Honda CBR 1000 F:Ausgewogener Charakter

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Auch Motor und Handling können überzeugen

(SZ vom 09.06.1993) Von einem seit fünf Jahren gebauten Motorrad wird man nur dann einen Fahrbericht anfertigen, wenn das Objekt mit einem vollkommen neuen Feature ausgerüstet wird. Die Honda CBR 1000 F weist für die Saison 1993 ein bisher einmaliges Bremssystem auf: Hand- und Fußbremshebel wirken dabei nicht nur auf die üblichen Bremsscheiben, sondern arbeiten als Kombibremse - jedoch anders als bei den Guzzis und der Honda Goldwing.

Zugrunde liegt dem System die Überlegung, die zweite Bremsanlage stets mitarbeiten zu lassen. Zieht man am Handhebel, werden an den vorderen Scheiben vier der sechs Bremskolben aktiviert, zusätzlich zwei der sechs Kolben an der hinteren Scheibe, beim Druck auf das Fußpedal dreht man den Spieß um. In der Praxis erhält man eine sehr leicht dosierbare und überaus wirksame Bremsanlage, von der man nur hoffen darf, daß Honda seine Ankündigung wahrmacht, sie ab kommender Saison in weitere Motorradtypen einzubauen. Abgesehen von den nicht vorhandenen ABS-Eigenschaften (die Bremse kann blockieren) ein absolutes Highlight.

Dabei entpuppt sich auch das restliche Motorrad - von den Fans unverkleideter Maschinen ob seiner Verkleidung und fernöstlichen Abstammung gerne als 'Joghurtbecher' und 'Reisschüssel' apostrophiert - als Highlight auf Deutschlands Straßen: Honda ist es gelungen, ein ausgewogenes, in sämtlichen Details überzeugendes Zweirad auf die Räder zu stellen. Draufsitzen und wohlfühlen - so fängt's an. Schalter, Spiegel, Kontrolleuchten - alles paßt. Das gilt auch für die Sitzposition: mäßig sportlich, dafür entspannt. Selten klappt der Sitz-Kompromiß besser. Größer gewachsene Mitfahrer klagen freilich über etwas hoch angebrachte Fußrasten. Ärgerlich zudem, daß das Aufbocken auf den Hauptständer schwerfällt und der Reservehahn schlecht erreichbar ist.

Beim Fahren entpuppt sich der 275- Kilo-Koloß als erstaunlich handliches Fahrzeug: Es macht keinerlei Mühe, ihn in Schräglagen jedweder Art zu bringen; ein kurzer Zug am Lenker genügt. Federung und Dämpfung zeigen sich gut abgestimmt, Schaltung und Getriebe sind vorbildlich präzise und weisen kurze Wege auf; ein Nonplusultra, genau wie der Motor-Kaltlauf.

Überhaupt, der Motor: Sanft wie ein Lamm einerseits, läßt er sich mit niedrigsten Drehzahlen betreiben. Bei einem Dreh am rechten Griff geht es andererseits in Sekundenbruchteilen in überzeugender Weise zur Sache: Durchzug, Drehvermögen und Laufkultur rangieren auf höchstem Niveau. Daß dabei sogar der Benzinverbrauch stimmt, ist ein weiterer erfreulicher Punkt: Mit sechs bis sechseinhalb Litern fährt man stets in der ersten Reihe.

Viel Lob, gewiß. Doch wenn selbst eingefleischte Boxerfahrer mit viel Geländeambitionen mit der Honda CBR 1000 F immer öfter 'was probieren' wollen, dann will das einiges heißen . . . - und das für 18 320 Mark.

Von Ulf Böhringer

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