Herbert von Karajan:Maestro am Steuer

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Herbert von Karajans Leidenschaft galt nicht nur der Musik, seine Passion war auch die Geschwindigkeit - am Steuer seiner Yachten, Flugzeuge und Sportwagen.

Günther Fischer

Ja, er war einer der Größten am Orchesterpult. Sicher, er hat unvergessliche Konzerte und Opern dirigiert. Natürlich, er hat ein erstaunliches musikalisches Werk hinterlassen und war über viele Jahrzehnte der bestimmende Faktor in der klassischen Musik, künstlerisch wie geschäftlich - der am 5. April 1908 als Heribert Ritter von Karajan in Salzburg geborene österreichische Dirigent.

Karajan auf seiner Yacht "Helisara". Wenn er Regatten fuhr, dann gewann er sie selbstverständlich auch. (Foto: Foto: Karajan Zentrum)

Aber da war noch mehr: eine Maturaarbeit (das Pendant zum deutschen Abitur) zum Thema "Thermodynamik und Verbrennungsmotoren"; Vorlesungen an der Technischen Hochschule Wien, die er neben seinem Studium an der Musikhochschule besucht sowie die Begeisterung für alles, was sich schnell bewegt. Der Sinn für feine und exakte Tempi in der Musik und in der Technik - er war schon sehr früh angelegt. Jahrzehnte später sollte ein Mechaniker bei Porsche Salzburg sagen, dass Karajan immer "genau wusste, was er wollte. Bei technischen Fragen konnte ihm keiner etwas vormachen".

Joachim Kaiser, Musikkritiker der Süddeutschen Zeitung, glaubt nicht, dass die "Vorliebe für schnelle Autos, schmucke Segel-Yachten und halsbrecherische Sportfliegerei" Karajan "beherrschend geprägt" habe. Dennoch steht fest, dass Mobilität dem manchmal herrisch auftretenden Dirigenten schon in frühen Jahren ein bedeutendes Mittel zur Selbstdarstellung war - ähnlich wie später der Friseur, der seine markant fallenden Haare stets in Form halten musste. Selbst in den Konzertpausen.

Es gibt frühe Aufnahmen des jungen Karajan, so um 1929, die ihn auf einer Harley-Davidson zeigen - mit Lederkappe und forschem Vorwärtsdrang. Doch es musste schneller gehen. Schon bald war Karajan Besitzer eines BMW 328 - der Sportwagen, der 1936 das Eifelrennen gewonnen hatte.

Hand in Hand mit seinem beruflichen Aufstieg als Dirigent wurden auch die Autos schneller und teurer. Bereits 1954 nannte er einen Mercedes 300 SL sein Eigen, den berühmten "Flügeltürer" - ein Auto, das mit Gitterrohrrahmen und Benzindirekteinspritzung zu der Zeit den Gipfel des automobilen Sportwagenbaus darstellte.

Herbert von Karajan und seine Frau Eliette in einem Posche, Mitte der siebziger Jahre. (Foto: Foto: Karajan-Zentrum)

Es folgten rasch: ein Jaguar XK 150, ein Daimler V8 250, Mitte der 60er Jahre auch ein Rolls-Royce Silvercloud. Mit dem Kauf eines Porsche 917, der legendäre Renner der 70er Jahre, begann auch Karajans Beziehung zum Zuffenhausener Hersteller. Sie sollte bis zu seinem Tod nicht mehr abreißen.

Zuvor aber kaufte er sich noch zwei Ferraris: einen 250 GT Lusso und einen 275 GTB - in Blau. Und es war der Motor, der ihn begeisterte. Auf die Journalistenfrage, welche Sinfonie für ihn die schönste sei, antwortete er doch glatt: "Die eines Ferrari V12." Ob er die Eleganz der Karosserie würdigte - immerhin gehört der Lusso zu den schönsten Ferraris, die je gebaut wurden -, ist nicht bekannt.

