dunkel wird, um dann automatisch das Licht anzuschalten) bis hin zu den Window-Bags, bei denen sich beim Seitenaufprall vorhangartig von der A- bis zur C-Säule neue Luftpolster aufspannen. Nicht weniger als 37 Neuerungen vermeldet das Unternehmen - und da wundert es auch nicht, dass man stolz von einem Technologie-Transfer von der S- auf die C-Klasse spricht.

Auch dies ein Beweis dafür, dass die C-Klasse in ihrer neuesten Form eindeutig nach oben positioniert wurde. Eine Positionierung, die auch in der Motorisierung ihre Spuren hinterlassen hat. Natürlich gibt es noch den C 180 mit 95 kW oder 129 PS Leistung als Basismodell - doch man weiß genau, dass der C 200 Kompressor mit 120 kW (163 PS) zum Volumenmodell geraten wird.

Dies war auch die Variante, mit der die SZ die ersten Kilometer zurücklegen konnte - dabei erwies sich der Wagen (trotz seiner durchaus straffen Federung) als komfortabel und kommod. Dass die neue C-Klasse etwas straffer als ihre Vorgänger daherkommt, hat sicherlich auch etwas damit zu tun, dass man bei Mercedes-Benz die Konkurrenz zum Typ 203 im Münchner Großraum suchen dürfte - so klar war bislang noch kein Fahrzeug mit dem Stern in Richtung BMW positioniert.

Eine Einschätzung, die sich auch in dem agilen Fahrverhalten zeigt: Hier hat man mit großem Aufwand Achsen, Lenkung und Bremsen neu- oder weiterentwickelt - und dazu gehört auch eine neue Dreilenker-Vorderachse mit McPherson-Federbeinen sowie eine konstruktiv überarbeitete und neu abgestimmte Raumlenker-Hinterachse sowie größer dimensionierte Scheibenbremsen.

Keine Frage, Mercedes hat bei der neuen C-Klasse viel Geld dafür ausgegeben, mehr Fahrdynamik und mehr Fahrspaß zu implantieren - und dazu tragen auch die sieben neuen (oder weiterentwickelten) Triebwerke bei. Hier die vier Benzin- und drei Dieselmotoren des Typ 203:

C 180: 2,0-Liter-Vierzylinder, 95 kW (129 PS), Höchstgeschwindigkeit: 210 km/h, Null auf 100 km/h: 11,0 sec, Verbrauch: 9,3 Liter Super-Benzin auf 100 Kilometer, Preis: 49 880 Mark.

C 200 Kompressor: 2,0-Liter-Vierzylinder, 120 kW (163 PS), Spitze: 230 km/h, Null auf 100 km/h: 9,3 sec, Verbrauch: 9,5 Liter, Preis: 53 360 Mark.

C 240: 2,6-Liter-Sechszylinder, 125 kW (170 PS), Spitze: 235 km/h, Null auf 100 km/h: 9,2 sec, Verbrauch: 10,8 Liter, Preis: 62 060 Mark.

C 320: 3,2-Liter-Sechszylinder, 160 kW (218 PS), Spitze: 245 km/h, Null auf 100 km/h: 7,6 sec, Verbrauch: 10,5 Liter, Preis: 53 360 Mark.

C 200 CDI: 2,2-Liter-Vierzylinder mit Turbolader, 85 kW (115 PS), Spitze: 203 km/h, Null auf 100 km/h: 12,1 sec, Verbrauch: 6,1 Liter Diesel, Preis: 51 388 Mark.

C 220 CDI: 2,2-Liter-Vierzylinder mit Turbolader, 105 kW (143 PS), Spitze: 220 km/h, Null auf 100 km/h: 10,3 sec, Verbrauch: 6,2 Liter Diesel, Preis: 55 680 Mark.

C 270 CDI: 2,7-Liter-Fünfzylinder mit Turbolader, 125 kW (170 PS), Spitze: 230 km/h, Null auf 100 km/h: 8,9 sec, Verbrauch: 6,9 Liter Diesel. Da der C 270 CDI erst später auf den Markt kommen wird, steht der Preis noch nicht fest.

Bei dem Blick über diese Daten fallen ein paar Dinge auf: Erstens erreicht die neue Baureihe erstaunliche Höchstgeschwindigkeiten bei vergleichsweise niedrigen DIN-Verbrauchswerten - dazu trägt zweifellos der hervorragende Cw-Wert von 0. 26 einen großen Anteil bei. Und zweitens ist die neue Modellreihe erstaunlich teuer geworden - bereits für das (zugegebenermaßen gut ausgestattete) Basismodell C 180 müssen in der Ausstattungslinie Classic knapp 50 000 Mark überwiesen werden.

Wer es gerne etwas individueller hätte, kann dann (für jeweils 3480 Mark Aufpreis) zu den beiden Ausstattungslinien Elegance oder Avantgarde greifen - und dann kann die Höhe des Schecks noch mit einer zwei Seiten langen Sonderausstattungsliste weiter beeinflusst werden. So lässt sich (im Falle aller Fälle und mit einer extrem umfangreichen Ausstattung) problemlos ein C 320 für schlappe 100 000 Mark darstellen - was ein weiterer schöner Beweis für die These ist, dass die C-Klasse bei Mercedes-Benz im Begriff ist, eine völlig neue Rolle im Programm einzunehmen.

Nach den ersten Kilometern kann man Mercedes zu der neuen C-Klasse nur gratulieren - der Wagen ist mit einem riesigen ingeniösen Aufwand zu einem Referenzmodell dieser Klasse gemacht worden. Und er strotzt von intelligenten elektronischen Helferlein, die noch vor wenigen Jahren nur in den teuersten Modellen des Konzerns zu finden waren - auch dies ein Zeichen der Demokratisierung der Technik. Dass der Preis dafür deftig wird, war zu erwarten - aber es war eben schon immer etwas teurer, Mercedes-Kunde zu sein.

Von Jürgen Lewandowski

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