Jaguar XKR:Eine reinrassige Rennkatze

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Jedes dritte Exemplar soll nach Deutschland verkauft werden

(SZ vom 17.06.1998) Wir erlauben uns, Ihnen heute ein Auto für 141 200 Mark vorzustellen. Zu teuer? Im Gegenteil. Schließlich kostet der Jaguar XKR mit Kompressormotor ausstattungsbereinigt nur rund 11 000 Mark mehr als der 57 kW (77 PS) schwächere XK8. Und wer in Zuffenhausen oder Maranello einen Sportwagen mit ähnlich überlegenen Fahrleistungen bestellt, der muß noch viel tiefer in die Tasche greifen. Zumindest relativ betrachtet ist der XKR daher ein echtes Sonderangebot unter den Hochleistungsautos. Als Alternative zum Coupé liefert Jaguar den 2+2-Sitzer auch als Cabriolet, für das ein Mehrpreis von 15 100 Mark in Rechnung gestellt wird.

Auf Wunsch ein braver Schnurrer

Der schnarrende Tonfall des Kompressormotors ist zwar kaum aufregender als das Wort zum Sonntag, aber hinter dem verhaltenen Fauchen steckt die geballte Kraft aus acht Zylindern und das Drehmoment einer Dampfmaschine. Die 505 Newtonmeter würden beim Ampelstart am liebsten Zöpfe in die Antriebswellen flechten, doch die (abschaltbare) Traktionskontrolle macht aus der Raubkatze auf Wunsch einen braven Schnurrer, der vor allem durch die stolze Haltung und den edlen Gang auffällt.

Von außen erkennt man den XKR an zwei ovalen Lufteinlässen in der Motorhaube, am Maschendrahtgrill aus poliertem Edelstahl, an den wuchtigen 18-Zoll-Felgen und an der unvermeidlichen Spoilerlippe. Innen blieb alles beim alten: ziemlich eng, sehr englisch und fast so nobel wie daheim bei der Queen.

Zwischen den Schenkeln des kompakten V8 kauert im XKR ein wummernder und wabernder, doppelt ladeluftgekühlter Kompressor, der den 4,0-Liter-Motor zu einer Nennleistung von 267 kW (363 PS) animiert. Eine von Mercedes zugekaufte Fünf-Gang-Automatik portioniert das bei 3600/min anliegende Drehmoment in praxisgerechte Happen.

Das letzte Glied in der Kette der hektischen Kraftübertragung sind weiterentwickelte 18-Zöller vom Typ Pirelli P Zero. Während an der Hinterhand Gummiwalzen mit asymmetrischem Profil (255/45 ZR 18) zum Einsatz kommen, sind die Vorderpfoten mit etwas schmäleren, laufrichtungsgebundenen Pneus besohlt (245/45 ZR 18). Der Effekt ist eine ausgesprochen erdverbundene Straßenlage, die im Grenzbereich allen physikalischen Gesetzmäßigkeiten zu trotzen scheint. Tolle Traktion und ein phänomenaler Nässegriff komplettieren das Aha-Erlebnis.

Obwohl das Leergewicht von 1715 Kilogramm eher auf einen satten Kaminkater schließen läßt, entpuppt sich der XKR als reinrassige Rennkatze. Das nicht sonderlich windschnittige Coupé (Cw = 0. 37) beschleunigt in nur 5,4 Sekunden von Null auf 100 km/h. Bei 250 km/h, lange bevor im großen Gang die Höchstdrehzahl von 6150/min erreicht ist, wird abgeriegelt. Der Verbrauch liegt im EU-Zyklus bei 12,2 Litern auf 100 Kilometer, aber wer mit dem XKR auf Mäusejagd geht, sollte mindestens 16 Liter einkalkulieren.

Der aufregend schöne Jaguar mit dem großen, künstlich beatmeten Herzen ist kein oberflächlicher Boulevardier, sondern ein echter Sportwagen. Das elektronische Dämpfersystem CATS (ein hübsches Kürzel, nicht wahr?) hält souverän das Gleichgewicht zwischen ordentlichem Komfort, eindeutigem Handling und tadelloser Stabilität. Neu und von Anschlag zu Anschlag voll überzeugend ist die tempoabhängige Lenkung Servotronic II, die dank steiferer Kennung mehr Präzision und eine bessere Rückmeldung vermittelt.

Jaguar schärft die Krallen

Nahezu unverändert und der 28prozentigen Mehrleistung leider kaum gewachsen ist dagegen die Bremsanlage. Die Dosierbarkeit läßt zu wünschen übrig, der erforderliche Pedaldruck ist vor allem bei kalten Scheiben viel zu hoch, und die verfügbare Verzögerung steht in einem Mißverhältnis zu den Fahrleistungen. Die gute Nachricht: Jaguar hat den Mangel bei der Bremsanalage erkannt und wird der Katze zum Modelljahr 1999 die Krallen schärfen.

Der XKR ist kein minimalistischer Hartmacher, sondern ein Kraft-Wagen mit Verwöhnaroma, bei dem Leder und Holz, Klimaanlage und Automatik, Radio und elektrisch verstellbare Sitze serienmäßig vorhanden sind. Trotz Maximalausstattung und sattem Leistungsplus rechnet der Hersteller damit, daß nur jedes zehnte XK-Modell mit Kompressormotor geordert wird. Dafür soll jeder dritte XKR allerdings nach Deutschland exportiert werden, denn nur bei uns darf die Katze noch nach Herzenslust mausen.

Von Georg Kacher

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