Lancia Y:Originell und eigenständig

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1996 sollen 6250 Exemplare in Deutschland verkauft werden

(SZ vom 02.12.1995) Sie gehören zu einer großen Familie, reklamieren aber energisch Eigenständigkeit. Was nach Generationenkonflikt klingt, ist in Wahrheit ein abgekartetes Spiel des Fiat-Konzerns um Markenidentität, Marktanteile und Kostenersparnis seiner zahlreichen automobilen Modellreihen. Die Konzernmutter Fiat hat zwar viele Kinder, doch keines steht ihr so nahe wie Alfa Romeo und Lancia. Fiat entscheidet in lebenswichtigen Fragen der Modellpolitik, bestückt die Autos mit Systemtechnik aus dem großen Fiat-Regal, aber läßt Alfa und Lancia die Freiheit, sich so zu kleiden, wie sie wollen. Auf der Suche nach Markenidentität entwickeln sie deshalb gerade hierfür reichlich Phantasie. Deshalb kann man heute mit Recht behaupten: Die Charakterschule des Automobildesigns liegt gegenwärtig in Italien, zweifellos bei Fiat und im Speziellen bei Alfa und Lancia.

Gemeinsame technische Basis

So macht es aus Fiat-Sicht durchaus Sinn, in überlappenden Marktsegmenten mehrere Modelle verschiedener Hausmarken anzubieten, die eine gemeinsame technische Basis besitzen dürfen, aber unbedingt eine eigene Identität ausstrahlen müssen. Jüngstes Beispiel: der neue Lancia Y als Nachfolger des mehr als zehn Jahre gebauten Lancia Y10. Bisher besetzte er die schmale Lücke zwischen Fiat Punto und Cinquecento. In neuer Version auf Basis des modifizierten Punto-Chassis öffnet er aber als luxuriöser Kleinwagen ein Segment, das es in dieser Form bisher noch nicht gab. Das liegt einerseits an seiner Originalität, andererseits aber auch an seinem umfangreichen Angebot an Sonderausstattungen und einer verschwenderischen Vielfalt von Farben.

Lancia bietet seinen ungemein schick geschnittenen Fronttriebler Y in zwei Motorvarianten an. Mit 1,2-Liter-Vierzylindermotor leistet er 44 kW (60 PS), erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h und verbraucht im ECE-Drittelmix 6,4 Liter Superbenzin. In der 1,4- Liter-Version mit zwölf Ventilen bringt er es auf 55 kW (75 PS), erreicht eine Spitzengeschwindigkeit von 168 km/h und genehmigt sich 7,0 Liter Superbenzin im ECE-Drittelmix. Beide Motoren verhelfen dem neuen Lancia Y zu angemessenen Fahrleistungen und sind im unteren bis mittleren Drehzahlbereich angenehm. Doch auch wenn die Version mit dem neu entwickelten und stärkeren 1,4-Liter-Motor agiler ist, so besteht kein überzeugender Grund, den 1,2-Liter-Motor zu verschmähen. Im Gegenteil: Kombiniert mit dem stufenlosen ECVT-Getriebe empfiehlt er sich als völlig ausreichend, besonders für Fahrten im Nahbereich.

Wie konsequent Lancia mit dem Y das Konzept vom luxuriösen Kleinwagen verfolgt, wird an den Ausstattungsmöglichkeiten deutlich. In Deutschland beginnt das Spiel mit Sonderwünschen und Zubehör in der Grundversion 1,2 LE. Sie wird voraussichtlich knapp unter 20 000 Mark kosten. Im breiten Mittelfeld stehen 1.2, 1.2 automatic und 1.4 mit LS-Paket bereit. Für etwa 23 500 Mark rundet ein 1.4 LX das Angebot nach oben ab.

Die serienmäßige Ausstattung der Spitzenversion 1.4 LX liest sich wie die Optionsliste eines Mittelklassewagens: Viersensoren-ABS von Bosch und Servolenkung sind ebenso selbstverständlich wie die Funkfernbedienung der Zentralverriegelung, höhenverstellbare Lenksäule und Fahrersitz, Nebelscheinwerfer, üppige 185/60-R-14-Bereifung, beheizte und elektrisch verstellbare Außenspiegel, Fahrerairbag und Alcantara-Sitzbezüge. Wer möchte, kann alle Versionen (außer 1.2 LE) zusätzlich zum Beifahrerairbag (200 Mark), ABS (1200 Mark) und Servolenkung (750 Mark) mit Klimaanlage, leistungsstarker und über Tasten im Lenkrad bedienbarer Audioanlage und Alarmanlage ausrüsten lassen.

Darüber hinaus halten die Fiat/Lancia- Händler bis zu 134 Positionen in einem speziellen Sonderzubehör-Katalog. Und zusätzlich zu den zwölf Grundfarben hat der Kunde gegen Aufpreis die Wahl zwischen 100 verschiedenen Pastell- und Metallic-Farblackierungen aus einer 'Kaleidos' genannten Skala.

Die offensichtlichste Veränderung des neuen Lancia Y betrifft seinen starken Auftritt. Er wuchs bei gleicher Höhe von 1,44 Meter gegenüber dem Vorgänger um 30 Zentimeter in der Länge auf 3,72 Meter und in der Breite um 18 Zentimeter auf 1,69 Meter, was uneingeschränkt der deutlich größeren Bewegungsfreiheit im Innenraum zugute kommt. Sein ausgefallenes Design mit schwungvollen Bögen, dessen Grundthema in allen Details wie Lampen, Kühlergrill und umlaufender Sicke wiederkehren, ist selten so konsequent auch im Interieur realisiert.

Vermarktung im Ausland

Abgesehen von zentral installierten Armaturen nach früher Mini-Art gelang es dem hauseigenen Centro Stile durch Themenvariation, nicht nur ausgefallene, sondern auch allerlei praktische Lösungen zu entwickeln. Eine durchgängige und großzügige Ablage vor der Windschutzscheibe ergänzt die zahllosen Fächer in Mittelkonsole und Verkleidungen.

Große Hoffnungen setzt das Fiat-Management auf die Vermarktung des Lancia Y im Ausland. Gingen vom bisherigen Y10 nur etwa 15 Prozent in den Export, so sollen es nach Cantarellas Worten künftig mindestens 30 Prozent oder jährlich 40 000 Fahrzeuge sein. Sie kommen aus dem süditalienischen Fiat-Werk in Melfi, das vor zwei Jahren mit der Fertigung des Fiat Punto begann. Die hochmoderne Anlage soll von 1996 an jährlich knapp 500 000 Fahrzeuge liefern, allein 130 000 Lancia Y.

Fiat Deutschland plant, im kommenden Jahr 6250 Lancia Y abzusetzen. Dabei rechnet Fiat-Sprecher Claus Witzeck 85 Prozent 1,2-Liter-Modelle. Im Schauraum der Händler wird der Schönling von Ende Januar 1996 an stehen, aber keinesfalls - wie gerüchteweise behauptet - nur an Kunden im feinen italienischen Zwirn abgegeben. Insbesondere qualitätsorientierte Polo-Kunden seien willkommen, sich davon zu überzeugen, daß in Italien derzeitnicht nur die schönsten Autos, sondern auch solche nach neuem Qualitätsstandard entstehen, heißt es bei Fiat in Italien.

Von Jürgen Zöllter

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