Lexus SC 430:Fernöstlicher Hokuspokus mit dem Dach

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Luxus für 135 000 Mark / Allerdings hätten die Notsitze einem vernünftigen Kofferraum Platz machen sollen

(SZ vom 09.06.2001) Der Mercedes-Benz SLK besitzt es. Der neue Mercedes SL bekommt es. Und auch der Lexus SC430 hat es. Die Rede ist vom Klapptop, das auf Knopfdruck aus einem Coupé ein Cabriolet macht - und umgekehrt. Was den Stuttgartern recht ist, das kommt auch bei Lexus, der Nobelmarke von Toyota, fast automatisch in die engere Wahl. Nein, das ist kein Plagiat-Vorwurf: Versenkbare Verdecke dieser Art gibt es schon seit vielen Jahrzehnten, so zum Beispiel beim erfolgreichen Ford Skyliner (1957) oder beim Peugeot 402 aus dem Jahr 1935. Ähnlich wie Mercedes treibt Lexus mit seinem Hokuspokus-Dach einen hohen konstruktiven Aufwand. Die wandlungsfähige Kopfbedeckung öffnet und schließt elektrisch, sie besitzt eine beheizbare Heckscheibe aus Glas und sie verhält sich in beiden Endstellungen absolut ruhig.

Doch selbst dieses ziemlich perfekte Dachkonzept ist noch verbesserungsfähig. Bei geöffnetem Deckel reduziert sich nämlich der Kofferraum auf Aktentaschenformat und statt der nutzlosen hinteren Notsitze hätten wir lieber ein großflächigeres Gepäckabteil oder eine Ablagefläche mit Verzurrmöglichkeit. Unaufdringlich-genial ist dagegen das zwischen den Fondkopfstützen befestigte transparente Windschott, dem es die Lexus-Besatzung zu verdanken hat, dass sie sich selbst bei Tempo180 so geborgen fühlen darf wie im Auge eines Hurrikans.

Mitten ins Herz getroffen

Manchmal ist es gut, wenn zwischen der Vorstellung und der Markteinführung eines Automobils viel Zeit vergeht, wie zum Beispiel beim SC430 - man kann sich besser an sie gewöhnen. Als das nahezu serienreife Show Car erstmals Ende 1999 auf der Tokyo Motor Show gezeigt wurde, war die Resonanz verhalten. Doch inzwischen überzeugt er mit seiner unverwechselbaren Form mit den extrem kurzen Karosserieüberhängen, den sinnlichen Rundungen, den unkonventionellen Proportionen und der geduckten Statur. Keine Frage: Der SC430 ist im Gegensatz zu den Platzhirschen sogar in Knallrot ein echter Hingucker. Absolutely red nennt Lexus diesen Farbton. Auch die Japaner können also Autos bauen, die mitten ins Herz treffen.

Zur ansprechenden äußeren Form gesellt sich eine anpassungsfähige Innenraumgestaltung. Konservative Käufer können hinter dunkel gebeiztem Holz auf tiefschwarzen oder mittelgrauen Ledersitzen Platz nehmen. Extrovertierte Kunden dürfen sandfarbene Polster mit unverschämt heller Birke oder Esche kombinieren.

Die Verarbeitung ist, wie bei Lexus üblich, für die Ewigkeit: Nichts wackelt, knarzt oder quietscht. Sehr hübsch sind auch die in der Mittelkonsole versammelten Tasten, Knöpfe und Schalter, die in Verbindung mit dem Display der Klimaanlage und dem großen Bildschirm des Navigationssystems so teuer wirken und sich so solide anfühlen wie die Bedienelemente einer High-End- Stereoanlage. Apropos Stereoanlage: Das Soundsystem - so nennt man das Autoradio in diesen Kreisen - stammt nicht von Panasonic oder Sony, sondern vom amerikanischen Klang-Guru Mark Levinson. Wie die 240-Watt-Anlage klingt? Einfach genial, und das schon bei gedämpfter Lautstärke.

Auch der 208kW (283PS) starke 4,3-Liter-Motor ist ein Ohrenschmaus. Die Besetzung der Lexus-Big-Band umfasst acht Zylinder, vier oben liegende Nockenwellen und 32Ventile. Das Ansauggeräusch ist kehlig und das Auspuffgrollen sonor. Wenn die Straße eben und trocken ist, beschleunigt der immerhin 1750Kilogramm schwere Japaner in nur 6,4 Sekunden von Null auf 100km/h. Damit schlägt er den aktuellen Mercedes SL500 um eine Zehntelsekunde. Kein Ruhmesblatt ist dagegen der Praxisverbrauch. Der SC430 genehmigte sich im Durchschnitt 16,7Liter auf 100Kilometer - eindeutig zu viel. Strafmildernd fällt allenfalls der üppige Tankinhalt von 85 Liter ins Gewicht.

Im Gegensatz zu den Rivalen aus München und Weissach, die oft auf hohe Drehzahlen angewiesen sind, schöpft der fernöstliche Achtzylinder seine Kraft aus der Tiefe des großen Hubraums. Das maximale Drehmoment von 417Nm steht schon bei 3500/min zur Verfügung, die Nennleistung wird bei einer Drehzahl von 5800/min erreicht und der rote Bereich beginnt bereits bei 6000 Touren. Gleiten statt Hetzen heißt daher die Devise des Lexus, der mit einer sanft schaltenden Fünfstufen-Automatik ausgestattet ist. Manuelle Eingriffe sind weder erforderlich noch vorgesehen: Im SC430 fehlen nicht nur Schaltwippen im Lenkrad, sondern auch eine Tipp-Shift-Funktion am Wählhebel. Ebenfalls durch Abwesenheit glänzt übrigens das anderswo längst übliche aktive Überroll- Schutzsystem.

Weil unter der Blechhaut des SC430 die Erbanlagen des GS430 stecken, ist auch das Cabrio-Coupé ein ausgesprochen fahraktives Auto. Obwohl nur 53Prozent des Gewichts auf der Vorderachse lasten, entwickelt das Heck auf kurvigen Strecken manchmal eine Eigendynamik, die eines BMW würdig wäre. Im Gegensatz zum GS, der mit einer viel zu leichtgängigen Lenkung gestraft ist, besitzt der SC einen wunderbar ausgewogenen Richtungsfinder, der genau das richtige Maß an Fahrbahnkontakt vermittelt.

Kräftige Bremsanlage

Als kongenialer Partner erweist sich die nicht zu straff abgestimmte Einzelradaufhängung. Sie sorgt in Verbindung mit den großen 18- Zoll-Rädern für eine ausgesprochen gute Straßenlage. Bestnoten verdient der Lexus darüber hinaus für die vertrauenserweckende Richtungsstabilität sowie für die kräftige und standfeste Bremsanlage. Auf der nach oben offenen Herzklopfskala bewirken diese Eigenschaften einen erhöhten Pulsschlag - und ein leicht beunruhigendes Haben-Wollen-Gefühl. Wieso beunruhigend? Weil Lexus für den Luftikus stramme 135000 Mark in Rechnung stellt.

Damit ist klar, dass dieses ab Ende August lieferbare Auto eine Ausnahmeerscheinung auf deutschen Straßen sein wird. Eigentlich schade. Denn der SC430 beweist eindrucksvoll, dass japanische Fahrzeuge nicht langweilig, passiv und vernunftbetont sein müssen. Dieser Wagen kann sich durchaus mit den besten Europäern messen - und damit ist keineswegs nur das Dachkonzept gemeint, sondern auch die stimmige Mischung aus Emotion, Agilität und Charakter.

Von Georg Kacher

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