Honda Prelude:Körpernah zugeschnitten

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Die Tage, als japanische Autos noch billig waren, sind vorbei

(SZ vom 15.02.1992) Coupés und Honda, das paßt zusammen wie Sushi und Sake oder die Kirschblüte und Kyoto. Die aktuelle Coupé- Palette des in der Formel 1 engagierten Herstellers reicht vom CRX über den dreitürigen Civic, den Prelude und den Legend bis zum NSX mit Mittelmotor.

Der Prelude war in der Vergangenheit eher ein Coupé der verbindlichen Art: nicht zu hart gefedert, mit relativ großzügigem Platzangebot, keineswegs übermotorisiert und aufgrund der zierlichen Linienführung bei Damen sehr beliebt.

Der Nachfolger, der in diesen Tagen zu den Händlern rollt, ist dagegen ein echter Sportwagen. Er bietet höhere Fahrleistungen, aber das Blechkleid ist jetzt betont körpernah zugeschnitten, und der Preis für die 2,3-Liter-Version überschreitet mit den wichtigsten Extras locker die 50 000-Mark-Grenze.

Die vierte Prelude-Generation ist wieder ein attraktives Auto mit gelungenen Proportionen. Der Wagen ist kürzer, aber auch breiter geworden, die Schnauze ist deutlich länger und geduckter als bisher, und die Heckpartie gibt sich so bullig und gedrungen, wie es bei modernen Coupés derzeit en vogue ist.

Im Fond geht es eng zu

Von vorne wirkt der Wagen durchaus eigenständig, doch von hinten erinnert der neue Prelude gewiß nicht von ungefähr an den Jaguar XJ-S. Leider ist der pfiffig gestylte Viersitzer nicht besonders geräumig. Schon auf den Vordersitzen fehlt es an Bein- und Kopffreiheit, und im Fond reicht der Platz bestenfalls für zwei japanische Kleinkinder aus. Auch das Fassungsvermögen des Kofferraums ist mit 278 Litern unterdurchschnittlich und geringer als beim Vorgänger, aber dafür läßt sich wenigstens die rechte Hälfte der Rücksitzehne vorklappen. So können notfalls auch sperrige Güter verstaut werden.

Das Prelude-Interieur weckt vom Design her Assoziationen an einen Buick aus den 70er Jahren. Die Anordnung der elektrischen Fensterheber und der Türverriegelungsstifte ist ebenfalls nicht der Weisheit letzter Schluß.

Keine Klagen gibt es dagegen bezüglich der kompletten Serienausstattung, die allerdings beim 2,0-Liter-Modell, dessen Preisspanne bei 37 480 Mark beginnt, weder Leichtmetallräder noch ABS beinhaltet. Bei der 2,3-Liter-Version sind dafür sogar der Fahrer-Airbag, sechs Lautsprecher und ein Tempomat im deftigen Preis von 46 680 Mark enthalten. Klimaanlage, Stereoradio, Allradlenkung und Automatik werden selbst bei dieser Ausführung gesondert in Rechnung gestellt; ein Beifahrer-Airbag ist derzeit leider ebensowenig lieferbar wie Ledersitze.

Die neue Prelude-Karosserie ist um bis 30 Prozent biegesteifer als die letztjährige Außenhaut. Das Doppelquerlenker-Fahrwerk unterscheidet sich im Prinzip kaum vom Vorgängermodell, doch die Abstimmung und die Geometrie wurden komplett überarbeitet.

Mit Hilfe dieser Modifikationen gelang es den Technikern, den Aufbau auch bei schlechter Straße und in schnell gefahrenen Kurven weitgehend ruhig zu stellen . Die Antriebseinflüsse in der Lenkung halten sich jetzt ebenfalls in erfreulich engen Grenzen. Bei vollem Leistungseinsatz besteht zwar nie ein Zweifel darüber, welches Radpaar mit dem Vortrieb beauftragt ist, doch der neue Prelude bringt die Kraft ohne viel Aufhebens auf die Straße.

Gegen einen Aufpreis von 2000 Mark rüstet Honda den Prelude 2.3i mit einer elektronisch gesteuerten Allrad-Lenkung aus. Das stark verbesserte 4WS-System vertraut nach wie vor auf das nicht unumstrittene Wechselprinzip: Bei niedrigem Tempo erfolgt der Radeinschlag an den Hinterrädern entgegengesetzt zu den Vorderrädern; bei höherer Geschwindigkeit lenken beide Radpaare synchron. Die Vorteile dieser 4WS-Philosophie sind größere Wendigkeit (und kleinerer Wendekreis) im Stadtverkehr sowie höhere Fahrstabilität bei Spurwechseln und Ausweichmanövern - so steht es zumindest auf dem Papier.

Im Fahrbetrieb ist jedoch der Wechsel vom Gegen- zum Synchronsteuern nach wie vor problematisch, denn bei 30 km/h zieht der Prelude innerorts einen ganz anderen Radius als bei 60 oder 80 km/h auf freier Strecke. Diese Eigenschaft ist ebenso gewöhnungsbedürftig wie die giftige Reaktion auf Lenkeinschläge bei hohem Tempo. Der Wagen bleibt zwar wunderbar in der Spur, aber man muß sich zu bewußt kleinen Lenkwinkeln zwingen - ein Überreagieren verzeiht das 4WS-Auto nämlich viel weniger als das konventionelle Schwestermodell.

Zwei Vierzylindermotoren stehen zur Auswahl, wobei die 2,3-Liter-Maschine speziell für den Prelude entwickelt wurde. Hier die wichtigsten Daten im Vergleich:

o 2.0i: 98 kW (133 PS), maximales Drehmoment 179 Nm bei 5000/min, Beschleunigung von Null auf 100 km/h in 9,2 Sekunden, Höchstgeschwindigkeit 201 km/h, Verbrauch im Drittelmix 8,6 l/100 km.

o 2.3i: 118 kW (160 PS), maximales Drehmoment 209 Nm bei 4500/min, Beschleunigung von Null auf 100 km/h in 7,7 Sekunden, Höchstgeschwindigkeit 217 km/h, Verbrauch im Drittelmix 8,8 l/100 km

Beide Triebwerke gibt es auch in Verbindung mit einer sehr angenehmen Viergang-Automatik, die vor allem beim 2,0- Liter hilft, eine gewisse Drehmomentschwäche zu kaschieren. Der 2,3-Liter- Motor besitzt ein zweiflutiges Schaltsaugrohr, das für mehr Mumm im mittleren Drehzahlbereich sorgt.

Der neue Honda erfüllt mit Ausnahme der karosseriebedingten Schwächen nahezu alle Anforderungen, die man an ein zeitgemäßes Sportcoupé stellt. Er ist agil, aber nur in Ausnahmesituationen übernervös, verbraucht relativ wenig und ist trotz der straffen Federung ausreichend komfortabel. Die Lenkung ist zielgenau und sehr leichtgängig, die Schaltung ist von mustergültiger Akuratesse, und die vier Scheibenbremsen sind Energievernichter erster Güte.

Fazit: Der Prelude IV ist ohne Frage ein gutes Auto, doch für annähernd das gleiche Geld bekommt man auch einen Opel Calibra turbo 4x4 oder einen VW Corrado VR6. Die Zeiten, als japanische Autos noch wirklich preiswert waren, sind wohl endgültig vorbei.

Von Georg Kacher

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