Lancia Lybra:Lieber wieder auf den Luxus setzen

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Italienisches Flair und die noble Innenausstattung sollen Lancia auf dem Sprung nach vorne helfen

(SZ vom 30.06.1999) Mama Fiat kann wieder stolz sein auf ihre sportliche Tochter: Alfa Romeo hat in Deutschland zu alter Stärke zurückgefunden, dank einer konsequent modernisierten Modellpalette und einer deutlich gesteigerten Qualität. Die Genesung schlägt sich auch in den Verkaufszahlen nieder. Nun nimmt sich die Mutter ihre andere Tochter vor: "Mit dem Lybra soll der Wiederaufschwung der Marke Lancia beginnen", sagte Roberto Testore, der Geschäftsführer von Fiat Auto, bei der Präsentation der neuen Mittelklasselimousine, die im Herbst den betagten Dedra beerben soll.

Namen statt Buchstaben

Lancia, da schwebt den Italienern das Bild vom Gran Turismo vor Augen, der gediegen und nobel, aber dennoch mit einer gewissen luxuriösen Lässigkeit auftritt. Diesen Anspruch soll der Lybra einlösen. Das erste, was bei dem Auto auffällt, ist der Name: Lancia verläßt mit ihm endgültig den Brauch, den Autos statt richtiger Namen Anfangsbuchstaben aus dem griechischen Alphabet wie Delta, Zeta und Kappa zu verpassen. Zwar klingt auch Lybra irgendwie griechisch, aber der Name ist ein Kunstwort, das in aller Herren Länder gut ausgesprochen werden kann.

Optisch soll der Lybra fortschrittliche Eleganz ausstrahlen, aber gleichzeitig die Geschichte der Marke aufgreifen. "Manchmal muß man mit der Tradition brechen, um mit ihr zu arbeiten", sagt Lancia-Chefdesigner Vernon Robinson.

Hehre Worte - was dabei herausgekommen ist, ist ein Automobil, das beim Betrachter zwiespältige Gefühle auslöst. Die Frontpartie mit den vier nun runden Scheinwerfern und dem in die Breite gezogenen Kühlergrill verleiht der 4,47 Meter langen Limousine ein einprägsames Gesicht, während das Heck seltsam belanglos wirkt. Gäbe es bei der Limousine nicht die dreieckigen Rückleuchten, könnte man glatt glauben, ein Auto wie den VW Bora vor sich stehen zu haben.

Gut gelungen ist hingegen das Styling des Kombis, der gleichzeitig mit der Stufenhecklimousine Mitte Oktober auf den deutschen Markt kommt. Das Auto wirkt wie aus einem Guß, sportlich und wohlgerundet. Lancia schätzt, daß der Station Wagon einen Anteil von bis zu einem Drittel an der Modellkreihe ausmachen wird. Im Innenraum lösen die Italiener dann ihren Anspruch auf Noblesse konsequent ein: Alcantara-Sitze, die auch bei hohen Temperaturen für Wohlbefinden sorgen, Lederapplikationen und ein fein gegliedertes Armaturenbrett, ein Cockpit mit klassischen und klar ablesbaren Instrumenten. Für diejenigen, die ihr Auto nicht wie im Schlaf kennen, gibt es erstmals innen beleuchtete Türgriffe, damit man leichter den Weg ins Bett findet. Schließlich gilt es, den Anspruch von Roberto Testore einzulösen: "Die Qualität des Lebens im Lybra soll gleich oder höher sein als zuhause. "

Aus den Regalen des Fiat-Konzerns

Nun denn, fünf Motoren stehen zur Auswahl für das rollende Wohnzimmer mit dem Lancia-Emblem, in dem man sich wirklich auf Anhieb wohlfühlen kann, auch wenn das Fahrwerk deutlich straffer abgestimmt ist als das Sofa zuhause. Die Aggregate stammen natürlich aus den Regalen des Fiat-Konzerns.

Hier die wichtigsten Daten: 1,6-Liter-Vierzylinder, 76 kW (103 PS), Höchstgeschwindigkeit 185 km/h, Beschleunigung von Null auf 100 km/h in 10,7 Sekunden, Verbrauch 8,4 Liter Super bleifrei auf 100 Kilometer; 1,8-Liter-Vierzylinder, 96 kW (131 PS), Vmax 201 km/h, Spurt in 10,3 Sekunden, Verbrauch 8,4 Liter; 2,0-Liter-Fünfzylinder, 114 kW (155 PS), Vmax 210 km/h, Spurt in 9,4 Sekunden, Verbrauch 9,9 Liter Super; 1,9-Liter-Vierzylinderturbodiesel, 77 kW (105 PS), Vmax 185 km/h, Spurt in 11,4 Sekunden, Verbrauch 5,8 Liter Diesel; 2,4-Liter-Fünfzylinderturbodiesel, 98 kW (134 PS), Vmax 200 km/h, Spurt in 9,9 Sekunden, Verbrauch 6,7 Liter Diesel.

Bei ersten, kurzen Fahrten überzeugte vor allem der kleine Dieselmotor mit großer Laufruhe - was für eine exzellente Geräuschdämmung spricht - und guter Durchzugskraft. Das Fahrwerk offenbarte sehr gutes Schluckvermögen bei Bodenunebenheiten aller Art, und selbst bei den zur Verfügung stehenden Vorserienfahrzeugen klapperte und knarzte nichts. Die Schaltung erwies sich als präzise, und der Gesamteindruck läßt sich so zusammenfassen: Dieses Auto fühlt sich gut an.

Preisniveau von rund 40 000 Mark

Über die Preisgestaltung ist noch nichts Genaues bekannt: Roberto Testore sprach von gut 40 000 Mark, bei Fiat Deutschland glaubt man, den Einstiegspreis bei rund 37 000 Mark halten zu können. Der Kombi soll rund 1000 Mark teurer sein. Es wird nur zwei Ausstattungsvarianten geben: den normalen Lybra und den mit der Zusatzbezeichnung LX. Hier wird dann Luxus wie eine nach Klimazonen getrennt regelbare Klimaautomatik mit Sonnensensor und eine Bose-Audio-Anlage mit 300 Watt zur Serienausstattung gehören.

Auf dem Weg nach oben setzt Lancia auf prominente Hilfe: Für die Werbespots hat man Harrison "Indiana Jones" Ford engagiert. Warum gerade den? "Weil er das Abenteuer sucht, aber immer wieder zurückkommt", sagt Roberto Testore. Aha. Wollen wir doch hoffen, daß der Lybra mit gleichen Qualitäten aufwarten kann und nicht einfach irgendwo in freier Wildbahn liegenbleibt. Oder die Werbeexperten sinnen nach einem einprägsamen Spruch wie "Lieber gleich Lybra".

Von Otto Fritscher

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