Frankreichs rasende Regierung:Konservative mit Linksdrall

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Französische Minister scheren sich nicht um Verkehrsregeln. Besonders schlimm und nicht einzuholen ist Präsident Nicolas Sarkozy.

Gerd Kröncke, Paris

Einmal in der Woche geht die Ministerin zu Fuß, schon wegen der Fernsehkameras und weil es nur ein paar Minuten sind vom Innenministerium bis zum Elysée-Palast, wo sich Mittwochs die Kabinettsrunde beim Präsidenten trifft. Aber sobald Michèle Alliot-Marie im Auto sitzt, kennt sie keine Regeln mehr. Zum Beispiel passiert sie mitten in Paris eine Kreuzung auf der Gegenfahrbahn, vorbei an denen, die geduldig vor der Ampel auf Grün warten. Dann haben auch konservative Minister einen Linksdrall.

Ein Test der offiziellen Verkehrsdisziplin

Das Magazin Auto plus hat wieder einmal die Verkehrsdisziplin der französischen Regierung getestet und da kommt MAM, wie man sie nennt, besonders schlecht bei weg. Einen Monat lang hatte das Magazin französische Minister beschattet, so gut es ging, und oft genug sind sie ihren Verfolgern entkommen. Das Fazit: Minister im Dienstwagen fahren zu schnell, scheren sich nicht um rote Ampeln. Dokumentiert hat das Magazin nur, was auf Film oder Foto nachzuweisen ist.

Unschlagbar und nicht einzuholen aber ist Nicolas Sarkozy. Der hyperaktive Präsident, der nie zur Ruhe kommt, ist der schnellste von allen. Geschwindigkeitsübertretung: 128 Stundenkilometer, wo 90 erlaubt sind; bei rot über die Kreuzung; durchgezogene Linien stören nicht; gegen die Fahrtrichtung, warum nicht, schließlich ist der Präsident immer in Eile - obwohl doch nie eine Veranstaltung ohne ihn anfängt. Als sich der Präsident vom Elysée zur Porte d'Orleans am Rande der Stadt fahren ließ, brauchte er zwölf Minuten. Das schafft ein normaler Autofahrer vielleicht nachts um drei, wenn er fast allein auf der Straße ist.

Sarkozy ist schlimmer als François Mitterrand. Dagegen war Jacques Chiracs Verhalten fast vorbildlich, aber der war, im Vergleich zu Sarkozy, auch weniger quirlig.

Für die gewählten Vertreter des Volkes gelten halt andere Regeln als für ihre Wähler, oder nicht? Es ist ein Irrtum, zu glauben, dass einer so schnell fahren darf wie er will, wenn er von Gendarmen auf Motorrädern und mit Blaulicht eskortiert wird. Auch in Frankreich sind dazu nur die Notfalldienste autorisiert. Aber wer will sich schon mit dem Präsidenten anlegen.

Auch gern genommen: die Busspur

Sein Premierminister bekommt auch keine besseren Zensuren. François Fillon pflegt eine Leidenschaft für schnelle Autos und bevor er Regierungschef wurde, ist er gern Rennen und Rallyes gefahren. Wer versucht, ihm zu folgen, wenn Fillon selbst am Steuer sitzt, muss gute Nerven haben. Zwar überschreitet er das Geschwindigkeitslimit nur selten, aber er schert sich nicht um roten Ampeln.

Immerhin lässt sich auch Freundliches sagen, zumindest über den Umweltminister. Jean-Louis Borloo hat offenbar seine Chauffeure zur Vorsicht gemahnt: Einmal hat sein Dienstauto eine weiße Linie überfahren, einmal war es schneller als die Polizei erlaubt, aber sonst fiel nur auf, dass der Minister immer wieder auf der Busspur fuhr. Das ist zwar nicht in Ordnung, aber wenigstens nicht gefährlich.

© SZ vom 8.10.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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