Honda NSX-T:Dem Asphalt sehr nahe

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Sportliches Fahrverhalten und solide Verarbeitung

(SZ vom 17.08.1996) Es kommt wirklich selten vor, daß auf unseren Hof ein Auto gelangt, das richtig Aufsehen erregt. Und wenn, dann liegt es daran, daß ein nagelneues Modell die Schranke passiert, das auf der Straße noch nicht zu sehen ist. Daß das aber auch bei einem Wagen geschieht, der schon seit mehr als einem Jahr auf dem Markt ist - dann muß es schon etwas besonders sein. Jetzt war es einmal wieder soweit: ein Honda NSX Targa, - schwarz, flach, breit - kurzum, der Sportwagen des japanischen Herstellers begleitete uns für ein paar Tage.

Für Aufregung sorgte der NSX aber nicht nur wegen seiner schnittigen Karosserie - übrigens war sie weltweit die erste Aluminiumkarosserie -, sondern auch, weil der Wagen so gut wie unbekannt in deutschen Gefilden ist. Kein Wunder, wenn man bedenkt, daß seit der Einführung des Targa im März des vergangenen Jahres nicht einmal zehn Exemplare den Weg auf unsere Straßen fanden. Insgesamt betrachtet - Coupé und Targa - fahren seit 1991 rund 300 Stück dieses High-Tech-Gefährts durch Deutschland.

Wie es sich für einen Sportwagen gehört, steigt man in dieses Auto mit einem Schuhlöffel ein und fühlt sich in den maßgeschneiderten Ledersitzen, die einen guten Seitenhalt versprechen, dem Asphalt sehr nahe. Im Cockpit geht es recht japanisch zu. Das heißt, multifunktionale Hebel links und rechts vom Lenkrad beinhalten alles, was der Fahrer braucht: dazu noch einen Temporegler und - einfach nicht zu übersehen - einen riesigen roten Knopf für die Warnblinkanlage.

Targa - das verspricht Frischluftvergnügen, und bei schlechten Wetter ein festes Dach über dem Kopf. Natürlich ist das auch beim NSX so, allerdings warnt schon die Bedienungsanleitung - die man bei der Demontage des Daches freiwillig hervorholt - davor, es zu versuchen, das Hardtop alleine abzubauen. Gut, wir haben uns zu zweit daran gemacht, und es wäre wirklich unmöglich gewesen - zumindest für die Verfasserin -, das Dach alleine aus den Angeln zu hebeln. Nicht das Gewicht war problematisch, sondern die Handhabung. Verstaut wird das Dach nämlich nicht etwa im Kofferraum, was sich bei einem Volumen von 154 Liter durchaus positiv auf die Gepäckauswahl auswirkt, sondern unter der gläsernen Heckscheibe. Das Prozedere geht folgendermaßen: Heckscheibe von innen entriegeln, darunterliegende Abdeckung hochklappen und befestigen, Dach entriegeln, herausheben und - richtigherum - über die Heckhaube gebeugt, Dach dort einfädeln. Ein bißchen umständlich das ganze, aber wer sich einen NSX kauft - immerhin kostet der auf Bestellung und in Handarbeit gefertigte Wagen ab Werk 175 000 Mark - hat auch eine Garage. Die erspart das mühsame Auf und Ab des Daches.

Wer das Dach nicht gleich verstaut, kann noch einen Blick auf den quer eingebauten Mittelmotor werfen, der unter einer weiteren Klappe zum Vorschein kommt. Das 3,0-Liter-Aggregat kann mit folgenden Werten aufwarten: Leistung: 201 kW (274 PS), Höchstgeschwindigkeit: 270 km/h, Beschleunigung von Null auf 100 km/h in 5,9 Sekunden. Das maximale Drehmonemt von 284 Nm liegt bei 5400/min an, was schaltfaules Fahren nicht gerade fördert, aber wer will das bei einem Sportwagen schon.

Nun, zumindest verhält sich der NSX auf der Straße genau so, wie man es von ihm erwartet. Auch wenn der sonore Sound aus dem Auspuff nicht so klinisch rein klingt, wie etwa die Tonlage deutscher oder italienischer sportlicher Wagen - wie uns ein "Kenner" einzureden versuchte, so steht er diesen im Fahrverhalten praktisch in nichts nach. Die Straßenlage ist straff, aber keinesfalls so hart, daß man wieder einmal seinen Krankengymnasten aufsuchen müßte, die Spur hält er auch bei schnellen Geschwindigkeiten ohne Murren; nur die Lenkung schien uns etwas zu schwergängig, die Rückstellkräfte erinnern mehr als ein Training im Fitnessstudio. Daß ein Wagen in dieser Preiskategorie über ein umfangreiches Ausstattungspaket verfügt, versteht sich von selbst: Klimaanlage, elektrische Helfer jeglicher Art, Servolenkung und Lederausstattung machen das Fahren bequemer; zwei Airbags und Gurtstaffer machen es sicherer.

Warum ein solcher Sportwagen in Deutschland nicht so recht zum Erfolg finden will, kann entweder am mangelnden Prestige oder am fehlenden Bekanntheitsgrad liegen. In Japan und den USA, wo Prestige nicht die gleiche Rolle spielt wie in Deutschland, verkauft sich der Wagen besser - auch keine gewaltigen Stückzahlen, aber es werden rund 1000 Exemplare im Jahr produziert. Wenig Publicity mag sicher ein Grund sein, denn man vernimmt eben nicht selten den Satz: "Gehört hab ich von dem Auto schon einmal, abergesehen . . ."

Von Marion Zellner

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