Genfer Geschichten:Zetsche findet keinen Käufer

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Der DaimlerChrysler-Chef lässt möglichst lange offen, was aus Chrysler wird - das ist für ihn am besten. Nur eine Versteigerung schließt er kategorisch aus.

Von Michael Kuntz

Im Partyraum von DaimlerChrysler beim Genfer Autosalon steht in der Ecke zwischen Oldtimern eine große Autorennbahn. Während Journalisten und Manager die kleinen Autos durch die Kurven sausen lassen, heben Helfer die aus der Kurve geflogenen Flitzer blitzschnell auf die Fahrbahn zurück, damit das Spiel weitergehen kann.

Ob's was hilft? Vielen erscheint die Zukunft von Chrysler keineswegs glänzend. (Foto: Foto: AFP)

Spielerisch wie das Rennen der Modellautos handhabt Konzernchef Dieter Zetsche derzeit auch den Run auf Chrysler - so es überhaupt einen gibt. Angeblich reißen sich Interessenten aus der ganzen Welt um die US-Tochter des deutsch-amerikanischen Autokonzerns. Doch keiner greift zu. Sie möchten Chrysler gerne loswerden und kriegen es nicht hin, sagt ein Branchenkenner in Genf.

Beim Autosalon verblüfft Zetsche nun sogar mit der Erkenntnis, auch der gegenwärtige Status von Chrysler sei eine der Optionen. Vor inzwischen drei Wochen hatte der Topmanager die Welle der Spekulationen losgetreten - bei der ersten Bilanzvorlage seines Konzerns auf amerikanischem Boden. Am Chrysler-Sitz in Auburn Hills hatte Zetsche erstmals erklärt, für die Zukunft von Chrysler seien alle Optionen offen. Bis dahin hatte er zumindest einen Verkauf ausgeschlossen.

Spott von Kollegen

Praktisch alle großen Autohersteller in Nordamerika, Europa und Asien haben seitdem öffentlich erklärt, dass sie Chrysler nicht wollen. Viele von ihnen haben angesichts weltweiter Überkapazitäten in der Branche sowie heftiger Rabattschlachten selbst zu kämpfen. Warum sollten sie sich eine Krisenfirma dazukaufen? Wer sich einen Sanierungsfall ins Haus holen wolle, viel Glück dabei, spottete Audi-Chef Rupert Stadler.

Die Hauptgründe für den neuerlichen Milliardenverlust von Chrysler sind zu hohe Stückzahlen und eine Modellpalette, die eines nicht ausreichend berücksichtigte: Dass amerikanische Autokäufer zwar spritschluckende Monsterautos lieben, sich diese bei Benzinpreisen bis zu vier Dollar pro Gallone aber nicht mehr leisten können und deshalb scharenweise zur asiatischen Konkurrenz überlaufen. Die von Chrysler-Chef Tom LaSorda eingeleitete zweite Sanierungsrunde ist nicht sehr schmeichelhaft für Zetsche. Hat ihn doch die erste - von ihm verantwortete Chrysler-Sanierung - an die Konzernspitze befördert.

Nach den effektvollen Worten von den offenen Optionen fängt Zetsche an einzulenken, heißt es beim Autosalon. Zetsche dämpft Spekulationen um eine Abspaltung von Chrysler oder den Verkauf an einen chinesischen Autohersteller. "Die Chrysler Group ist sehr integriert", sagt Zetsche nun.

Die Produktionsabläufe und Plattformen seien nicht nach Marken getrennt, eine Aufspaltung wäre schwierig. Analysten hatten gemutmaßt, DaimlerChrysler könnte den US-Hersteller in seine Einzelmarken Chrysler, Jeep, Dodge und Plymouth filetieren und diese einzeln veräußern.

"Kein Auktionsprozess"

Zurückhaltend äußert sich Zetsche auch zu einem Verkauf nach China. "Es gibt Möglichkeiten, die wir in Betracht ziehen, und andere, bei denen wir dies weniger tun." In der Branche wird eine solche Lösung hingegen für nicht unlogisch gehalten.

Chinesische Autohersteller bauen ihre Geschäfte stark aus und verfügen über das notwendige Kapital dafür. DaimlerChrysler schließt nun auch eine Versteigerung von Chrysler aus. Die Option "alles ist offen" schließt nach den Worten eines Sprechers "nicht die Form eines Auktions-Prozesses" ein.

Zetsche findet keinen Käufer für Chrysler - und das ist gegenwärtig das Beste, was ihm passieren kann: Möglichst viele Investmentbanker, die sich ins Gespräch bringen. Möglichst viele andere Autohersteller, die geschmeichelt dementieren, sich mit Chrysler noch ein Problem mehr einhandeln zu wollen. Das fasziniert Börsen und stützt den Kurs der Aktie von DaimlerChrysler. Es ist der Gesprächsstoff, aus dem die Träume sind.

© SZ vom 08. 03. 2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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