IAA 2007:Grün ist die Hoffnung

Lesezeit: 3 min

Viele Autos, die unter dem Öko-Fähnchen zu besichtigen sind, brauchen noch Jahre bis zur Serienreife. Der Hype um PS-Protze ist dafür ungebrochen: Je mehr Pferdestärken, desto mehr Neugierige finden sich ein.

Von Karl-Heinz Büschemann

Es gibt noch Zonen auf der Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt, in denen das Klima kein Thema ist. Und das auf der IAA, die nach der aufgeregten weltweiten Diskussion über den Schutz der Atmosphäre versprochen hatte, sich umweltfreundlich zu zeigen.

Audi-Chef Rupert Stadler hält sich mit der Öko-Debatte nicht lange auf. Er stellte am Dienstag zwei neue Modelle vor: den A4, das Brot-und Butter-Auto der Ingolstädter Marke, der für die nächsten sechs Jahre der größte Umsatzbringer sein wird. Und den RS6, ein Geschoss, das aussieht wie eine Kreuzung aus Coupé und Kombi und 580 PS zu bieten hat. "Dieses Auto fährt auch in der Steilkurve sicher wie auf Schienen", schwärmt der Unternehmenschef vor Hunderten von Journalisten und ein paar Ehrengästen, zu denen auch der frühere Rennfahrer Jacky Ickx zählten.

Ist das die IAA, von der die Fernsehsender beim Frühstück aufgeregt behauptet hatten, sie präsentiere sich in diesem Jahr besonders grün, ja die ganze Autobranche sei unter die Räder der Kritiker gekommen, weil sie so wenig klimafreundliche Autos baue?

Erst einmal ist die IAA die Messe der Staus. Wer zur Autoschau mitten in Frankfurt mit dem Auto anreist, hat kaum Chancen, zur Verabredung auf einem Messestand pünktlich zu sein. Die IAA ist ein Ort zur Besichtigung der Grenzen der Mobilität.

Das Grün auf der Messe hält sich in Grenzen, allenfalls ist es die Hoffnung. Viele Autos, die unter dem Öko-Fähnchen auf den Ständen zu besichtigen sind, brauchen noch Jahre bis auf die Straße. "Dieses ist die Messe der Versprechungen", sagt der Aufsichtsrat eines Autoherstellers. Da ist zum Beispiel der Geländewagen ML 450 von Mercedes, der in Halle eins zu sehen ist. Er kommt vor 2009 nicht in den Verkehr. Oder der Porsche Cayenne. Der braucht bis 2010.

Armada von Müsli-Autos

Grün ist auf dieser Messe auch ein wenig grau. Bei VW zum Beispiel stehen zahllose Polos, Golfs oder Passats unter dem Titel "Blue Motion". Sie verkörpern die Armada von sparsamen Dieselautos des Wolfsburger Unternehmens. Auf den Kennzeichen ist der Typ genannt und der Kohlendioxidausstoß. Aber sie wirken trist. Sind das vielleicht die "Müsli-Autos", von denen der neue Automobilverbandspräsident Matthias Wissmann sagt, die wollten die Menschen nicht kaufen.

VW lässt keinen Zweifel daran, welche Autos im Konzern den höchsten Stellenwert haben. Sie stehen erhöht hinten auf dem Stand, wo sie alles überragen: Vier Tuareg-Geländewagen, von denen einer zehn Zylinder hat und ungefähr 300 PS und zwei schwarze Phaetons. Auf deren Kennzeichen ist kein Kohlendioxidausstoß vermerkt.

Besuch am Toyota-Stand. Hier müsste doch jede Menge Betrieb sein, schließlich hat das japanische Unternehmen vor zehn Jahren den ersten Hybridmotor auf den Markt gebracht. Die deutschen Autohersteller haben damals über diese Mischung aus Elektromotor und Dieselmotor gelacht, die den Spritverbrauch reduziert, weil im Stadtverkehr der Verbrennungsmotor dem Elektroantrieb den Vortritt lässt.

Da steht der berühmte "Prius". Aber das keilförmige Auto ist keineswegs von Kameras umringt. Der kleine Stand ist leer. Das grelle Hellblau dieses Pioniers lädt zum Weggucken ein und auch die eifrigen Toyota-Standarbeiter scheinen diese Meinung zu teilen. Sie polieren an diesem Vormittag mit viel Liebe den schwarzen RAV 4 Geländewagen, der in Europa den Mercedes-SUVs Konkurrenz machen soll.

Wesentlich mehr Leute stehen am Nachbarstand. Dort präsentiert die Toyota-Tochter Lexus ihren fetten Geländewagen mit Hybridantrieb, der den Spritverbrauch des Zweitonners auf unter zehn Liter bringt. Noch immer haben die großen Vehikel auf das Publikum die größte Faszination. So ist es auf allen Ständen: Je mehr PS, desto mehr Neugierige finden sich ein.

So ähnlich ist es ja auch im richtigen Leben. Noch immer verkaufen sich Image- und Protzautos besser als Öko-Vehikel. Die gelten als Spielverderber im täglichen Wettrennen auf der Autobahn. Die Autoindustrie müsste noch viele Millionen für Werbung und PR ausgeben, um den Spritsparern dasselbe Image zu geben, wie es heute noch die Raser für sich in Anspruch nehmen.

Zwischen zwei Stühlen

Scheinbar weiß die Autoindustrie noch nicht, ob sie grün werden oder lieber bleiben will, wie sie ist. Wie bei BMW. Um den großen weißen Pavillon des Münchner Autokonzerns sind BMW-Wasserstoffautos auf Probefahrten unterwegs. Doch drinnen werden PS-Protze vorgestellt wie der M3 mit 507 PS. "Wir haben beides im Blick, die Umwelt und den Kunden", sagt Unternehmenschef Norbert Reithofer.

Es ist im Prinzip so wie früher. Bei Opel sogar noch ein wenig mehr. Die Rüsselsheimer Tochter von General Motors hat am Montagabend ein Elektroauto vorgestellt, ausgestattet mit modernstem Design. Auf dem Stand aber ist es so wie damals in den siebziger Jahren, als Autos noch mit Sex-Appeal verkauft wurden. Das war lange verpönt. Jetzt sollen atemberaubend schlanke Lächel-Models den Astras oder Tigras zu neuem Ansehen verhelfen. Fast ist alles normal.

© SZ vom 12.9.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: