Honda Legend:Die Suche nach Prestige

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Eine unauffällige V6-Limousine mit kompletter Ausstattung

(SZ vom 21.10.1992) Sie bauen zuverlässige Autos, die zudem noch meistens relativ komplett ausgestattet und trotzdem halbwegs preisgünstig sind. Die Rede kann nur von den Japanern sein. Doch damit geben sie sich jetzt nicht mehr zufrieden, sie wollen mehr: Sie haben die automobile Oberklasse im Visier, wo es nicht nur gutes Geld zu verdienen, sondern auch viel Renommee zu erobern gibt. Aber zumindest in Deutschland tun sich die japanischen Hersteller in diesem Marktsegment schwer: Der Deutsche liebt sein Auto, und deshalb ist es ein Prestigeobjekt. Was vor der Garage steht, soll schon etwas hermachen. So machen sich die Japaner notgedrungen auf die Suche nach Prestige - und Honda ist da keine Ausnahme.

Schnörkellos, schreibt Honda in den Presseunterlagen, sei das Design des Legend ausgefallen - und das ist ohne Zweifel richtig und vielleicht sogar noch ein bißchen untertrieben. Der Verzicht auf Japan-Barock ist beim Legend ins Gegenteil verkehrt worden: Wenn er auf einem großen Parkplatz steht, könnte man ihn glatt übersehen.

Dabei hat der Legend das überhaupt nicht verdient: Er ist eine souveräne Reiselimousine, die über allen Komfort verfügt, den man sich auf langen Strecken wünscht. Da wäre zunächst einmal der auf 3,2 Liter Hubraum aufgestockte V6- Motor, der über Vierventiltechnik verfügt und 151 kW (205 PS) leistet. Gerade in Verbindung mit der Viergang-Automatik, die gegen einen Aufpreis von 2800 Mark erhältlich ist, ermöglicht er souveräne Fahrleistungen, ohne dabei jemals aufdringlich zu wirken: Die mögliche Höchstgeschwindigkeit beträgt 223 km/h, und der Spurt von Null auf 100 km/h kann in 8,1 Sekunden vollzogen werden - das sind Werte, die einem Sportwagen zur Ehre gereichen. Allerdings ist der Drittelmix-Verbrauch von 10,5 Litern in der Praxis kaum erzielbar. Im Alltagsverkehr genehmigte sich der V6-Motor durchschnittlich zwölf Liter auf 100 km, bei flotter Fahrweise entsprechend mehr.

Platz bietet die 4,95 Meter lange Limousine in Hülle und Fülle, und ellenlang ist auch die Liste der Serienausstattung: Natürlich verhindert ABS, daß die Räder beim Bremsen blockieren, ein Airbag schützt im Fall des Falles den Fahrer, eine Alarmanlage soll die Limousine vor dunklen Gestalten behüten und elektrische Helfer, die den einen oder anderen Handgriff ersparen, gibt es Legionen: Sie öffnen und schließen die Fenster, schieben das bequeme Gestühl in die angenehmste Position, verriegeln die Türen und beheizen bei Bedarf sogar die Außenspiegel. Ein serienmäßiges Schiebedach steht für diejenigen zur Verfügung, die der Klimaautomatik nicht trauen. Und natürlich haben die Konstrukteure auch den Warnton nicht vergessen, der uns daran erinnert, beim Aussteigen das Licht auszuschalten.

Trotzdem tut sich der Legend hierzulande schwer: Er sei nun in der Oberklasse etabliert, behauptet Honda beinahe trotzig. Bei der ersten Legend-Generation vor fünf Jahren hatte man sich noch mit dem Platz 'an der Schwelle zur Oberklasse' begnügt. Für 72 500 Mark ist die Legend-Limousine kein Sonderangebot mehr - und in dieser Preisklasse legen viele Wert auf Prestige. Und das kann man eben nicht kaufen.

Von Otto Fritscher

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