Fotografie:Gesichter aus dem Grenzbereich

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Ein Fotoband zeigt Portraits von 76 Formel-1-Piloten: Innenansichten eines extremen Sports.

Jörg Reichle

Manche Bücher sind anders als andere. Es sind nicht viele, dazu ist der Motorsport als rasender Tanz ums Goldene Kalb zu sehr das ewig gleiche Ritual, das seine Jünger blendet. Die, die Bücher darüber machen, vertrauten nicht ohne Grund dem bunten Bild seit je her mehr als dem klischeefernen Gedanken, und Nachdenklichkeit sucht man dort meist vergebens, wo der Lärm der Maschine alles niederbrüllt. Es sei denn, den Jubel der Sieger.

Stylisten, Romantiker und Akrobaten

Dass es auch anders geht, lehrt uns ein Fotoband, den der Delius-Klasing-Verlag pünktlich zur Frankfurter Buchmesse präsentiert. Am harmlosesten ist noch der Titel: "Legenden der Formel 1", klingt nun wirklich nach Aufguss. Aber wer die Portraits von 76 Piloten der höchsten Güteklasse in Kapitel einteilt wie "Die Stylisten", "Die Romantiker" oder "Die Akrobaten", lässt zumindest aufhorchen. Und hat, wie sich schnell zeigt, ein durchschmökertes Wochenende verdient.

Zunächst sind es die Fotos, die packen. Bernard und Paul-Henri Cahier sind nachdenkliche Meister mit der Kamera. Der ältere, Bernard, verfolgte die Formel 1 seit 1952 mit der Leica, sein Sohn tut es mit anderer Technik heute. Ihre Schwarz-Weiß-Portraits sind von seltener Eindringlichkeit.

Champions, die man von tausenden Fotos zu kennen glaubte, hier sieht man sie anders. Jim Clark, zum Beispiel, der Schotte, Weltmeister 1963 und 1965, tödlich verunglückt 1968. Ein Bild zeigt ihn 1964 in Monaco. Der Irrsinn dieses Rennens, das Tempo jenseits des Vorstellbaren, spiegelt sich in den schwarzen, erschöpft ins Leere blickenden Augen. Die Ränder der Rennbrille sind noch tief in die Haut eingegraben. Und man begreift: Hier war gerade einer in einer Welt, die dem Normalsterblichen für ewig verschlossen bleibt.

Auf des Messers Schneide, schon die Beschreibung gerinnt zum Allgemeinplatz, ist ein Rennfahrer im Kampf gegen Gegner und die eigene Angst so allein, wie man nur sein kann. Auch das zeigen diese Bilder: gnadenlosen Egoismus. Nur einer kann der Schnellste sein. Schaut man sich das Foto des Spaniers Fernando Alonso genau an, begreift man, dass der Mann nicht verlieren kann.

Andere lernt man in Augenblicken tiefster Erschöpfung kennen, im Angesicht der Niederlage, ölverschmiert, mit irrlichterndem Blick. Nino Farina, den ersten Weltmeister, auch Moss, auch Fangio, den vermeintlich Mühelosen.

Dass noch bis hinein in die achtziger Jahre im Cockpit gestorben wurde, weiß man. Senna war der letzte große Name der verschwand, lange zuvor Ascari, von Trips, Rindt. Es waren viele. Allein 1958 verunglückten Musso, Collins und Hawthorn. Andere wie Amon, de Cesaris oder Beltoise scheiterten und glitten leise in die Versenkung des Vergessens.

Zugespitzte Skizzen

Sie alle in ihrer Unterschiedlichkeit darzustellen, unterstreichen auch die eher kurzen Texte des Buches, verfasst von Xavier Chimits, ehemals Chefredakteur des französischen Magazins L'Automobile. Es sind keine Biografien mit dem Anspruch auf Vollständigkeit, eher zugespitzte, fast karikaturhafte Skizzen, die Chimits entwirft.

Ohne falsche Rücksichten. So liest man über Stirling Moss, den erfolgreichsten Nicht-Weltmeister unter anderem: "Leider hat er eine Schwäche. Das Geld. Er fährt zu viele Rennen, egal wo. Hauptsache, ein Scheck winkt." Und das ungekrönte Karriere-Ende des hoch begabten Belgiers Jacky Ickx erklärt er so: "Er war einfach zu talentiert, zu schön und hatte zu viele Zweifel."

Leider unterstreichen die Texte aber auch noch etwas anderes: Dass die Kunst des Lektorierens auf dem Rückzug ist. Das ist bedauerlich, aber immerhin: Es ist die einzige Schwäche dieses Buches.

Cahier/Chimits: Legenden der Formel 1; Delius Klasing Verlag; 224 Seiten, 116 Fotos, Format 27×29cm; 39,90 Euro.

© SZ vom 13.10.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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