Lamborghini Gallardo Coupé und Murciélago LP 640 - ein Vergleich:Söhne des Stiers

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Es waren einmal zwei Brüder. Die sahen sich recht ähnlich, aber es gab auch Unterschiede. Sie hatten nämlich denselben Vater (samt Familienwappen mit einem angreifenden Stier darauf), aber zwei Mütter.

Von Andreas Schätzl

Der ältere Bruder kannte seine Mutter gar nicht, der jüngere hingegen war von seiner Mutter (die aus dem bayerischen Ingolstadt stammt) von Geburt an sorgsam aufgezogen, ja sogar ein wenig verhätschelt worden.

Im (Stern-)Zeichen des Stiers war Firmengründer Ferruccio Lamborghini geboren worden. (Foto: Foto: Lamborghini)

Vielleicht war diese Erziehung der Grund, dass er bisweilen ein bisschen rabaukig war. Lauter jedenfalls als sein älterer - und größerer und schwererer - Bruder. Der wirkte insgesamt gelassener, ruhiger. Wenigstens auf den ersten Blick.

Denn wehe, wenn er in Fahrt kam. Dann gab es kein Halten mehr, er brüllte und tobte, und nichts, aber auch gar nichts mehr war von seinen guten Manieren und seiner ursprünglichen Gemütlichkeit zu erkennen. Dann musste sogar der kleine, manchmal ein wenig großmäulige Bruder zurückstecken.

Zwei Seelen

Beide Brüder sind Autos. Der kleinere ist auf den klangvollen Namen Gallardo getauft worden, der größere heißt nicht minder wohltönend Murciélago. Der hat auch noch einen Titel aus Buchstaben und Ziffern hinter dem Vornamen, den er erhalten hatte wegen kürzlicher Runderneuerung. Auf diesen Titel ist er aber nicht übermäßig stolz, sein Vorname reicht ihm aus.

Beide Autobrüder fahren für ihr Leben gern, und zwar so, wie sie auch sonst sind: der eine ein klein wenig ruppig, mit heiserem und bisweilen dröhnendem Organ, oft mit einem bösen Bellen zwischendurch - aber vielleicht ist das nur Ausdruck von jugendlich überbordender schierer Lebenslust.

Der andere ist nun auch nicht gerade leise, aber sein Organ hörte sich voller und auch wandlungsfähiger an. Und genau so bewegt er sich auch: irgendwie unauffälliger, elastischer, weniger kantig, auch ein wenig eleganter.

Wehe, wenn er losgelassen

Bis zu einem gewissen Tempo. Danach wird Murciélago, wie wir es schon vernommen haben, richtig wild. Bisweilen auch böse. Dann verlangt er auch von seinem Dompteur / Fahrer viel mehr als Brüderchen Gallardo, dem zum Beispiel die Gnade des späten ESP zuteil geworden war. M. muss mit TCS vorlieb nehmen, dem Traction Control System. Vater und Mutter hatten ESP noch nicht in ihren Genen gehabt, damals, in den Neunzigern, als man sich über Nachwuchs M. Gedanken gemacht hatte. M. neigt dann schon mal zu gewissen Ungebärdigkeiten, vor allem hinten rum.

Und M. ist wie gesagt auch schwerer. Besonders in Kurven natürlich merkt man das, ebenso seine Körpergröße. Deshalb hat man ihm auch vorne relativ (!) schmale Reifen verpasst, damit er stets schön die Kontrolle behält. (Weil er älter ist, muss er sich zudem mit etwas kleineren Raddurchmessern als G. abfinden.)

G. hat einen Hang zum Gebirge. Er fühlt sich wohl auf bergigen Routen, in scharfen Kurven, fiesen Harrnadelkehren. Kein Wunder: Er ist ja auch ein richtig Kompakter, gerade mal 430 Zentimeter lang, einsneunzig breit und mit seinem Aluminiumrahmen und -kleid unter 1600 Kilogramm schwer. Auch sein Zehnzylinder-Motor baut eher leicht. Mit seinem permanenten Allradantrieb ist er allerdings auch auf der Rennstrecke überaus gut zu Hause.

Die große Differenz

M. mag die Berge schon auch, und den Rundkurs verschmäht er - mit adaptiven Stoßdämpfern und ebenfalls mit Quattro-Antrieb ausgestattet - keineswegs, so er denn von ihm gerufen wird, aber am liebsten sind ihm große freie Straßen mit langen Kurven, vor allem halt die Autobahn. M. ist auch richtig schnell, mehr als 340 km/h, sagen seine Schöpfer. Das mag stimmen, denn schon sein um 60 PS "schwächerer" Vorgänger war höllisch fix. Damit er auch wieder ordentlich runterkommt, lässt sich M. bei Bedarf mit Karbon-Keramikbremsen adoptieren - für noch einmal viel Geld.

Und so passen die beiden Brüder bei allen Unterschieden doch wieder recht gut zusammen, ergänzen sich. Bis auf eine Differenz: M. ist nur für sehr viel mehr Geld zu haben als G. Mindestens 250.000 Euro kostet er seinen Besitzer, rund 100.000 mehr als G.

Und damit wird auch eines klar: Wer G. erwerben will, der schaut - trotz allem - noch aufs Geld. M-Habenwoller tun das kaum. Fein, dass die Eltern zwei so unterschiedliche und doch sichtbar verwandte Söhne haben.

Technische Daten auf der folgenden Seite

Technische Daten (alles Werksangaben):

Gallardo Coupé:

Aluminium-Rahmen (Space Frame) und -Karosserie mit Kunststoffteilen

10-Zylinder-V-Motor (90 Grad), 4961 ccm Hubraum, Verdichtung 11:1, 382 kW / 520 PS bei 8000 U/min, 510 Nm Drehmonent bei 4250 U/min

L x B x H: 430 x 190 x 118,4 cm, Radstand 256 cm, Leergewicht (ohne Benzin) 1430 kg

0 - 100 km/h: 4,2 sec., 0 - 1000 m: 22,3 sec., 315 km/h

Murciélago LP 640 (Coupé):

Rahmen und Karosserie: Stahl-Gitterrohr-Rahmen mit Strukturteilen in Karbon-Fiber, Karbon-Fiber-Karosserie mit Türen und Dach aus Stahl, nach oben öffnende Türen

12-Zylinder-V-Motor (60 Grad), 6496 ccm, Verdichtung 11:1, 471 kW / 640 PS bei 8000 U/min, 660 Nm bei 6000 U/min

L x B x H: 461 x 205,8 x 113,5 cm, Radstand 266,5 cm, Leergewicht (ohne Benzin) 1665 kg

0 - 100 km/h: 3,4 sec., 340 km/h

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