Seine erste kleine Yacht hieß "Karajanides"

Karajan legte sich weiter Autos wie am Fließband zu: einen Lancia Stratos, einen Mini Cooper (den Sieger der Rallye Monte Carlo), einen Mercedes 500 SL, einen VW Scirocco und schließlich den ultraflachen Ford GT 40 Mk3 - der Rennwagen, der die 24 Stunden von Le Mans dreimal in Folge gewonnen hatte. Pünktlich zu seinem 50. Geburtstag stand der Wagen vor seinem Haus in Anif bei Salzburg - einer von nur 31 Stück, die insgesamt gebaut wurden.

In den siebziger Jahren wurde Karajan - trotz gelegentlicher automobiler Seitensprünge mit dem Rallye-Monster Renault 5 Turbo oder einem Audi Sportquattro - endgültig zum Porsche-Fan, ein Neunelfer zu seinem ständigen Begleiter. Die gegenseitige Wertschätzung wurde sogar so groß, dass Porsche eigens für Karajan ein Sondermodell baute: den 911 turbo RSR. In der Farbe Silber, mit rotblauen Streifen auf der Seite und einem mächtigen "turbo"-Schriftzug - zu sehen ist er unter anderem auf dem Cover der "Berühmten Ouvertüren", die Karajan mit den Berliner Philharmonikern einspielte. Dieser 911er ist übrigens der einzige zivile Porsche, der jemals mit dem aus dem Rennsport übernommenen RSR-Chassis gebaut wurde, der weniger als 1000 Kilo wog und mit Rennfahrwerk und Überrollbügel ausgestattet war.

Wenn es nur die Autos gewesen wären: Karajan hatte - fast muss man sagen: natürlich - auch den Piloten- und Segelschein. Und selbstverständlich flog er seine Cessna oder seine Pilatus selbst. Seine erste kleine Yacht wiederum legte sich Karajan übrigens schon 1938 zu. Er nannte sie Karajanides, und während der Flitterwochen mit seiner ersten Frau, dem Operettenstar Elmy Holgerloef, fuhr er damit über den Chiemsee.

Seine nächste Yacht war bereits groß genug, um übers Mittelmeer bis an die nordafrikanische Küste zu segeln - ein Törn, den er 1953 mit Elisabeth Schwarzkopf unternahm, um die Sängerin in Tunis als Pianist bei einem Liederabend zu begleiten. Sein letztes Boot war die Helisara IV, einer der größten Rennsegler seiner Klasse, 20 Tonnen schwer und mit 21 Mann Besatzung. Allein der Mast war 30 Meter hoch. Und wie könnte es anders sein: Karajan gewann damit mehrere Regatten.

Die Freude an Boliden blieb bis zuletzt

Er war schon fast achtzig Jahre alt, als Porsche ihm noch einmal etwas Besonderes offerierte: den Porsche 959. Mit 450 PS, intelligentem Allradantrieb, Leichtbau (ein Chassis aus Fiberglas und Kevlar - eine Weltpremiere), der ersten Reifendruckkontrolle der Autogeschichte sowie einer Beschleunigung von 0 auf Tempo 100 in 3,7 Sekunden war er zu der Zeit - neben dem Ferrari F40 - der Supersportwagen schlechthin.

Es gab vom 959 nur 280 oder 292 Stück - klare Angaben sind bis heute nicht zu bekommen. Karajan jedenfalls bekam gleich zwei geschenkt (der reguläre Kaufpreis wäre rund 230.000 Euro gewesen). Mit dem ersten landete er bald im Straßengraben - wegen überhöhter Geschwindigkeit. Den zweiten lieferte Porsche 1988 in sein Winterdomizil nach St. Moritz. Doch Karajan litt länger schon an Rückenproblemen, auch ging ihm die Kraft aus: Schon Anfang 1989 verkaufte er den 959 wieder - an einen Freund. Als er am 16. Juli 1989 in den Armen seiner Frau Eliette starb, war es auch das Ende eines rasanten Lebens.

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