IAA:Tanz ums vierrädrige Goldkalb

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Unter den Automobilmessen der Welt spielt die IAA in Frankfurt eine Sonderrolle.

Georg Kacher

(SZ vom 11.9.01) - Lichtdurchflutete Stadien, abgedunkelte Arenen - in Frankfurt am Main wird mit viel Pomp und noch mehr Phon der Tanz ums goldene Kalb zelebriert. Da kann keine andere Automobilausstellung mithalten - 1.100 Aussteller aus 37 Ländern auf 235.000 Quadratmetern Fläche. Doch Größe ist nicht unbedingt gleichbedeutend mit Qualität. Was die IAA so stark macht, ist die hochkarätige Besetzung. Hier stellt aus, wer Rang und Namen hat. Nicht nur Automarken vom Branchenriesen bis zum Kleinserienhersteller, sondern auch Zulieferer, Tuningfirmen, Ingenieurbüros, Designstudios, Markenclubs, Verbände, Spezialbetriebe und die stetig wachsende Schar der automobilen dot.com-Unternehmen.

Noch sind die Schuckstücke verhüllt. Doch schon bald werden die Schleier gelüftet. (Foto: N/A)

Im Gegensatz zu reinen Publikumsmessen wie Genf oder Detroit treffen sich in Frankfurt Fans und Fachbesucher. Die Dichte des Angebots offenbart freilich auch ihre Kehrseite: Nirgendwo sind die Wege länger, die Hallen voller und die Strukturen verschachtelter als auf der IAA. Wer hier viel sehen und erleben will, braucht gutes Schuhwerk, gute Kondition und ein gutes Deo.

Klotzen statt Kleckern

Die IAA folgt dem Prinzip der Zwei-Klassen-Gesellschaft. Das Sagen zwischen Europa-Boulevard und Theodor-Heuss-Allee haben ganz klar die deutschen Hersteller - allen voran DaimlerChrysler und VW. Klotzen statt Kleckern heißt die Devise der Platzhirsche, die mit auffälliger Architektur, aufwändiger Elektronik und zweistelligen Millionenbeträgen in eigens umgebauten Ausstellungstempeln ihr Markenimage aufpolieren wollen.

Die Importeure müssen sich dagegen mit weniger als der Hälfte der Ausstellungsfläche zufrieden geben, und die Zulieferer sind als komplementäre Farbtupfer nach dem Zufallsprinzip über das Gelände verteilt.

Doch der Trend zu immer mehr Größe und zu immer neuen Superlativen birgt auch Nachteile. Dazu gehören das lange Warten auf die meist überfüllten Shuttlebusse, die vor allem am Nachmittag unerträglichen Temperaturen in den Hallen und die weit verstreuten Konferenzräume - ganz zu schweigen von Lästigkeiten wie dem notorischen Mangel an Taxis und den horrenden Hotelpreisen.

Alle zwei Jahre wieder

Außerdem leistet sich die IAA im Gegensatz zu Genf und Detroit den Luxus, nur alle zwei Jahre stattzufinden, und das auch noch im gleichen Turnus wie die Motorschau von Tokio. Da Paris und Birmingham ebenfalls alternierend jede zweite Saison aussetzen, drängt sich die Frage auf, ob die Zeit nicht endlich reif ist für eine alljährliche große europäische Herbstmesse - eben in Frankfurt.

Eine schlankere und effizientere IAA im Herbst wäre ein perfekter Kontrapunkt zum Frühjahrsgeschäft, denn schließlich setzt die Neuheitenflut traditionell bereits direkt nach den Werksferien ein.

Der automobile Messekalender beginnt in der zweiten Januarwoche im kalten und verschneiten Michigan. Fast zeitgleich mit der Ausstellung in Los Angeles steht die Detroit Auto Show mit zuletzt immerhin 770.000 Zuschauern auf dem Programm.

Der Saisonauftakt in Motown dient nicht nur als Stimmungsbarometer für die amerikanische Autoindustrie, sondern auch als wichtige Bühne für die Europäer und die Asiaten, die auf dem größten Markt der Welt zeigen wollen, wie sie sich auf das Auto-Jahr vorbereitet haben.

Genf intim

Zwei Monate später ist Genf an der Reihe: intim, frühlingshaft freundlich, überschaubar auf 90.000 Quadratmetern. Hier geben traditionell die Marken der alten Welt den Ton an, hier werden die Weichen für das wichtige Frühjahrsgeschäft gestellt, hier gestatten überdurchschnittlich viele Show Cars einen Blick auf die Modelle von übermorgen.

Ebenso wie Detroit, Genf und Frankfurt spielt auch die Tokio Motor Show, die jeden zweiten Oktober stattfindet, in der ersten Liga. Nicht nur, dass sie mit 1,4 Millionen Besuchern traditionell einen Rekordandrang zu vermelden hat. Auf dem Messegelände vor den Toren der Stadt brennen vor allem die einheimischen Hersteller ein wahres Neuheiten-Feuerwerk ab.

Die Konzeptfahrzeuge und die Technologie-Exponate unterstreichen die Kreativität und die Risikofreudigkeit der Japaner.

Benzingeruch weht um die Nase

Eher von regionaler Bedeutung sind die alternierend abgehaltenen Automessen in Shanghai und Peking sowie die Ausstellung in Seoul, deren Schicksal eng mit dem finanziellen Wohlbefinden der einheimischen Industrie verknüpft ist.

Auch drei kleinere europäische Autosalons sind fast immer eine Reise wert: die Frühjahrsmesse in Turin (Spezialität: italienische Designstudien), die "Mondial" in Paris (hier schlägt die große Stunde der französischen Marken) und die British Motor Show im meist verregneten Birmingham (ein Heimspiel für Ford, Vauxhall, Rover und englische Kleinserienhersteller).

Doch was die Besucherzahl und die internationale Bedeutung angeht, ist und bleibt die IAA die unumstrittene Nummer Eins. Nach Frankfurt kommt man nicht nur wegen der Hardware, sondern auch und vor allem wegen der Menschen, der Gespräche und der Kontakte.

Hier liegt Benzingeruch in der Luft, hier darf geträumt werden, hier wird dem Auto ganz freiwillig jener Platz eingeräumt, den es sich draußen auf der Straße Tag für Tag aufs Neue erkämpfen muss.

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