Jubiläum: Zehn Jahre Smart:Smarte Chance

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Zehn Jahre lang schleuderte der Daimler-Kleinwagen auf der Schlagloch-Strecke. Jetzt wird er zum Hoffnungsträger.

Dagmar Deckstein

Wohl kaum ein anderes Auto hat in zehn Jahren eine größere Holperstrecke zurückgelegt als der Smart, dessen erste Exemplare 1998 im französischen Hambach vom Band rollten. Jahrelang ein Problemkind, entwickelt sich die Kleinwagenmarke von Mercedes erst jetzt, ein Jahrzehnt später, langsam zum Erfolgsmodell und Hoffnungsträger.

Vor kurzem galten sie noch als Flop, heute sind sie sehr begehrt: die Smarts (Foto: Foto: oh)

Es war der Erfinder der bunten Swatch-Uhren, Nicolas G. Hayek, der die Idee für die damals noch "City Coupé" genannte Vision vom kleinen und vor allem günstigen Auto-Winzling ausheckte und mit Daimler-Benz zusammen verwirklichte. Bereits 1994 wurde im schweizerischen Biel die Micro Compact Car AG gegründet, Tochter von Daimler-Benz und Hayeks Swatch-Gruppe. Hayek verkaufte allerdings im November 1998 seine Anteile an Daimler, weil er sich nicht weiter an den Entwicklungskosten beteiligen wollte.

Er störte sich an der Mercedes-Mentalität, mit der die Partner zu Werke gingen: "Hier bei uns wird jeder Pfennig zweimal umgedreht, bevor wir ihn ausgeben. Bei Mercedes war das nicht der Fall", sagte Hayek später. Das Swatchmobil habe ein umweltfreundlicher, preisgünstiger Kleinwagen mit Hybridantrieb werden sollen, "aber nun haben sie eine lächerliche kleine Version von Mercedes daraus gemacht", schimpfte der Visionär vor zwei Jahren in der Neuen Zürcher Zeitung.

Der Smart - ein Vehikel für zwei Leute und eine Kiste Bier - kam zwar als knuffig und kultig ganz gut an, aber mehr als eine winzige Nische besetzte er nie. Im Laufe der vergangenen zehn Jahre wurden 900.000 Smarts verkauft, die in 37 Ländern der Welt herumfahren. Auch wer zu früh kommt, den bestraft das Leben. Erst jetzt, angesichts schwindelerregender Spritpreise, der CO2-Debatte und immer größerer Parkplatznöte in den Metropolen scheint sich die Kundschaft so recht für den Kleinwagen erwärmen zu können. Als weltweiten CO2-Champion etwa preist Daimler die Dieselvariante der 2007 eingeführten zweiten Smart-Generation, die mit 3,3 Liter auf hundert Kilometern auskommt und gerade einmal 88 Gramm CO2 ausstößt.

So steigen die Verkaufszahlen kontinuierlich an. 2007, mit Einführung der zweiten Generation, wurden bereits knapp 100.000 Zweisitzer an Mann und Frau gebracht, dieses Jahr rechnet der Autokonzern mit 130.000 verkauften Exemplaren. Vor allem in den USA, wo der Smart seit Anfang dieses Jahres zu haben ist, verkauft er sich wie geschnitten Brot.

Smart in San Francisco
:Unter kalifornischer Sonne

Wir haben den Smart auf den ersten Kilometern in seiner neuen Heimat begleitet.

Der Fortwo nimmt sich zwar immer noch etwas seltsam aus im amerikanischen Straßenbild, aber bisher verkaufte Daimler mehr als 12.000 Exemplare. Die Nachfrage ist so groß, dass jeder Interessent ein Jahr auf sein Kleinauto warten muss. Andererseits steht er jenseits des Atlantiks schon im Museum, als einziges noch produziertes Auto schaffte es der Vorläufer "City Coupé" ins New Yorker Museum of Modern Art.

Der Begriff "Art" - Kunst - steckt auch im Namen Smart, der sich aus Swatch, Mercedes und Art zusammensetzt. Eine vordem von Daimler nicht beherrschte Kunst aber war es auch, mit der Kleinwagenmarke Gewinne einzufahren. Das gelang erstmals im vergangenen Jahr. Davor aber sah es lange Jahre so aus, als habe sich der Autokonzern nicht nur mit Chrysler, sondern auch mit Smart einen Klotz ans Bein gebunden.

2005 begann dann das große Aufräumen. Für 1,1 Milliarden Euro wurde im Frühjahr ein Sanierungsprogramm aufgelegt, das 600 Stellen in der Böblinger Smart-Zentrale kostete. Die Smart GmbH wurde Ende 2006 aufgelöst, die Kleinwagenmarke in den Konzern sowie das viel zu kleine und zu teure Vertriebsnetz ins Mercedes-Händlernetz integriert.

Zwischenzeitlich hatte der seit 2006 amtierende Daimler-Chef Dieter Zetsche auch erwogen, Smart ganz zu verkaufen. Allein, es fand sich kein Interessent. Unter keinem guten Stern stand von Anfang an das Konzept, dem knuffigen Zweisitzer weitere Fahrzeugkonzepte an die Seite zu stellen. 2003 kam der Smart Roadster nebst einem Coupé, 2004 der Viersitzer Forfour auf den Markt. Die Verkaufszahlen waren aber so kläglich, dass diese Varianten 2006 wieder eingestampft wurden und der bereits geplante Smart-Geländewagen gar nicht erst auf den Markt rollte. Dies alles, damit Smart 2007 endlich schwarze Zahlen schrieb.

Banker schätzen, dass der Autokonzern mit Smart inklusive Anlaufkosten alles in allem acht Milliarden Euro verbrannt hat. Dafür sieht die Zukunft viel freundlicher aus. Nach dem geglückten USA-Start soll der Flitzer 2009 auch in China zu haben sein, und 2010 kommt der Smart dann in einer Version, die auch Vordenker Hayek von Anfang an vorgeschwebt hatte: der E-Smart mit Elektromotor.

Zum Zehnjährigen ist am 3. September erst einmal großer Bahnhof in "Smartville", im elsässischen Hambach angesagt. Zur Feier im Produktionswerk reist auch Dieter Zetsche an, nicht nur Konzernchef, sondern zugleich Vorstand der Mercedes-Car-Group. Unter seinen Augen soll an diesem Tag der einmillionste Smart vom Band laufen. Kürzlich erst sagte Zetsche: "Wenn wir den Smart nicht vor zehn Jahren erfunden hätten, müssten wir ihn heute erfinden." Das hätte angesichts der Dezenniums-Bilanz am Ende auch noch gereicht.

© SZ vom 30.08.2008/gf - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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