Hausbootfahren ohne Lizenz:Entdeckung der Langsamkeit

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Dass jede Regel eine Ausnahme hat, gilt sogar im strengen deutschen Führerscheinwesen für die Sportbootfahrt: Auch ohne Lizenz können Freizeitkapitäne auf immer mehr deutschen Gewässern ihr Hausboot steuern.

Klaus Bartels

Eigentlich muss der Sportbootführerschein vorgelegt werden, wenn ein Bundesbürger im eigenen Land mit einem Boot ablegen will, das durch einen Motor mit mehr als fünf PS angetrieben wird. Das Zauberwort für die Ausnahme lautet Charterbescheinigung.

Die Ruheselbst: Dank Charterbescheinigung können Hausboote auch ohne den Besitz des Sportbootführerscheins gesteuert werden. Deutsche Reviere jedenfalls sind im Kommen. (Foto: Foto: Kuhnle Tours)

Der Gesetzgeber hatte 2004 auf Druck der Bootsbranche die Ausnahmeregelung für einige Binnengewässer geschaffen, um deutsche Vercharterer nicht schlechter zu stellen, als die Konkurrenz im europäischen Ausland.

Bis dahin waren deutsche Hausbootmieter ohne Führerschein nach Frankreich, Holland oder Irland ausgewichen, weil sie dort auch ohne Schein zum Freizeitkapitän werden können. In Deutschland brauchen sie jetzt mit der Charterbescheinigung zwar immer noch eine Legitimation für einen Urlaubstörn in ausgewählten Revieren, die aber innerhalb von drei Stunden erworben werden kann.

In kurzer Zeit wurde die Charterbescheinigung zum wirtschaftlichen Erfolgsmodell. Gut für die Branche und die Charterkunden: Es kommen immer neue Reviere dazu.

So können die Kapitäne auf Zeit allein in den neuen Bundesländern mit der Bescheinigung auf mehr als 700 Kilometer Flüssen und Kanälen mit dem Hausboot unterwegs sein. Dazu kommen Seen wie Müritz, Plauer See, Schweriner See, Kummerower See und Scharmützel See. Auch auf Flussrevieren des Saarlands gilt die Regelung.

Die Einweisung in den Bootssport, die aus einem Autofahrer einen Hausbootfahrer auf Zeit macht, ist ein Schnelldurchlauf, der sich von der Verantwortlichkeit eines Bootsführers über die allgemeinen Verkehrsregeln auf dem Wasser und der Navigation auf Binnenwasserstraßen bis hin zum Umweltschutz und der Bootstechnik erstreckt. Dabei ist der Praxisteil am Ruder des Bootes recht lang.

Üben, üben, üben, heißt es beispielsweise zwischen den Stegen der Marina Claasen von Kuhnle-Tours an der Müritz. Auch nach einer Stunde kurbelt der Aspirant für die Charterbescheinigung weiter am Ruder und der Einweiser Konrad Apel sieht zufrieden aus: Fortschritte, die sein Schüler mit der Handhabung des knapp zwölf Meter langen Bootes macht, sind erkennbar, sodass er ihn sogar in die Geheimnisse des Eindampfens in eine Spring einführt.

So muss sich kein Mitfahrer beim Versuch, das tonnenschwere Boot von der Kaimauer wegzuschieben, gefährden. Irgendwann am Nachmittag steuert der frischgebackene Kapitän auf Zeit das Hausboot vom Typ Kormoran 1140 eigenverantwortlich auf die Müritz. Höchstgeschwindigkeit des gedrosselten Bootes: zwölf Kilometer pro Stunde.

Die gesamte Einweisung zielt auf besonders vorsichtiges Verhalten hin und die Einweiser der Agenturen scheinen ihren Job gut zu machen: Charterkunden mit der Bescheinigung fahren ebenso sicher wie Kunden mit einem amtlichen Sportbootführerschein-Binnen. Das zeigen statistische Daten der Vercharterer. So war im Jahr 2005 die Anzahl der Schäden von Schiffsführern mit Charterbescheinigung geringer als von Skippern mit dem Sportbootführerschein.

Mittlerweile bieten rund zehn Charterfirmen in Deutschland die Möglichkeit an, ohne Sportbootführerschein zu Hausboottörns auf Binnenrevieren zu starten.

Rund 37 000 Chartergäste waren laut veröffentlichter Statistik im Jahr 2005 mit einem Skipper unterwegs, der als Legitimation zur Führung eines Hausbootes mit bis zu 15 Meter Länge nur die Charterbescheinigung vorlegen konnte.

© SZ vom 24.3.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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