Honda S 2000:Ein Geburtstagsgeschenk zum Fahren

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Mit einem 2-Liter-Motor, der 240 PS leistet und bis 9000/min dreht, ist der Weg zum Go-Cart für die Straße nicht mehr weit

(SZ vom 29.05.1999) Über viele Jahre und Jahrzehnte hinweg war Nobuhiko Kawamoto das technische Gewissen des Hauses Honda. Während seiner glanzvollen Karriere mutierte Kawamoto-san vom jungen Ingenieur in der Rennabteilung zum Vorstandsvorsitzendes eines weltweit operierenden Konzerns, der mittlerweile mehr als 75 Prozent seiner Produktionsstätten außerhalb von Japan liegen hat - und er bewahrte sich bei seiner beeindruckenden Karriere ein hohes Maß an Leidenschaft für das Automobil.

So wunderten sich die Betrachter auch nicht weiter, als Kawamoto vor vier Jahren auf der Tokyo Motorshow eine Roadster-Studie präsentierte, die mit ihrer Keilform und den dicken Auspuffrohren an ein attraktiv verpacktes Go-Cart für die Straße erinnerte. Natürlich war allen Beteiligten klar, daß der SSM (Sports Study Model) eines Tages auch bei den Händlern das hohe Lied von der ungebrochenen Lust an technisch innovativen Lösungen anstimmen würde.

Doch die Transformation vom SSM zum S 2000 dauerte länger (vier statt zwei Jahre) und bewirkte mehr Veränderungen, als geplant. So wuchs das Gewicht von 1100 auf 1260 Kilogramm - während der Preis, der damals unter 40 000 Mark liegen sollte, sich nun bei 60 000 bis 65 000 Mark einpendeln dürfte (die genauen Preise werden erst bei der Markteinführung im September bekannt gegeben).

Die größte Veränderung fand aber unter der Aluminium-Motorhaube statt: Aus dem ursprünglich eingebauten Fünf- und dem später angedachten Sechszylinder wurde letztlich ein 2,0-Liter-Vierzylinder - hier lockte das geringere Gewicht des Vierzylinders, der so seinen Teil zur Agilität beitrug. Der andere Teil der Agilität beruht auf der Leistung und der Drehfreudigkeit dieses Triebwerks, das seine maximale Leistung von 176 kW oder 240 PS erst bei 8300/min zur Verfügung stellt und dessen Drehzahlbegrenzer erst bei 9000/min seine Arbeit aufnimmt. Und auch das maximale Drehmoment von 208 Nm steht erst bei 7500/min parat - also bei Drehzahlen, bei denen andere Triebwerken bereits nach kostenintensiven Generalüberholungen verlangen.

Ein Präzisionsmotor, der von der Rennleidenschaft des Hauses Honda erzählt - und den Nobuhiko Kawamoto auch als Herz des Geschenks zum 50. Geburtstag des Unternehmens, der im vergangenen Herbst gefeiert wurde, sieht: "Wir brauchten wieder einmal - neben der Vernunft, die heute unser Handeln bestimmt - auch etwas für die Seele und die Emotionen in unserem Modellprogramm. "

So geriet der S 2000 zu einem wahrhaft emotionalen Gefährt, bereits mit seiner Keilform, den mächtigen Kotflügelverbreiterungen und den aggressiv gestylten Scheinwerfern für einen hohen Aufmerksamkeitswert sorgt. Trotz der beachtlichen Dimensionen (Länge: 4,14 Meter / Breite: 1,75 Meter / Höhe: 1,28 Meter bei geschlossenem Verdeck) sieht der S 2000 auf der Straße nahezu zierlich aus - ein Eindruck, der sich in dem engem Cockpit fortsetzt, denn hier fühlen sich eher die schlanken Söhne Nippons als die gestandenen Männer der westlichen Hemisphäre wirklich wohl.

Zwar kann man auch noch mit 1,90 Meter Länge Platz und Raum finden, doch der Zugriff und der Blick auf die sehr filigranen Bedienungsinstrumente und das (zu) kleine digitale Instrumentenpanel bedürfen dann schon einer gewissen Übung und Fingerfertigkeit. Dazu haben die Designer auch - abgesehen von zwei kleinen Fächern in den Türen - großzügig auf jegliche Ablagemöglichkeiten oder ein Handschuhfach verzichtet.

Da die Techniker den Vierzylinder hinter der Vorderachse montiert haben, verfügt der S 2000 über eine ausgewogene Achslastverteilung von 50 zu 50 Prozent zwischen Vorder- und Hinterachse. Das prädestiniert den Roadster zusammen mit dem aufwendigen Fahrwerk (aus dem Rennsport abgeleitet und für die Straße domestiziert) zu einem außergewöhnlich agilen Fahrverhalten, das - zusammen mit den 240 PS - rasch den Wunsch aufkommen läßt, den S 2000 einmal auf einer abgesperrten Strecke an seine Grenzen zu führen. Denn auf normalen Straßen gelingt es nur bei strikter Verletzung sämtlicher Geschwindigkeitsbegrenzungen, sich an die Bereiche heranzutasten, in denen quietschende Reifen und ein heftiges Untersteuern das Ende der Haftung anzukündigen beginnen. Daß sich diese Qualitäten ohne Knarzen und Klappern zeigen, spricht für die Torsionssteifigkeit und die Verarbeitungsqualität der Karosserie.

Was ist der Honda S 2000 denn nun für ein Auto? Ist es wirklich der Konkurrent zum Porsche Boxster, als den man ihn gerne sehen würde? Wohl eher nein - denn da fehlen nicht nur zwei zusätzliche Zylinder und der Porsche-Sound, denn die Japaner haben ihr Modell als konsequente Fahrmaschine ausgelegt, mit der man sich (immer im Drehzahlbereich von 7000 bis 9000/min) von Kurve zu Kurve beschleunigen möchte. Dafür ist man auch gerne bereit, auf übertriebenen Komfort oder einen vernünftigen Kofferraum (Fassungsvermögen: 143 Liter) zu verzichten. Eine Fahrt von München nach Hamburg dürfte hingegen eher als Strafe interpretiert werden - denn irgendwann fällt auch dem Enthusiasten die Geräuschkulisse des stets präsenten Motors auf die Nerven.

Honda hat sich mit dem S 2000 zum 50. Geburtstag eine attraktive Mischung aus gutem Design, feiner Technik und tollen Fahrleistungen (241 km/h - Null auf 100: 6,2 Sekunden) geschenkt. Ein schönes Spielzeug, das man in homöopathischen Dosen (600 Fahrzeuge pro Jahr) an ein paar Auserwählte verteilen wird, die ihn bei einer stabilen Hochdrucklage als Drittwagen nutzen werden. In diesem Sinne: Happy Birthday Honda.

Von Jürgen Lewandowski

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