Landrover Defender / Range Rover:Traditionelles muß nicht altmodisch sein

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Die robuste Alukarosserie des Off-Roaders mit permanenten Allradantrieb hat bis heute nichts von ihrem Charme verloren

(SZ vom 15.05.1996) Althergebrachtes, Traditionelles stößt nicht immer auf Gegenliebe. Die Feststellungen 'Der war schon immer so', oder 'Das haben wir schon immer so gemacht' hinterlassen nicht selten einen schalen, überholten Beigeschmack. Daß das eben nicht immer so sein muß, beweist ein Vehikel, das nun nach siebenjähriger Abstinenz vom deutschen Markt wieder zurückgefunden hat.

Mußten bisher die Freunde der Landies, wie sie liebevoll die Land Rover Defender nennen, auf Importeure zurückgreifen, können sie nun wieder - seit Anfang des Monats - bei den offiziellen Vertragshändlern von Rover in Deutschland ihre Bestellung dieses legendären Geländewagens aufgeben. Der Defender, der auf den früheren Land Rover 90 und 110 basiert, steht in direkter Nachfolge zum 1948 erstmals vorgestellten Ur-Land Rover. Wie schon dieser verfügt der neueste Land Rover Defender über eine Aluminiumkarosserie, die jeder modischen Strömung Stand gehalten hat. Er entwickelte sich nicht zum runden everybody's darling, er muß nicht durch gewagte Fahrkombinationen nach Aufmerksamkeit haschen, keine cw-Wert-Diskussion konnte ihn davon überzeugen, daß das eckige Eiger-Nordwand-Design schon überholt wäre.

Wie erfolgreich der Land Rover ist, beweist nicht nur, daß sich Georg VI. einen für den königlichen Einsatz bestellte, sondern auch, daß seit 1948 weltweit mehr als 1,5 Millionen Stück dieses britischen Urgesteins verkauft wurden. Von Anfang an war der Wagen bei Farmern, Förstern, Polizei und Militär beliebt. Daß bis heute davon noch rund drei Viertel im Einsatz sind, spricht für die Zähigkeit des allradgetriebenen Autos.

Tradition hin, Tradition her - auch der Land Rover mußte sich wenigstens ein bißchen den moderneren Ansprüchen des Autofahrens anpassen. Den Defender von heute, der übrigens erst seit 1990 so heißt, gibt es in Deutschland nur mit einer Motorvariante: einem 2,5-Liter-Turbodieselaggregat mit Direkteinspritzung, das 83 kW (113 PS) beim 4000/min leistet. Das maximale Drehmoment von 265 Newtonmeter liegt bei 1800/min an. Der robuste Motor, der sich mit Dieselkraftstoff begnügt - nicht nur in Ländern Asiens und Afrikas ein großer Vorteil - zieht den etwa zwei Tonnen schweren Wagen in gut 18 Sekunden zur 100-km/h-Marke und läßt ihn knapp die in Deutschland gültige Richtgeschwindigkeit erreichen.

Moderner ist auch die Technik geworden, die ihn für das Gelände uneingeschränkt tauglich macht. Die beiden Starrachsen und ein großer Anteil des restlichen Fahrwerks entsprechen einem anderen Modell aus dem Hause Rover: dem Discovery. Der Defender hat auch Anleihen bei der Bremsanlage und der Motor-Getriebe-Einheit genommen. Das Fünfgang-Getriebe ist so markig zu schalten, wie man es von einem puristischen Wagen mit permanenten Allradantrieb erwartet. Das Mitteldifferential kann gesperrt werden.

Wie geländegängig der Land Rover Defender sein kann, beweist er besonders auf Gerölluntergrund, aber auch eine Steigung von 100 Prozent - das entspricht einem 45-Grad-Winkel - packt er locker im zweiten Gang. Steinstufen klettert er wie ein Steinbock hinauf, und auch Sand und Morast bedeuten nicht wirklich ein Hindernis für ihn.

In punkto Sicherheitsausstattung darf man naturgemäß nicht die gleichen Ansprüche stellen wie an einen Edel-Off- Roader. Airbags, ABS oder elektrischer Schnickschnack werden nicht geboten - Purismus, wie er kein zweites Mal zu finden ist. Servolenkung und Scheibenbremsen gehören dafür zum Serienumfang. Mehr Auswahlmöglichkeiten hat der Käufer da schon bei der Länge des Radstandes und beim Karosserieaufbau. Angeboten werden drei Längen, von 90 über 110 bis zu 130 Inch. Als Aufbauten gibt es entweder ein Hard Top, ein Soft Top, einen Station Wagon, ein Crew Cab und sogar auch einen Pick Up.

Auch wenn sicher schon allen bekannt ist, daß nur ein Bruchteil der sogenannten Geländewagen in Deutschland überhaupt abseits der Asphaltstraßen gefahren wird, und sich immer wieder die Frage aufwirft, wofür man hier überhaupt einen Off-Road-Wagen braucht - eingefleischte Geländewagen-Fans brauchen keine Rechtfertigungsgründe. Deshalb spechtet Rover in Deutschland nicht nur auf das Potential der Förster, Landwirte und Jäger, sondern auch auf das Klientel, das zum einen ein ungewöhnliches Auto fahren will, zum anderen aber auch die Wintertauglichkeit schätzt.

In Anbetracht der Preisspanne, die von 39 450 Mark für den 90 Tdi Soft Top bis zu 49 450 Mark für den 130 Tdi Crew Cab, reicht dürften sich bei uns von nun an mehrere Autofahrer finden, die den direkten Weg zu Rover gehen und eben einmal ein Auto mit viel individuellem Charakter kaufen. Aber eines sollte jedem klar sein, der sich den Defender anschafft: Komfortables Reisen ist mit der britischen Legende nicht möglich - aber wer will das schon?

Wer weniger das wirklich Rustikale liebt, aber den Hauch von Landadel zu schätzen weiß - auch den kann Rover bedienen: mit dem RR, wie seine Freunde den Range Rover gerne nennen. Dieses mehr als zwei Tonnen schwere Gefährt verwöhnt den Fahrer mit nahezu allem erdenklichen Luxus an Bord: Klimaanlage, Ledersitze, Sitzheizung, Tempomat und CD-Player sind einige Stichworte. Als Top-Motorisierung werkelt ein V8- Motor mit 4,6 Litern Hubraum und einer Leistung von 165 kW (224 PS) recht vernehmlich unter der kantigen Motorhaube.

Damit steht Leistung im Überfluß parat, wie auch die Daten deutlich machen: Erst bei 196 Stundenkilometern gebietet der Gegenwind dem kastenförmigen Range Einhalt, der übliche Spurt von Null auf 100 km/h kann in 9,9 Sekunden durcheilt werden. Allerdings ist der RR der Freund aller Tankwarte, denn selbst bei normaler Fahrweise sind Verbrauchswerte von mehr als 20 Litern auf 100 Kilometer an der Tagesordnung - einfach kein zeitgemäßer Wert.

Besonderen Spaß hatten wir mit der Luftfederung, die die Karosserie anhebt und absenkt - je nach gefahrener Geschwindigkeit. Sie verbessert - unserem subjektiven Eindruck zufolge - vor allem auf der Autobahn die Straßenlage des Range. In der Stadt macht der kantige Brite mit dem sperrigen Preis von 113 300 Mark hingegen wenig Freude: Der Wendekreis ist einfach zu groß, und viele Parklücken müssen den Fahrern von Kleinwagen überlassen werden. Und auch die Einfahrt in ein Parkhaus kann sich zu einem Abenteuer auswachsen. Und da sind sich der Range Rover und der Defender wieder ähnlich.

Von Otto Fritscher und Marion Zellner

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