Führerschein:Steuer frei

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Die Senioren in Japan verursachen zu viele Unfälle - jetzt drängt sie die Polizei zum Führerscheinverzicht.

Christoph Neidhart

Aktiv bleiben, das ist für ältere Japaner beinahe ein Imperativ. Regierung und Gesellschaft erwarten von der ständig wachsenden Zahl an Rentnern, dass sie sich möglichst lange nützlich machen. Und außerdem etwas für ihre Fitness tun. Nur eines sollten sie bitte nicht mehr: Auto fahren.

Die Zahl der Unfälle mit Rentnern am Steuer hat in den vergangenen acht Jahren in Japan um mehr als 30 Prozent zugenommen. (Foto: Foto: AP)

Der Führerschein muss alle fünf Jahre erneuert werden

Im Vorjahr verursachten Autofahrer über 65 in Japan 100.000 Autounfälle. Besonders auf den stets überlasteten Straßen von Tokio hat die Zahl der Unfälle, in die über 70-Jährige verwickelt waren, seit dem Jahr 2000 um mehr als 30 Prozent zugenommen. Und dies, obwohl die Gesamtzahl der Unfälle gesunken ist.

In Japan muss jeder seinen Führerschein alle fünf Jahre erneuern, sich dabei einem Sehtest unterziehen und eine Lektion über Verkehrssicherheit anhören. Autofahrer über 70 werden in einem speziellen Vortrag eigens auf altersbedingte Risiken hingewiesen. Und doch kann man in Japan Betagten die Fahrerlaubnis nicht einfach so entziehen. Zumindest nicht dann, wenn sie bisher unfallfrei unterwegs waren.

Die Polizei in Tokio startet deshalb nun eine Kampagne, die ältere Leute zum freiwilligen Verzicht auf den Führerschein auffordert: "Wenn Sie sich am Steuer nicht mehr sicher fühlen, oder wenn Ihre Angehörigen sagen, dass sie sich Sorgen machen, dann haben Sie den Mut und geben Sie den Führerschein ab!", heißt es dort.

Tatsächlich ließen im vergangenen Jahr nur etwa 6000 Senioren aus freien Stücken vom Lenkrad ab. Deshalb will die Tokioter Polizei nun alte Leute belohnen, die auf das Steuer verzichten. Bisher hat sie 39 Firmen zum Mitmachen gewonnen. Alte Leute, die eine polizeiliche Bestätigung vorweisen, dass sie das Selberfahren aufgegeben haben, werden künftig in einigen Hotels und Restaurants, etwa einer Pizzeria-Kette, Rabatte erhalten und vielenorts geringere Eintrittspreise zahlen. Eine Bank offeriert ihnen gar um 0,1 Prozent höhere Zinsen, das klingt angesichts der Minimalzinsen in Japan durchaus verlockend. Die Warenhäuser Isetan und Mitsukoshi liefern solchen Senioren die Einkäufe künftig sogar umsonst nach Hause.

Führerschein weg - dafür günstig ins Museum

Rentner-Rabatte sind für Japan allerdings nichts Neues: Flugtickets, Museen-, Ausstellungs-und Zoo-Eintrittspreise sind für alle, die älter als 65 Jahre sind, ermäßigt. Und wer mindestens 50 Jahre alt ist und zu zweit ins Kino geht, der zahlt nur einen Rentnerpreis. Ob da noch etwas mehr Rabatt Anreiz genug ist, definitiv aufs Autofahren zu verzichten, muss sich erst noch zeigen. Zumal die Website der Tokioter Polizei zeigt, dass 2007 über die Hälfte aller Straßentoten im Rentenalter zu Fuß unterwegs war - und mehr als 40 Prozent der 65- bis 69-Jährigen mit dem Fahrrad. Mit dem Auto dagegen gefährden die Rentner sich zumindest nach dieser Statistik weitaus weniger als jüngere Fahrer.

© SZ vom 23.4.2008/gf - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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